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20.03.04 / Faszination des Fremdartigen / "Der Golem": Die sagenhafte Figur aus dem Prager Ghetto fesselte im Film und im Roman

© Preußische Allgemeine Zeitung / 20. März 2004

Faszination des Fremdartigen
"Der Golem": Die sagenhafte Figur aus dem Prager Ghetto fesselte im Film und im Roman

Vor neun Jahrzehnten wurde in Berlin ein Film uraufgeführt, der Geschichte machen sollte: "Der Golem". Das Buch schrieb der Schauspieler Paul Wegener (zusammen mit Heinrich Galeen), der bereits ein Jahr zuvor mit dem Streifen "Der Student von Prag" große Erfolge in dem neuen Medium feiern konnte. Wegener selbst spielte in dem Film die Rolle des Golem, einer Figur aus der jüdischen Legendenwelt. Rabbi Löw soll im Prager Ghetto aus einem Klumpen Ton ein mit übernatürlichen Kräften ausgestattetes Wesen geschaffen haben, um sein Volk vor drohendem Unheil zu bewahren. Diese Figur wird nach Jahrhunderten wiedergefunden und zu neuem Leben erweckt. Eine Geschichte, die, so weiß man jetzt, nicht gut ausgehen kann ...

Wegeners Film erregte damals ungeheures Aufsehen, galt als unheimlicher, grausiger Spuk. Dazu haben nicht zuletzt auch die großartigen Leistungen der Maskenbildner beigetragen. Von diesem Film existiert heute nur noch ein Fragment im Bundesarchiv in Berlin, das leider nicht mehr vorführbar ist. Wegener schuf zu diesem Thema noch zwei weitere Filme: 1917 den heute verschollenen Streifen "Der Golem und die Tänzerin", eine Komödie mit verdoppelten Identitäten, und 1920 "Der Golem, wie er in die Welt kam", der ein Riesen-Erfolg wurde. Elf Monate lang wurde dieser Film sogar in New York gespielt. Die Rolle des Golem spielte wieder Wegener, für andere Rollen konnten unter anderen Ernst Deutsch, Lothar Müthel und Otto Gebühr gewonnen werden. Für diesen Film schuf der mit Wegener befreundete Architekt Hans Poelzig großartige Kulissen, "eine Stadt-Dichtung, ein Traum, eine architektonische Paraphrase zum Thema Golem", so Wegener in seinen Erinnerungen. "Diese Gassen und Plätze sollen an nichts Wirkliches erinnern; sie sollen die Atmosphäre schaffen, in der der Golem atmet."

"Im ersten Golem von 1914 war er noch ,der Hüter des Hauses'. Er war nicht geschaffen, sondern gefunden, gekauft und wieder belebt worden und sollte vor allem die kokette Tochter seines Besitzers bewachen", erläutert die Filmwissenschaftlerin Heide Schönemann in ihrem Buch Paul Wegener - Frühe Moderne im Film (Edition Axel Menges GmbH, Stuttgart-Fellbach, 144 Seiten mit 265 Abb., gebunden mit Schutzumschlag, 59 Euro) die Unterschiede der beiden Streifen. "Arnold Zweig hatte denn auch in seiner Kritik des Golem von 1914 bei allem Lob für die ergreifende Gestaltung des Golem durch Wegener die Entwürdigung des biblischen Mythos in den Banalitäten eines zeitgenössischen jüdischen Trödlerladens beklagt. In Der Golem, wie er in die Welt kam erreicht er die ihm zukommende Größe und Würde; er wird durch Zuordnung zu den historischen Gestalten des Rabbi Löw und des Kaisers Rudolf II. in den Zusammenhang des jüdischen Emanzipationskampfes gestellt ... Wegener steht nicht in der jüdischen Tradition, umgibt sie aber voller Faszination für das Fremdartige mit märchenhaftem Glanz."

Märchenhaft wird dem Leser zumute, der sich in den Roman Der Golem von Gustav Meyrink vertieft (jetzt bei dtv als Taschenbuch erhältlich; 272 Seiten, 8,50 Euro). Der Klassiker der phantastischen Literatur in deutscher Sprache, erschienen 1915, machte den Schriftsteller für einige Zeit zu einem Kultautor. Man fühlt sich durchaus an schaurige Geschichten von E.T.A. Hoffmann erinnert, oder auch an Texte von Franz Kafka. "Der Golem" wurde zum erfolgreichsten Roman aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Gegen Ende der 20er Jahre waren rund 200.000 Exemplare verkauft. Mit zu diesem Erfolg beigetragen haben dürfte auch der Golem-Film Wegeners. Wenn auch beide Geschichten unterschiedliche Inhalte haben, sieht man den Golem stets so, wie Paul Wegener ihn dargestellt hat. Silke Osman

Paul Wegener: In seiner Rolle als "Golem" hat der Schauspieler das Bild dieser sagenhaften Figur entscheidend geprägt und Filmgeschichte geschrieben. Foto: Archiv


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