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20.03.04 / Den Dialog fördern / Spielzeuggalerie im Altonaer Museum entführt in vergangene Zeiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / 20. März 2004

Den Dialog fördern
Spielzeuggalerie im Altonaer Museum entführt in vergangene Zeiten

Lagerfeuer statt Playstation, Figuren formen aus Lehm statt "simsen" (sprich Nachrichten verschicken per Handy), Tiere betreuen statt lustlos abhängen. Dieses Angebot gibt es in Norddeutschland bald gleich zweimal: im Jugend-Freizeitzentrum Vethem bei Walsrode für die Größeren und in Lübeck für die Kleinen.

In Vethem, einem 40.000 Quadratmeter großen Areal, wurde unter der Schirmherrschaft des niedersächsischen Landwirtschaftsministers Hans-Heinrich Ehlen von Jugendlichen ein Steinzeitdorf mit Burgcharakter errichtet. Dort können die Heranwachsenden in den Ferien Gemeinschaft auf ganz besondere Weise erleben. Auf einer Zeitreise in die Welt der Urahnen tauchen sie ein in eine Welt ohne elektrischen Strom, ohne Handys und Fernseher, ohne Termine. Wichtig ist das gemeinsame Tun, bei dem jeder Verantwortung übernehmen muß. Sie lernen mit Werkstoffen wie Wasser, Holz, Lehm und Sand umzugehen und daraus Nützliches zu formen. Unterstützt von erfahrenen und geschulten Betreuern erfahren sie so, welche Fähigkeiten in ihnen schlummern.

In die Zeit der Wikinger versetzt werden die Kinder, die ab August an einem bisher einmaligen Kindergarten-Projekt in Lübeck teilnehmen. Wie Wicki, der kleine Wikinger aus der beliebten Zeichentrick-Serie, dürfen sie Abenteuer der besonderen Art erleben. Schließlich ist es für Stadtkinder gewiß nicht alltäglich, aus Matsch Figuren zu formen, mit einem Stöckchen im Sand zu "malen" oder mit Holzscheiten Türmchen zu bauen. Auf dem Bau- und Geschichtsspielplatz "Roter Hahn" soll dieses Angebot die Drei- bis Sechsjährigen begeistern. Gewohnt wird in einem wikingerzeitlichen Langhaus, das wie alle Häuser auf dem Platz von Kindern und Jugendlichen nachgebaut wurde. Unendlich viele Möglichkeiten werden auch hier den Kindern geboten. Spielerisch lernen sie, ihre handwerklichen Fähigkeiten zu erkennen und sinnvolle Hierarchien zu akzeptieren.

Seit jeher war Spielen nicht nur Selbstzweck. Gewiß, auch die Kinder sollten sich zerstreuen und erfreuen an schönen Dingen. Wichtig aber war der Lernprozeß, der mit dem Spielen einherging. So waren Spielzeuge Verkleinerungen von Dingen aus der Welt der Erwachsenen, für Kinder leicht zu handhaben. "Beim Spielen mit den verkleinerten Abbildern der realen Welt fühlt sich das Kind als ,Riese'. Es beherrscht die Dinge spielerisch, die es sonst nicht zu bewältigen vermag", so Thorwald Hinrichsen vom Altonaer Museum in Hamburg, wo jetzt eine neue Dauerausstellung eingerichtet wurde. Die "Spielzeuggalerie" im ersten Stock des Gebäudes zeigt in Vitrinen eine Auswahl der umfangreichen Sammlung des Hauses. "Wir können nur 15 Prozent zeigen", bedauert Hinrichsen, "es fehlen Vitrinen, und für Vitrinen fehlt leider das Geld." Dennoch sind diese 15 Prozent ein wahrer Augenschmaus für Liebhaber von historischem Spielzeug!

Besonders beliebt und geradezu ein Welterfolg war einst das sogenannte Schachtelspielzeug. Ganze Dörfer oder Bauernhöfe verschwanden in Spanschachteln. Nach dem Aufstellen mußten sie wieder äußerst sorgsam verpackt werden, denn eine kleine Lässigkeit - und schon paßte die Pracht nicht mehr in die Schachtel. Zornesausbrüche soll es auch damals schon gegeben haben ... Eine besondere Schachtel beherbergt die ganze Arche Noah, samt Vieh und Menschen. Sie wurde zu einem Exportschlager nach Amerika. Dort war den Kindern in strenggläubigen protestantischen Familien am Sonntag nur das Nachstellen der biblischen Geschichte von der Sintflut als Spiel erlaubt.

Ein wenig makaber mutet dann die Aufstellung der unzähligen Puppenköpfe und -bälger in einer Vitrine an, doch sollen sie darauf hinweisen, daß Deutschland ein wichtiger Produzent von Puppen war. "Zwischen 1830 und 1930 stammten die meisten Puppen aus Deutschland, genauer aus dem Thüringer Wald", so Hinrichsen. Hergestellt wurden sie in Heimarbeit und vor allem in großen Fabriken, jährlich bis zu 400.000 Porzellanpuppen, von denen 75 Prozent exportiert wurden, meist über den Hamburger Hafen nach Übersee. Hier wie dort dienten die Puppen mit Zubehör wie Nähmaschine, Waschmaschine und Wäschemangel und vor allem die Puppenhäuser zur Erziehung der Mädchen. Die angehenden Hausfrauen und Mütter mußten rechtzeitig lernen, wo ihre Aufgaben lagen. Selbst hinter der Puppennähmaschine, so niedlich sie heute auch anmutet, verbirgt sich ein ernster Hintergrund, mußten die Mädels doch die Garderobe ihrer Lieblinge selbst nähen - wie die Mutter im wirklichen Leben.

Besonderes Interesse verdienen die zauberhaften Puppenstuben und -läden im Altonaer Museum. Wohn- und Schlafräume sind da geradezu "langweilig", betrachtet man dann etwa das Klassenzimmer aus dem Jahr 1880. In einer VI. Klasse (3. Schuljahr) drängeln sich die Mädels, jede individuell gekleidet, in den Bänken. Vor ihnen Atlanten und Karten, offensichtlich gibt's gerade Unterricht in Geographie. Ob sie ihre schicken Hüte in dem Laden für Putz- und Modewaren nebenan gekauft haben? Im Kolonialwarenladen sind Dosen und Schubladen voller geheimnisvoller Essenzen und Gewürze zu entdecken, und das Café lockt die Damenwelt mit Eiscreme und leckeren Torten. - Die meisten Puppenhäuser wurden nur zu Weihnachten aufgestellt; das Jahr über wurden sie ausgebessert und ergänzt, so daß sie jedesmal aufs neue eine Überraschung boten. Auch zeigten sie meist nicht die Realität der aktuellen Wohnumgebung, sondern mehr die Wunschvorstellung der schenkenden Eltern und Großeltern. - Fühlt man sich da nicht an die Glitzerwelt von Barbie und Ken erinnert?

Während die Mädchen zur Hausfrau erzogen wurden, mußten die Jungens rechzeitig lernen, echte Männer zu werden. Ein Schaukelpferd gehörte in jedes Knabenzimmer, oder zumindest ein Steckenpferd, ein einfacher Holzstock mit einem Pferdekopf also. Kaufmannsladen und - wie könnte es in Hamburg und vermutlich auch in Königsberg oder Danzig anders sein? - ein Lagerhaus, die durften in einer Hansestadt nicht fehlen. Früh schon sollte der Knabe lernen, womit der Vater sein täglich Brot verdiente.

Spielzeugsoldaten haben Hans und Franz schon immer Vergnügen bereitet. Seit der Gründung des Deutschen Reichs 1871 aber wurde vermehrt auf die militärische Erziehung Wert gelegt. Soldaten aller Waffengattungen und Größe beherrschten die Kinderzimmer. Sie mußten sich behaupten gegen Dampfmaschinen und Feuerwehrautos, gegen Eisenbahnen und Baukästen. Vieles wird den Kindern von heute nicht gleich verständlich sein, und so ist gerade diese Präsentation historischen Spielzeugs dazu geeignet, den Dialog zwischen den Generationen zu fördern. "Erzählt doch mal, Oma, Opa, wie's damals war bei euch!" Silke Osman

Abenteuer Spielplatz: "Was hast'n da im Eimer?" Foto: planact

Bunte Vielfalt: Jahrmarktsbude im Miniformat mit Spielzeug für Mädchen und Knaben Foto: Altonaer Museum


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