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Preußische Allgemeine Zeitung / 20. März 2004
Wer tötete Lars Petroll? Am 11. September 2001 ging auch in Deutschland die Angst um. Am Flughafen
Berlin-Tegel leerten Sicherheitskräfte alle Schließfächer. Die Gegenstände
wurden den vermutlichen Besitzern zugeführt, nachdem der Bombenverdacht
ausgeräumt war. Unter anderem fanden die Ermittler eine Sporttasche mit Firmenunterlagen.
Diese ließen sie einem Unternehmen namens Aubis zukommen - und lösten damit
womöglich eine Katastrophe aus. Auf diese Weise verlor Lars Oliver Petroll
vermutlich seine "Lebensversicherung". Keine drei Wochen später wurde er im
September 2001 im Grunewald tot aufgefunden. Lars Oliver Petroll war Computerspezialist und EDV-Chef bei Aubis. Aubis -
das war die Immobilientochter der Bank Berlin-Hyp. Die wiederum gehört zur
Bankgesellschaft Berlin. Die Bankgesellschaft steht bekanntlich für den
größten Bankenskandal in der Geschichte der Bundesrepublik. Chef von Berlin-Hyp war Klaus Rüdiger Landowsky, der damalige
CDU-Fraktionsvorsitzende. Er erhielt in den 90ern eine Bargeldspende in Höhe
von 40.000 Mark von den Aubis-Managern Klaus Wienhold und Christian Neuling für
die CDU. Genehmigte die Berlin-Hyp als Gegenleistung für die Barspende kurz darauf
ihrer Tochter einen 300-Millionen-Euro-Kredit? Spekulationen darüber sollten
jedenfalls später zum Rücktritt Landowskys führen. Aubis konnte sich
jedenfalls, mit so viel Liquidität ausgestattet, der lukrativ scheinenden
Sanierung von Plattenbauten widmen. Doch die Geschäfte gingen schlecht.
Inzwischen ist die Firma pleite, und die Millionen sind weg. Wußte Lars Oliver Petroll etwas, was ihn gefährlich machte? Ob zu seinem
eigenen Schutz oder zur persönlichen Bereicherung hat er jedenfalls Beweise
über den verdächtigen Finanztransfer gesichert. Durch den eingangs
geschilderten Zufall kamen ihm diese jedoch abhanden. Außerdem gab es einen
Aktenvermerk, der Petroll in Schwierigkeiten bringen sollte. Und der entstand
so: Petroll dachte vermutlich untertauchen zu müssen. Um das notwendige
Kleingeld dafür zusammenzubekommen, wandte er sich an die Berlin-Hyp, die
inzwischen einen neuen Vorstand hatte. Er bot ihnen Beweise für undurchsichtige
Machenschaften der Tochterfirma an. Die Bank verständigte die
Staatsanwaltschaft. Dort wurde der besagte Aktenvermerk erstellt. Dann
beantragte die Aubis Einsicht in die Unterlagen. So hätten seine mutmaßlichen
Mörder Wind davon bekommen haben können, daß sich Petroll aus dem Staub
machen wollte. Der Mann war aber bereits untergetaucht. Er habe sich in Hamburg in einer
Pension versteckt gehalten, heißt es von informierter Seite. Hamburg also.
Erhängt aufgefunden wurde der Unglückliche jedoch in Berlin. Warum jemand 300
Kilometer nach Berlin fährt, von wo er angeblich geflohen ist, um sich dort
einen Strick um den Hals zu legen, blieb unergründlich. Aufmerksam gewordene Beobachter werfen Polizei und Staatsanwaltschaft
inzwischen schlampige Ermittlungen vor. Bei der Durchsuchung der Wohnung des
Toten vergaßen die Ermittler Disketten und das Handy des Toten. Letzteres fiel
in die Hände eines Journalisten. Der entdeckte eine mysteriöse letzte
Kurznachricht, die Petroll offenbar kurz vor seinem ungeklärten Tod erhalten
hat: "Warum sollte dich einer killen?" Die staatsanwaltlichen Ermittlungen wurden trotz des Verdachts auf
Fremdeinwirkung eingestellt. Selbstmord sei es gewesen, basta. Dem Berliner
Abgeordnetenhaus kam dieses Verdikt vielleicht spanisch vor. Dort ermittelt nach
wie vor ein Untersuchungsausschuß in Sachen Bankenskandal. Vorvergangenen Freitag waren sechs Personen ins Abgeordnetenhaus der
Hauptstadt geladen. Es wurde nichtöffentlich verhandelt. Eine Berliner Zeitung
will jedoch erfahren haben, daß fünf Zeugen erschienen sind - aus Petrolls
persönlichem Umfeld. Angeblich lebt einer der ominösen Befragten selbst im
Untergrund, weil er Angst vor einem Anschlag habe. Nur vier hätten ausgesagt,
einer von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, heißt es. Womit
wohl hätte sich der unbekannte Zeuge selbst belasten können? Der Ausschußvorsitzende Frank Zimmermann erklärte nach der brisanten
Sitzung vieldeutig: "Wir haben unsere Skepsis hinsichtlich des angeblichen
Freitodes des Lars Oliver Petroll bestätigt bekommen." Ob die Justiz zu
neuerlichen Ermittlungen gezwungen werden kann, ist fraglich. Berlins
Justizsenatorin hat nach abermaligem Überprüfen der Akten ein neues
Ermittlungsverfahren abgelehnt. Wenige private Anleger wurden reich, das Risiko trägt der Steuerzahler - ein
umstrittenes Finanzierungsmodell der Berliner Bankgesellschaft machte es
möglich. Um deren Geschäftspraktiken im Immobiliensektor ranken sich Prozesse,
Gerüchte und dunkle Ahnungen: Sanierung von Plattenbauten in Berlin- Hellersdorf Foto: Ullstein
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