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13.03.04 / Ein Wohltäter der Menschheit / Zum 150. Geburtstag des Nobelpreisträgers Emil von Behring

© Preußische Allgemeine Zeitung / 13. März 2004

Ein Wohltäter der Menschheit
Zum 150. Geburtstag des Nobelpreisträgers Emil von Behring
von Silke Osman

Diphtherie die (sog. Rachenbräune): oft lebensgefährliche bakterielle Infektionskrankheit, die vorwiegend mit einer Entzündung des Nasenrachenraums einhergeht und zu einer Schädigung wichtiger Organe führen kann. Der Erreger Corynebacterium diphtheriae wird durch Tröpfcheninfektion oder direkten Kontakt mit Erkrankten übertragen, wobei nicht das Bakterium selbst, sondern das von ihm gebildete Gift (Exotoxin) Organschädigungen verursachen kann ... Aus der Rachendiphtherie kann sich die fortschreitende Form entwickeln. Sie und die primär bösartige Diphtherie gehen vielfach auch mit Organschäden des Herzens und Zentralnervensystems einher und verlaufen oft tödlich ..." - "Wundstarrkrampf (Tetanus): schwere, oft tödlich verlaufende bakterielle Infektionskrankheit mit typischen Muskelkrämpfen ... Der Erreger, Clostridium tetani, ist weltweit verbreitet und findet sich meist im Erd-reich. Gelangt er in tiefe oder zerklüftete Wunden mit mangelhafter Sauerstoffversorgung, vermehrt er sich am besten; in der Hälfte aller Fälle gehen allerdings nur Bagatellverletzungen voraus ...", so liest man in jedem einschlägigen Gesundheitslexikon über zwei weitverbreitete und oft unterschätzte Krankheiten.

Vieles wüßten wir heute allerdings nicht ohne den Mann, der vor 150 Jahren im westpreußischen Hansdorf, Kreis Rosenberg, geboren wurde: Emil von Behring. Ohne ihn und seine Forschungen wäre es jedoch auch nicht möglich, diese schrecklichen Krankheiten wirkungsvoll zu bekämpfen. Die Diphtherie, einst auch als "Würgeengel der Kinder" bekannt, raffte allein 1892 in Deutschland 50.000 Kinder dahin, und der Wundstarrkrampf bedeutete vor allem für Soldaten im Feld eine besondere Gefahr. Behring erkannte, vermutlich durch seine Studien über Desinfektion von Bakterien, daß das Blut von Tieren, die gegen Diphtherie und Tetanus immun waren, andere nicht immune Tiere vor diesen Krankheiten schützen konnte. Zunächst impfte er Schafe mit Diphtheriekulturen in steigender Dosierung und erhielt so ein hochwirksames Gegengift, mit dem er bald auch Menschen heilen konnte.

Der als fünftes Kind des Lehrers August Behring am 15. März 1854 geborene Emil Adolf wurde bis zu seinem 13. Lebensjahr von seinem Vater in der kleinen Dorfschule in Hansdorf unterrichtet. Dann besuchte er sieben Jahre lang das Gymnasium im ostpreußischen Hohenstein, wo er 1874 die Reifeprüfung ablegte. Ursprünglich sollte er Theologie studieren, erhielt dann jedoch ein Stipendium zum Studium am Königlich Medizinal-Chirurgischen Friedrich-Wilhelm-Institut in Berlin, der sogenannten Pepiniere. 1878 schon wurde er mit der Arbeit "Neuere Beobachtungen über die Neurotomia opicociliaris" promoviert. Sieben Jahre wirkte Behring dann als Militärarzt in verschiedenen Garnisonsstädten. Als Stabsarzt nach Bonn an das Pharmakologische Institut der Universität abkommandiert, arbeitete der Westpreuße über die Immunität gegen Milzbrand und veröffentlichte über dieses Thema auch verschiedene Texte. Nach einer kürzeren Zeit an der Pepiniere ging Behring dann an das Hygienische Institut der Universität Berlin zu Robert Koch, dem großen Bakteriologen. Dort arbeitete er gemeinsam mit dem Japaner Shibasaburo Kitasato im Kampf gegen Diphtherie und Tetanus.

Die Versuche mit den Schafen waren erfolgreich, doch reichte das so gewonnene Serum bald nicht aus. Behring kam auf die Idee, Pferde als Blutspender zu verwenden, um auf diese Weise mehr Serum zu erhalten. 1892 schloß er einen Vertrag mit den Farbwerken Hoechst zur Herstellung von Diphtherieserum. Die anfangs harmonische Zusammenarbeit wurde jedoch getrübt, nicht zuletzt durch die starke Persönlichkeit des Westpreußen und sein Streben, auch gegen die Tuberkulose ein Mittel zu finden, allerdings ohne Erfolg. 1903 kam es zum Bruch mit Hoechst. Inzwischen hatte Emil von Behring als erster Mediziner 1901 den Nobelpreis erhalten, und mit dem Preisgeld (150.800 Schwedenkronen) gründete er 1904 das Behringwerk, Marburg/Lahn. Eine Pferdeplastik steht heute vor dem Eingang des Werkes - zeitweise hielt man dort bis zu 2.000 Pferde zur Gewinnung des segensreichen Serums.

1895 schon hatte Behring gemeinsam mit Emile Roux vom Pariser Institut Pasteur für seine Forschungen um das Diphtherieserum aus der Stiftung "Prix Alberto Levi" 25.000 Goldfranken erhalten. Das Geld verwandte er 1898 für den Bau seines Instituts für Experimentelle Therapie in Marburg/Lahn. In dieser Stadt wirkte Behring seit 1895 als Ordinarius für Hygiene an der Universität und als Direktor des Hygienischen Instituts.

Der vielfach Geehrte, dessen Forschungen es möglich machten, unzählige Menschenleben zu retten, starb am 31. März 1917 (Ironie des Schicksals) an den Folgen einer Lungenentzündung. Der "Retter der Kinder und der Soldaten" wurde allseits geschätzt. Max von Gruber würdigte Behring schon 1916 als einen "Mann von außerordentlicher Klarheit des Denkens, seltener Strenge der Selbstkritik und Gewissenhaftigkeit des Arbeitens". Ein halbes Jahrhundert nach Behrings entscheidender Veröffentlichung über die Entdeckung der Serumtherapie würdigte Professor Dr. Julius von Daranyi aus Budapest das Schaffen des Westpreußen: "Behring war nicht nur ein Wohltäter der Menschheit auf dem Gebiet der praktischen therapeutischen Medizin, sondern ein großer Wegweiser in die Richtung der wissenschaftlichen Forschung. Therapie und Diagnose, Praxis und Wissenschaft, welche soviel dem Genius Behrings zu verdanken haben, waren im Fortschritt der Zivilisation eigentlich gleichwertig ... In diesem Aufschwung der Medizin, der Hygiene und damit auch der ganzen modernen Zivilisation ist die Arbeit Behrings ein unersetzbares Kettenglied. Wenn wir auch bedenken, wie viele Leben er mit der Entdeckung des Immunserums gerettet, wieviel Tränen er getrocknet hat ... wie vielen Todesfällen durch Infektionskrankheiten und Seuchen vorgebeugt wurde, so können wir Behring mit den größten Wohltätern der Menschheit in eine Reihe stellen, in welcher die überragenden Gestalten von Jenner, Semmelweis, Pasteur, Koch ewig leuchtend vor uns stehen."

Zum 100. Jahrestag der Verleihung des Nobelpreises an Emil von Behring würdigte der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Prof. Dr. Ernst-Ludwig Winnacker, den Westpreußen als genialen Forscher, pragmatisch denkenden Arzt und Unternehmer mit gesellschaftlichem Verantwortungsbewußtsein. "Bereits vor 100 Jahren begründete er gemeinsam mit anderen Top-Wissenschaftlern die neue biologische Disziplin der Immunologie und legte mit seinen Visionen den Grundstein für die heutige Biotechnologie."

Den Namen Emil von Behring - den erblichen Adelstitel erhielt er übrigens 1901 bei der Zweihundert-Jahr-Feier des preußischen Königshauses als Auszeichnung für sein segensreiches Wirken - kennt man heute in aller Welt. So wird sein Andenken auch in seinem Geburtsort, wenngleich mit bescheidenen Mitteln, gepflegt. Die alte Dorfschule in Hansdorf, die der Familie Behring auch als Wohnhaus diente, steht heute noch und wird als Schule genutzt. In einem Klassenraum hat man mit viel Liebe und Sorgfalt ein kleines Museum eingerichtet, das an den großen Sohn des Dorfes erinnern soll. Vor dem Haus steht auf einem Sockel eine Büste Behrings aus Bronze, gestiftet von dem sicher geringen Einkommen eines polnischen Schulleiters. Daß die Front des Hauses heute ansehnlich aussieht, liegt vor allem an der In-itiative einer Frau. Rosemarie Franke, geborene Wormeck, hat gemeinsam mit anderen Interessenten in Paderborn den Förderverein Emil von Behring e. V. (Richterstraße 1) gegründet, der sich für den Erhalt des Geburtshauses einsetzt.

Die ebenfalls im Kreis Rosenberg Geborene war auf den Zustand des Hauses bei einem Besuch in der Heimat aufmerksam geworden. Nach Paderborn zurückgekehrt, fand die Tochter des Zeichners Friedrich-Wilhelm Wormeck eine Bleistiftzeichnung, die das Haus vor dem Verfall zeigt. Diese Zeichnung bot sie den Behringwerken zum Verkauf an, um mit dem Erlös das Haus in Hansdorf wieder in einen menschenwürdigen Zustand zu bringen. Erste Erfolge zeigten sich bald, doch der Schein trügt. Dach, Dachrinnen, Fenster, Heizung und Fußböden müssen ebenfalls saniert werden. Bemühungen, die gerade in diesem Gedenkjahr Unterstützung finden dürften.

Vor dem Verfall retten: Das Geburtshaus des Nobelpreisträgers Emil von Behring in Hansdorf, Kreis Rosenberg, im vergangenen Jahr Foto: Franke

Emil von Behring: Durch seine Forschungen fand der Mediziner wirksame Mittel gegen die Diphtherie und den Wundstarrkrampf. Foto: Archiv


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