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Preußische Allgemeine Zeitung / 20. März 2004
Wahlkampf hat alte Wunden aufgerissen Die von blankem Haß erfüllten Tiraden der einigen tausend Demonstranten,
die sich am Vorabend der spanischen Wahlen vor dem Hauptquartier der (noch)
regierenden konservativen Volkspartei (Partido Popular, PP) versammelt hatten,
ließen ausländischen Beobachtern das Blut in den Adern gefrieren. "Mörder!"
brüllten sie zu den erleuchteten Fenstern hinauf und: "Aznar: Für deine
Schuld zahlen wir alle!" Am Abend des Geschehens mochte man den Tumult noch
als hysterischen Ausfall "üblicher Verdächtiger" der linken Szene abtun,
wozu das äußere Erscheinungsbild zahlreicher Teilnehmer beitrug. Der Absturz
der Volkspartei beim folgenden Urnengang belehrte jedoch eines Ernsteren. Warum haben die Spanier die zuvor favorisierten Konservativen derart
abgestraft? Weil sie deren Irak-Politik die Schuld gaben für die Massaker?
Genau das fürchtete offenbar die scheidende Regierung selbst in den wenigen
Tagen zwischen dem Attentat und der Wahl und machte so alles noch viel schlimmer
- für sich, aber womöglich auch für ganz Europa. Zu früh legten sich die
Verantwortlichen auf eine Schuld der baskischen ETA fest, was ihnen die Gegner
von der Linken als wahltaktisches Manöver unter die Nase hielten. Als sich die
Ermittlungen zunehmend auf islamische Gruppen ausweiteten, soll Innenminister
Angel Acebes sogar ein wichtiges Bekennertonband stundenlang zurück-gehalten
haben, das von Islamisten stammte, behauptete der Sender Cadena SER. Der Skandal
war komplett. Selbst wenn sich im Laufe der weiteren Ermittlungen nun doch noch erweisen
sollte, daß Islamisten mit den Anschlägen nichts zu tun haben, so werden diese
Kreise die Ereignisse von Madrid als die fatale Botschaft auffassen, daß es
möglich sei, eine europäische Regierung gleichsam wegzubomben. Denn der
Verdacht, es handele sich um die Tat muslimischer Gotteskrieger, könnte diese
Wahl entschieden haben. Das lädt zu weiteren Taten geradezu ein. Da in den
(echten oder falschen) Bekennerschreiben ausdrücklich auch die Anwesenheit
ausländischer Truppen in Afghanistan als Rachegrund genannt worden ist, rückt
selbst Deutschland ins Ziel. Die grausamen Anschläge hätten Spanien gegolten, so vermuten Experten, weil
Islamisten das Land als vermeintlich schwächstes Glied in der US-geführten
Allianz an Hindukusch und Tigris ausgemacht hätten. Dabei darf nicht übersehen
werden, daß die junge Demokratie am Rande Europas einen Wahlkampf von
beispielloser Härte hinter sich hat, der bereits tiefe Risse in sein
politisches Gefüge getragen hat. Daran geben viele dem scheidenden
Ministerpräsidenten José María Aznar durchaus eine Mitschuld. An die 90 Prozent seiner Landsleute hatten sich laut Umfragen gegen eine
Beteiligung am Irak-Krieg ausgesprochen - mehr als in jedem anderen
europäischen Land, Deutschland eingeschlossen. Im Unterschied zu Briten oder
US-Amerikanern begegneten die Spanier überdies den haltlosen Unterstellungen
von Massenvernichtungswaffen und Al-Kaida-Nestern in Saddams Diktatur von Beginn
an mit großem Mißtrauen. Ministerpräsident Aznar fütterte sie jedoch
unverdrossen mit denselben Lügen, die Blair und Bush der Welt vorsetzten, und
führte sein Land in den Krieg. In der Europa-Politik führte Aznars Kompromißlosigkeit in die Isolation und
an die Seite falscher Freunde wie Polen, mit dem er gegen Frankreich und
Deutschland gemeinsame Sache machte, so in der Irak-Frage und beim Problem der
EU-Verfassung. Indes sehen viele Spanier genau, daß dieser "neue Freund"
schnell zum ärgsten Gegner werden kann: Dann nämlich, wenn sich Madrid und
Warschau - der größte Netto-Empfänger der alten und der größte
Netto-Empfänger der neuen EU - über die Verteilung der EU-Zuschüsse in die
Haare kommen werden, was kaum zu verhindern sein wird. Dann, so fürchtet man
auf der Iberischen Halbinsel, werden sich Paris und Berlin rächen. Anzeichen
dafür gibt es bereits. Doch auch innenpolitisch gebar sich Aznar in sturer
Unnachgiebigkeit: Als der baskische Ministerpräsident Ibarretxe einen Plan zu mehr Eigenständigkeit
seines Zwei-Millionen-Landes vorstellte und ein Referendum dar-über
durchführen wollte, drohte ihm Aznar mit Gefängnis. Dabei wäre so ein
Referendum kaum mehr gewesen als ein Meinungsbild ohne jede
verfassungsrechtliche Verbindlichkeit. Nachdem schließlich ein Treffen des Linksnationalisten und kurzzeitigen
stellvertretenden Ministerpräsidenten von Katalonien, Carod-Rovira, mit
ETA-Vertretern Anfang Januar bekannt wurde, holte Aznar zum großen Schlag gegen
die oppositionellen Sozialisten aus. Zwar sitzt Carods Partei ERC seit November
mit den katalanischen Sozialisten in der Regierung von Barcelona, doch sind die
dortigen Sozialisten sehr auf Eigenständigkeit bedacht, weshalb der Einfluß
des nationalen Sozialistenchefs und nunmehr designierten Premiers José Luis
Rodriguez Zapatero auf die Entscheidungen in Katalonien begrenzt ist. Das sehr
wohl wissend, ließ es sich Aznar dennoch nicht nehmen, lustvoll auf einen
Zapatero einzuschlagen, der (entnervt und beinahe hilflos um Schadensbegrenzung
bemüht) auf seine katalanischen Genossen einredete, Carod aus der Regierung zu
werfen, was nur halbherzig geschah. Die Linke nahm Aznars Fehdehandschuh indes auch nicht allzu unwillig auf.
Ebenso wie Aznar die Linken als unsichere Kantonisten im Kampf gegen den Terror
schalt und ihnen vorhielt, die Errungenschaften eines endlich blühenden
Spaniens durch rote Experimente zu gefährden, so ging das linke Lager
seinerseits zu einer Kampf-Rhetorik über, die nach den Erfahrungen von
Bürgerkrieg und Franco-Diktatur bislang peinlich vermieden worden war, um alte
Wunden nicht aufzureißen. Die spanische Demokratie ging historisch gesehen aus der Franco-Zeit
unmittelbar hervor - der "Gaudillo" starb 1975 und setzte den demokratisch
gesinnten König als Nachfolger ein. Seitdem galt der stillschweigende Konsens,
das Alte ruhen zu lassen, um einen Neuanfang zu ermöglichen. Nun jedoch
entdeckte die Linke, daß Aznars Volkspartei, einst Volksallianz genannt, von
dem Franco-Minister Fraga Iribarne gegründet worden war und Aznar selbst seine
ersten politischen Gehversuche in Francos Jugendbewegung gemacht hatte. Von nun an gingen beide großen Lager an den unappetitlichen Versuch, sich
gegenseitig den Anspruch auf demokratische Reife unter den Füßen wegzuziehen.
Das Bild tiefer Zerrissenheit war das Ergebnis. Der Irak-Krieg, die sinistren
ETA-Kontakte Carods und schließlich die fürchterlichen Anschläge gaben dem
Bürgerkrieg der Worte den letzten Pulverdampf hinzu. Wie sehr der Konsens
geschwunden ist, zeigt das Abschneiden der katalanischen Linksnationalisten
Carods, der ERC, am vergangenen Sonntag. Nach dem Bekanntwerden von Kontakten zu
einer Terrorbande wäre eine jede demokratische Partei in Deutschland wohl ins
Bodenlose gefallen. Die ERC indes konnte ihre Mandate gegenüber 2000 von nur
einem auf acht steigern. Aznar war eben der unumstrittene Hauptfeind. Mit der ERC wird Zapatero nun vermutlich regieren müssen. Und mit der "Vereinigten
Linken", einem Sammelbecken aus Kommunisten und ähnlichen Linksradikalen. Die
übrigen sechs Regionalparteien sind (bis auf die katalanischen Konservativen
und die gemäßigten baskischen Nationalisten Ibarretxes) nur Splittergruppen.
Die Mehrheit einer linken Dreierkoalition ist nur dünn, 177 zu 173 Mandaten.
Und ob Zapatero seine "gemäßigt sozialdemokratische Politik" nach dem
Muster Tony Blairs durchbekommt, mit der Vereinigten Linken an der Seite, muß
abgewartet werden. Fest steht bislang nur eines: Aus dem Irak will Spanien so
bald wie möglich abziehen. Das werden nicht bloß Kriegsgegner gern hören,
sondern auch Leute im islamischen Raum, denen eigentlich weder Zapa-tero noch
irgendein anderer Demokrat einen Gefallen tun möchte.
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