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06.03.04 / Fairneß gebietet Kenntnisnahme / Aufzeichnungen des in den Nürnberger Prozessen verurteilten Generalfeldmarschalls Keitel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 06. März 2004

Fairneß gebietet Kenntnisnahme
Aufzeichnungen des in den Nürnberger Prozessen verurteilten Generalfeldmarschalls Keitel

Im Urteil der Öffentlichkeit sind die führenden Persönlichkeiten Deutschlands aus den 30er und 40er Jahren fast ausnahmslos mit negativen Vorzeichen versehen. Der damalige Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, trägt den Makel des angeblichen "Lakeitels", des Nur-Fachmannes, der Hitler kritiklos diente.

Die Ursache der einseitigen Be- und Verurteilung ist die fast kritik-lose Übernahme der Kriegspropaganda und der Verdammungsurteile der Siegermächte. Läßt man jene deutschen Persönlichkeiten dennoch zu Wort kommen, indem man persönliche Schriftstücke, nachgelassene Memoiren, Rechtfertigungen veröffentlicht, dann wird entweder versucht, die Herausgabe zu verhindern oder aber sie werden tot geschwiegen. Dabei haben nach allgemeinem Rechtsempfinden auch der Unterlegene und der Verurteilte ein Recht darauf, gehört zu werden. Die Urteilsbildung obliegt dann dem mündigen Bürger.

So ist es verdienstvoll, wenn der Neffe des im Nürnberger Prozeß zum Tode verurteilten und dann gehenkten Generalfeldmarschalls Wilhelm Keitel, der 1917 geborene Hans-Joachim Keitel, Kaufmann und Oberstleutnant der Reserve der Bundeswehr, die persönlichen Aufzeichnungen, die sein Onkel während des Nürnberger Prozesses zu den Anklagepunkten zu seiner Verteidigung gemacht hat, zu einem Buch hat werden lassen. Diese Aufzeichnungen waren jahrzehntelang verschwunden; vermutlich hatten sich Hintermänner der Amerikaner die Urkunden nach dem Prozeß angeeignet, um sie 1980 der Familie Keitel zu verkaufen.

Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht hatte keine Befehlsbefugnisse. Er war erster Mitarbeiter und Ratgeber im Stabe des Befehlshabers der Wehrmacht, und der war Adolf Hitler. Keitel hatte seine Ansichten zu den wichtigsten Beschlüssen Hitlers zu entwickeln und zu begründen. Entschieden hat stets der Oberbefehlshaber. Das war in der deutschen Wehrmacht nicht anders als in allen Armeen der Welt. So ist es fragwürdig gewesen, den Chef des OKWs vor Gericht verantwortlich zu machen für die militärischen Maßnahmen.

Bei seiner Verteidigung ging es dem Generalfeldmarschall, wie er selbst sagte, nicht darum, seinen Kopf zu retten. Daß der fallen würde, war ihm angesichts der Haltung der Siegermächte klar. Es ging ihm jedoch darum, sein Gesicht zu wahren. Das wird auch in seinen Aufzeichnungen deutlich. Keitel nimmt darin Stellung zu ihm gemachten Vorwürfen wie etwa jenen, er habe sich an der militärischen Vorbereitung eines Angriffskrieges beteiligt, er habe die Pläne für die Feldzüge zu verantworten gehabt und er habe Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit genehmigt, ja, sogar dazu angeleitet.

Einige Vorwürfe muten heute absurd an, wie etwa jene, er habe an der Vorbereitung eines Krieges mitgewirkt. Wie viele Chefs von Generalstäben hätten, wenn denn das Nürnberger Urteil mehr gewesen wäre als die Rache der Sieger, seitdem vor internationalen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden müssen?

Keitel wurde auch verurteilt wegen Maßnahmen, die gegen sowjetische Partisanen durchgeführt wurden, wobei man heute all die Maßnahmen, die Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg gegen Partisanen ergriffen haben - von Algerien bis Irak -, Revue passieren lassen sollte.

Den Ausarbeitungen Keitels mag man zustimmen, oder man mag sie mit Gründen ablehnen. Nicht nur die Fairneß gebietet es aber, sie zur Kenntnis zu nehmen, wenn man sich ein Urteil bilden will. Darüber hinaus aber findet man manches, was heute in der Öffentlichkeit unbekannt ist.

So ergänzt das Buch die Veröffentlichungen über den Nürnberger Prozeß wie auch die Biographie Wilhelm Keitels aus der Feder von Werner Maser. H.-J. von Leesen

Hans-Joachim Keitel (Hrsg.): "Keitel in Nürnberg - Stellungnahme des Generalfeldmarschalls zu verschiedenen Anklagepunkten im Nürnberger Prozeß", Verlag Siegfried Bublies, Schnellbach 2002, geb., 414 Seiten, 4 Fotos, 24,95 Euro


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