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Preußische Allgemeine Zeitung / 20. März 2004
Offene Rechnungen unter den EU-Bewerbern Wenn am 1. Mai 2004 die Tschechische Republik, die Slowakei und Ungarn der
Europäischen Union beitreten, werden die zwischen diesen Völkern und Staaten
(früher) bestehenden Probleme verstärkt in die Öffentlichkeit rücken. Eines
ist die ungarische Minderheit im Süden der Slowakei beziehungsweise das an ihr
begangene Verbrechen. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte die wiedererrichtete Tschechoslowakei
hartnäckig, die rund 600.000 Ungarn wie die 3,5 Millionen Sudetendeutschen zu
vertreiben und zu enteignen. Die berüchtigten Benesch-Dekrete, an denen Prag
und Bratislava krampfhaft festhalten, erklärten neben den Deutschen auch die
Bürger madjarischer Nationalität im Dekret Nr. 5 pauschal zu "staatlich
unzuverlässigen" Personen. Ihnen wurde die Staatsbürgerschaft aberkannt, sie
wurden einer unbeschränkten Arbeitspflicht unterworfen und ihr Vermögen wurde
entschädigungslos beschlagnahmt. Obwohl es der CSR nicht gelang, durch die
Potsdamer Beschlüsse einen "Freibrief" zur Vertreibung der Ungarn zu
erhalten, vertrieben die tschechoslowakischen Staatsorgane einen Teil der
ungarischen Bevölkerung aus ihren Wohnungen und Häusern und deportierten nach
unterschiedlichen Berechnungen zwischen 44.000 und 100.000 Ungarn zwecks "Arbeitsmobilisation"
ins westliche Böhmen, wo sie die schon vorher vertriebenen Deutsche ersetzen
soll-ten. Erst 1947 wurde diese "Umsiedelung" eingestellt und ab 1948 war
eine Rückkehr in die ursprünglichen Heimatgebiete in der südlichen Slowakei
möglich. Etwa 25 Prozent der Deportierten blieben im Westen Böhmens. Durch eine "Reslowakisierungsaktion", um die sich 400.000 aus blanker Not
bewarben, wurde die Zahl der Ungarn statistisch halbiert. Seit 1945 verhandelte
die Benesch-Regierung mit Ungarn über einen "Bevölkerungsaustausch", der
Magyaren aus der CSR nach Ungarn und Slowaken aus Ungarn in die CSR verpflanzen
sollte. Dieser Zwangsaustausch wurde schließlich am 27. Februar 1946 in einem
Abkommen besiegelt. Der ungarische Außenminister Gyongyösi erklärte jedoch
zum großen Ärger des tschechischen Verhandlungsführers, des Kommunisten Vlado
Clementis, er habe dem Vertrag nur unter dem Druck der drei Großmächte
zugestimmt, ja er verlas bei der Unterzeichnung in aller Öffentlichkeit eine
Erklärung, in der die Budapester Regierung "das Prinzip des
Bevölkerungsaustausches als inhuman und undemokratisch" verurteilte. Ungarn
sah sich angesichts des brutalen Chauvinismus der Tschecho-slowakei und der
Passivität der Alliierten um des "physischen Überlebens der Ungarn in der CSR" bis zum Abschluß der in Paris stattfindenden
Friedenskonferenz willen zu diesem Übereinkommen gezwungen. Bis Ende 1948 kam es daher zur Aussiedelung von ungefähr 90.000 Menschen
slowakischer Abstammung aus Ungarn und einer etwas geringeren Zahl von Ungarn
aus der CSR nach Ungarn. Obwohl die Übersiedler das Recht auf die Mitnahme
ihres mobilen Eigentums bekamen und Landbesitz bis zu 50 Hektar entschädigt
wurde, war es eine menschenrechtswidrige, brutale Gewaltaktion. Die CSR war mit diesen beiden Aktionen aber noch lange nicht zufrieden. Sie
wünschte die Abschiebung von weiteren 200.000 Menschen und die Aufnahme dieses
Punktes in den Friedensvertrag. Die tschechoslowakische Führung scheute sich
nicht, gegenüber Ungarn mit dem Bevölkerungsverlust durch die Judenverfolgung,
die teilweise erfolgte Vertreibung von Ungarndeutschen und den zahlreichen
kinderlosen Ehen in Ungarn zu argumentieren. Man lockte zugleich mit
vollständigem Ersatz des zurückgelassenen Eigentums, humanster Durchführung
der Übersiedelung und Krediten. Es wurde von Prag als selbstverständlich
erachtet, die Ungültigkeitserklärung des Ersten Wiener Schiedsspruchs, in dem
1938 die ungarisch besiedelten Landesteile der Südslowakei Ungarn zugesprochen
worden waren, mit allen Folgen und von Anfang an zu fordern. Man wollte unter
allen Umständen das Land behalten, die dort rechtmäßig siedelnden Ungarn aber
vertreiben. Man stieß jedoch bei den USA auf deutliche Ablehnung, und die Sowjets
bezeichneten den Zwangstransfer zwar als "notwendig und gerecht", verwiesen
Prag aber auf Verhandlungen mit Ungarn. Deshalb konnte die CSR den
Vertreibungsplan im Friedensvertrag nicht durchsetzen, sie erreichte jedoch die
Ungültigkeitserklärung des Wiener Schiedsspruchs von Anfang an, setzte einen
Teil ihrer Gebietsforderungen südlich von Preßburg an der Donau durch, erhielt
eine "Reparationszahlung" von 30 Millionen Dollar und setzte ein Verbot "revisionistischer"
Propaganda und "revisionistischer" Organisationen in dem am 10. Februar 1947
unterzeichneten Friedensvertrag mit Ungarn durch. Die kommunistische Machtübernahme in beiden Staaten führte schließlich zu
einem ungarisch-sowjetischen Beistandsabkommen und in der Tschechoslowakei zur Gewährung
eines Minderheitenstatus für die Ungarn, die in ihrer Heimat verblieben oder
aus der Zwangsarbeit zurückgekehrt waren. Die ungarischen Kleinlandwirte wurden
sogar von der Enteignung ausgenommen.
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