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Preußische Allgemeine Zeitung / 20. März 2004
Zeit fürs Hobby / Schröder kauft neue Spielsachen Wenn du mich verläßt, dann schmeiß' ich dich raus!" ist der eigentlich
überflüssige Satz, der in Partnerschaften fällt, bevor die Anwälte den Rest
erledigen. Der neue SPD-Chef Müntefering läßt die Parteigerichtsbarkeit daher
vorsorglich die Guillotinen schärfen für jene treulosen Genossen, die sich im
Schutze der Dunkelheit pechschwarzer Wahlergebnisse zusammengerottet haben, um
eine "neue linke Partei" zu gründen. Die Namen der Abtrünnigen hat bis vor kurzem keiner gekannt, deswegen
schenken wir uns die auch hier. Ob die Gründung Chancen hätte? Wohl nur mit
Lafontaine vorneweg, aber der bleibt vorsichtshalber in den Büschen, in die er
sich 1999 vor dem Kosovokrieg geflüchtet hatte. Die PDS rudert ihr Boot indes
laut juchzend ans sinkende Schiff der SPD heran, um die Davoneilenden
aufzunehmen. Das wäre eine zukunftsweisende Alternative. Bereits jetzt
verlassen junge begabte Menschen in Scharen Deutschland, weil es für sie hier
auch ohne neue Linkstruppe schon zuviel Sozialismus gibt. Allein die PDS hat
umfangreiche Erfahrungen darin, wie man "der Abwanderung nachhaltig begegnen
kann". Den Kanzler rührt der ganze Käse nicht mehr. Er hat es geschafft, ist den
elenden Parteijob los - endlich frei! Nun kann er sich voll und ganz seinen
Hobbys widmen, wie Zigarre rauchen oder "Regieren" spielen. In den nächsten
Tagen geht er neues Spielzeug einkaufen, das alte war schon etwas abgewetzt. Vor
allem die Sachen aus der Schublade "Medienkanzler". Zum Kanzler-Bleiben
brauche er nur die Bild und die Glotze, hatte Schröder 1998 strahlend gerufen.
Aber die Bild wurde mit der Zeit immer sperriger, zum Schluß ließ er das
blöde Ding einfach liegen: "Keine Interviews mehr!" Jetzt kauft sich der
Kanzler eine Zeitung ganz für sich, die Frankfurter Rundschau wird SPD-Besitz.
Ein richtiges Zentralorgan, wie früher der Vorwärts. Der war auch mal
Tageszeitung. Dann wurde für ihn das tägliche Einerlei zu unbedeutend, und er
stellte auf wöchentliches Erscheinen um. Mittlerweile geht es nur noch einmal
im Monat "vorwärts", das dauert dem Kanzler zu lange. Daher jetzt die
Rundschau, die derzeit noch täglich erscheint, aber vermutlich ... Um den Kleinkram muß sich nun also Münte kümmern, der so-eben erst den
Anzug mit den Tomaten vom Erfurter SPD-Arbeitneh-mertreffen in die Reinigung
gegeben hat. (War nur ein Scherz, sind gar keine geflogen. Sie wissen doch, wie
das ist mit den Südfrüchten in so- zialistischen Ländern wie der
Bundesrepublik.) In Wahrheit hat Müntefering den Linksflüglern nämlich ganz
schön die Leviten gelesen: "Ohne unsere Reformen hätten wir fünf Millionen
Arbeitslose", warf er ihnen um die Ohren. Mit den Reformen sind es bekanntlich
jetzt sieben Millionen, die Ver- deckten, Umschulenden etc. mitgerechnet. "Da
braucht man sich nicht verstecken!" ließ er die Genossen wissen. Wo auch? Die Union wäre ein schönes Versteck. Da weiß nie einer, wer eigentlich
welche Rolle spielt. So fiele dort ein Akteur mehr oder weniger gar nicht auf.
Für jede Szene gibt es stets mehrere Besetzungen. Und das ist gut so. Denn wie
gefährlich es sein kann, sich festzulegen, hat die letzte Woche erwiesen. Kaum
hatte man aus der endlosen Schlange der Präsidentschaftskandidaten einen
herausgewinkt, fing der an draufloszuschnattern. Merkel wäre eine hübsche
Kanzlerin, meinte Köhler. Stoiber war außer sich und ist es noch. Offiziell ließ der Fuchs von Wolfratshausen verlauten, die Sache sei nach
einem Telefonat mit Köhler aus der Welt. Der gute Köhler mag das glauben, wir
kennen die Wahrheit: Noch während Stoiber seine "Gelassenheit" heuchelte,
schickte er seine gemeinste Waffe ins Feld, um der verhaßten Merkel ein Bein zu
stellen: CSU-Landesgruppenchef Michael Glos sprach sich in aller Öffentlichkeit
für die CDU-Chefin aus. Jeder weiß: Wen Glos unterstützt, der kann einpacken.
Schäuble kann das bezeugen. Der Anfang seines Endes als Kandidat für das
Bellevue hieß ebenfalls Glos. Perfide, nicht wahr? Dem CSU-Landesgruppenchef
ist die Rolle des dummen August ja auf den Leib geschnitten. Dem nimmt man die
Arglosigkeit glatt ab. Wie dem bayerischen SPD-Chef Franz Maget. Wir wissen nicht, mit wem der im
verborgenen kungelt. Vermutlich mit Oskar Lafontaine, der sich königlich
amüsiert über die Abspaltungsphantasien linker SPDler. Mitten in die Balgerei
zwischen dem Vorstand und den Verrätern schickte er seinen (scheinbar!) völlig
vertrottelten Maget mit der Idee, unterm weißblauen Himmel eine eigenständige
Sozialdemokratische Partei Bayerns zu gründen. Müntefering dürfte langsam
nervös werden, ob er dieses Wochenende überhaupt etwas vorfindet, was er
bevorsitzen kann. Die SPD verwest in ihrem 141. Jahr vor aller Augen. Den neuen Parteichef mag das bekümmern. Für uns, das Publikum, kann so ein
Verrottungsprozeß hingegen eine durchaus interessante und reizvolle Sache sein.
Wer kann uns das besser nachfühlen als die Erfinder alles Morbiden, die
Engländer. Das Londoner Wissenschaftsmuseum hat beschlossen, eine Leiche in
eine Vitrine zu packen und dort zur Unterhaltung der Museumsgäste ganz
natürlich vermodern zu lassen - "wie sie es unter der Erde tun würde", so
der Leiter der Besucherabteilung zur Sunday Times. Allerdings sollen nur
Erwachsene an dem Gaudium teilhaben dürfen. Kinder, mit dem Anblick der
berüchtigten kulinarischen Köstlichkeiten ihrer Insel vertraut, könnten den
Kadaver für etwas zu essen halten und wären dann traurig, daß sie nichts
abkriegen. Überraschen kann uns der Coup der Briten nicht. Seit Jahren führt der
Deutsche Gunther von Hagens die Weltrangliste der Ekeligkeit an. War zu
erwarten, daß sich die Neidhammel jenseits des Kanals diese Schmach nicht ewig
bieten lassen. Da gab es nur zwei Auswege: Krieg führen und die Hagens-Leichen
als Reparationen verlangen oder selber etwas noch Schmierigeres auf den Tisch
des Hauses legen. Jetzt ist es an uns, die frechen Briten Mores zu lehren und
der Welt etwas zu präsentieren, was noch schneller zerfällt als der
Verblichene im feuchten Klima der Themseniederung. Die Lösung liegt nah: In den
rot-grünen Reformpaketen, die nach amtlichen Meldungen allesamt "mit Leben
erfüllt sind", machen sich stets schon vor der Geburt die Würmer zu
schaffen. Bei der Niederkunft im Reichstag ist dann regelmäßig kaum noch was
zu sehen. Das werden die Engländer nicht toppen können. Was machen die dann?
Krieg? Keine Angst, geht gar nicht. Unsere Bundeswehr ist schließlich schon
lange nicht mehr zuhause gesehen worden. "Aber ich bitte Sie ... das ist doch selbstverständlich!" Zeichnung: Götz Wiedenroth
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