18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.03.04 / Offene Rechnungen unter den EU-Bewerbern / Wie die Sudendeutschen sind auch viele Ungarn Opfer der Benesch-Dekrete geworden

© Preußische Allgemeine Zeitung / 20. März 2004

Offene Rechnungen unter den EU-Bewerbern
Wie die Sudendeutschen sind auch viele Ungarn Opfer der Benesch-Dekrete geworden
von Rüdiger Goldmann

Wenn am 1. Mai 2004 die Tschechische Republik, die Slowakei und Ungarn der Europäischen Union beitreten, werden die zwischen diesen Völkern und Staaten (früher) bestehenden Probleme verstärkt in die Öffentlichkeit rücken. Eines ist die ungarische Minderheit im Süden der Slowakei beziehungsweise das an ihr begangene Verbrechen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte die wiedererrichtete Tschechoslowakei hartnäckig, die rund 600.000 Ungarn wie die 3,5 Millionen Sudetendeutschen zu vertreiben und zu enteignen. Die berüchtigten Benesch-Dekrete, an denen Prag und Bratislava krampfhaft festhalten, erklärten neben den Deutschen auch die Bürger madjarischer Nationalität im Dekret Nr. 5 pauschal zu "staatlich unzuverlässigen" Personen. Ihnen wurde die Staatsbürgerschaft aberkannt, sie wurden einer unbeschränkten Arbeitspflicht unterworfen und ihr Vermögen wurde entschädigungslos beschlagnahmt. Obwohl es der CSR nicht gelang, durch die Potsdamer Beschlüsse einen "Freibrief" zur Vertreibung der Ungarn zu erhalten, vertrieben die tschechoslowakischen Staatsorgane einen Teil der ungarischen Bevölkerung aus ihren Wohnungen und Häusern und deportierten nach unterschiedlichen Berechnungen zwischen 44.000 und 100.000 Ungarn zwecks "Arbeitsmobilisation" ins westliche Böhmen, wo sie die schon vorher vertriebenen Deutsche ersetzen soll-ten. Erst 1947 wurde diese "Umsiedelung" eingestellt und ab 1948 war eine Rückkehr in die ursprünglichen Heimatgebiete in der südlichen Slowakei möglich. Etwa 25 Prozent der Deportierten blieben im Westen Böhmens.

Durch eine "Reslowakisierungsaktion", um die sich 400.000 aus blanker Not bewarben, wurde die Zahl der Ungarn statistisch halbiert. Seit 1945 verhandelte die Benesch-Regierung mit Ungarn über einen "Bevölkerungsaustausch", der Magyaren aus der CSR nach Ungarn und Slowaken aus Ungarn in die CSR verpflanzen sollte. Dieser Zwangsaustausch wurde schließlich am 27. Februar 1946 in einem Abkommen besiegelt. Der ungarische Außenminister Gyongyösi erklärte jedoch zum großen Ärger des tschechischen Verhandlungsführers, des Kommunisten Vlado Clementis, er habe dem Vertrag nur unter dem Druck der drei Großmächte zugestimmt, ja er verlas bei der Unterzeichnung in aller Öffentlichkeit eine Erklärung, in der die Budapester Regierung "das Prinzip des Bevölkerungsaustausches als inhuman und undemokratisch" verurteilte. Ungarn sah sich angesichts des brutalen Chauvinismus der Tschecho-slowakei und der Passivität der Alliierten um des "physischen Überlebens der Ungarn in der CSR" bis zum Abschluß der in Paris stattfindenden Friedenskonferenz willen zu diesem Übereinkommen gezwungen.

Bis Ende 1948 kam es daher zur Aussiedelung von ungefähr 90.000 Menschen slowakischer Abstammung aus Ungarn und einer etwas geringeren Zahl von Ungarn aus der CSR nach Ungarn. Obwohl die Übersiedler das Recht auf die Mitnahme ihres mobilen Eigentums bekamen und Landbesitz bis zu 50 Hektar entschädigt wurde, war es eine menschenrechtswidrige, brutale Gewaltaktion.

Die CSR war mit diesen beiden Aktionen aber noch lange nicht zufrieden. Sie wünschte die Abschiebung von weiteren 200.000 Menschen und die Aufnahme dieses Punktes in den Friedensvertrag. Die tschechoslowakische Führung scheute sich nicht, gegenüber Ungarn mit dem Bevölkerungsverlust durch die Judenverfolgung, die teilweise erfolgte Vertreibung von Ungarndeutschen und den zahlreichen kinderlosen Ehen in Ungarn zu argumentieren. Man lockte zugleich mit vollständigem Ersatz des zurückgelassenen Eigentums, humanster Durchführung der Übersiedelung und Krediten. Es wurde von Prag als selbstverständlich erachtet, die Ungültigkeitserklärung des Ersten Wiener Schiedsspruchs, in dem 1938 die ungarisch besiedelten Landesteile der Südslowakei Ungarn zugesprochen worden waren, mit allen Folgen und von Anfang an zu fordern. Man wollte unter allen Umständen das Land behalten, die dort rechtmäßig siedelnden Ungarn aber vertreiben.

Man stieß jedoch bei den USA auf deutliche Ablehnung, und die Sowjets bezeichneten den Zwangstransfer zwar als "notwendig und gerecht", verwiesen Prag aber auf Verhandlungen mit Ungarn. Deshalb konnte die CSR den Vertreibungsplan im Friedensvertrag nicht durchsetzen, sie erreichte jedoch die Ungültigkeitserklärung des Wiener Schiedsspruchs von Anfang an, setzte einen Teil ihrer Gebietsforderungen südlich von Preßburg an der Donau durch, erhielt eine "Reparationszahlung" von 30 Millionen Dollar und setzte ein Verbot "revisionistischer" Propaganda und "revisionistischer" Organisationen in dem am 10. Februar 1947 unterzeichneten Friedensvertrag mit Ungarn durch.

Die kommunistische Machtübernahme in beiden Staaten führte schließlich zu einem ungarisch-sowjetischen Beistandsabkommen und in der Tschechoslowakei zur Gewährung eines Minderheitenstatus für die Ungarn, die in ihrer Heimat verblieben oder aus der Zwangsarbeit zurückgekehrt waren. Die ungarischen Kleinlandwirte wurden sogar von der Enteignung ausgenommen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren