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27.03.04 / Schloß-Geschichten / Wechselvolle Historie der schlesischen Standesherrschaft Sagan

© Preußische Allgemeine Zeitung / 27. März 2004


Schloß-Geschichten
Wechselvolle Historie der schlesischen Standesherrschaft Sagan

Wenn heute jemand den Namen Sagan nennt, dann denken Literaturfreunde in erster Linie an eine recht populäre französische Schriftstellerin gleichen Namens, die mit dem Buch "Bonjour tristesse" Furore machte.

Tristesse kann einen auch ergreifen, wenn man an das Schicksal so mancher schlesischer Familien und die Geschichte schlesischer Schlösser denkt.

Auch mit Schloß Sagan in Niederschlesien verbinden sich Glück und Trauer. So konnte sich Albrecht von Wallenstein, kaiserlicher Generalissimus im Dreißigjährigen Krieg, nur kurz an dessen Besitz erfreuen. Bevor die von ihm in Gang gebrachten hochfliegenden Umbauten vollendet waren, machten kaiserliche Offiziere seinem Leben in Eger im Jahre 1634 ein gewaltsames Ende.

Die böhmische Adelsfamilie von Lobkowitz konnte das Schloß aus dem Nachlaß vom Kaiser käuflich erwerben und zählte es zu ihrem Eigentum, bis der Besitz im Jahre 1786 an den Herzog von Kurland überging.

Dorothea, eine der Töchter des Herzogs, sollte den Ruhm Sagans durch ganz Europa tragen, da sie in der napoleonischen Zeit eine Verbindung mit der hochadeligen französischen Familie von Talleyrand-Perigord einging und viele Jahre mit dem bekannten französischen Außenminister Talleyrand befreundet war.

Der herzogliche Grundbesitz umfaßte noch im Jahre 1937 rund 23 400 Hektar (davon etwa 20 000 Hektar Wald) und zählte Anfang des 19. Jahrhunderts zu den reichen Standesherrschaften in Schlesien. Das Schloß war im 17. Jahrhundert im Renaissancestil durch italienische Architekten großzügig umgebaut worden. Es beherbergte viele Gemälde, kostbare Möbel und Waffen, chinesisches Porzellan, italienische Skulpturen, eine Autographensammlung, hatte ein Archiv und eine Bibliothek und war von einem prächtigen Park im englischen Stil umgeben.

Mitte des 19. Jahrhunderts gehörten fünf Städte, 171 Dörfer, zahlreiche Domänen und Meierhöfe zum Besitz der Herzogsfamilie, aus der vor allem die bereits erwähnte Dorothea, spätere Herzogin von Dino und Sagan und Nichte Talleyrands, herausragte. Ihre Familie besaß zudem in Frankreich die Schlösser Valencay, du Marais und später Schloß Rochecotte. Eine weitere Schwester hatte in die Familie Hohenzollern-Hechingen eingeheiratet.

Schloß Sagan erlitt 1945 eine ähnliche Tragödie wie viele andere Herrenhäuser in den deutschen Ostgebieten. Das Handbuch Schlesien von H. Weczerka (2. Aufl. 2003) berichtet von seiner Plünderung und Brandschatzung durch die Rote Armee sowie von Wiederaufbauarbeiten durch den polnischen Staat seit den 60er Jahren. Jedoch erfährt man nichts über das Schicksal der Eigentümer.

Hier wurden erst in den letzten Jahren bemerkenswerte Einzelheiten bekannt, nachdem sich Francoise Aubret-Ehnert genauer mit der Familie Talleyrand und insbesondere Dorothea von Sagan beschäftigt hatte.

Das Schloß wurde nach der Okkupation Schlesiens vom polnischen Staat beschlagnahmt. Dem französischen Botschafter in Warschau gelang es allerdings, einen Teil der Bibliothek zu retten, die heute noch in der Botschaft vorhanden sein soll.

Die Familie Talleyrand wiederum wurde von der polnischen Regierung "en échange de charbon", also durch Kohlelieferungen, entschädigt. Nicht bekannt ist, ob es sich um eine angemessene Entschädigung gehandelt hat.

Wer hätte gedacht, daß sich eine 150 Jahre zuvor geschlossene Verbindung der Herzogin von Sagan mit einem Neffen eines französischen Fürsten, die noch dazu äußerst unglücklich verlief, im Zeitpunkt der schlesischen Katastrophe derart bezahlt machen würde?

Hier wird einem wiederum klar, daß die Geschichte mitunter seltsame und gewundene Wege geht, die niemand vorhersagen kann.

Rüdiger Goldmann


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