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27.03.04 / Von gemeinsamer Zukunft weit entfernt / Hohe Arbeitslosigkeit und mangelnde Perspektiven verstärken Konflikte im krisengeschüttelten Kosovo

© Preußische Allgemeine Zeitung / 27. März 2004


Von gemeinsamer Zukunft weit entfernt
Hohe Arbeitslosigkeit und mangelnde Perspektiven verstärken Konflikte im krisengeschüttelten Kosovo
von R. G. Kerschhofer

Wenn es statt in den Öfen in Kirchen und Moscheen brennt, dann ist auch auf dem Balkan der Frühling angebrochen. Oder eher ausgebrochen wie die jüngsten Unruhen. Die hatten zwar einen Anlaß, wie es für alles einen Anlaß gibt. Doch Anlaß kann nur werden, was entsprechende Voraussetzungen hat! So ist es ziemlich belanglos, ob die drei ertrunkenen albanischen Kinder vor Serben geflüchtet waren oder bloß vor Hunden und ob die vielerorts verübten Gewalttaten inszeniert waren oder nicht: Man hat seine persönlichen Haßobjekte ohnehin ständig vor Augen, und da reicht ein Gerücht, um Hemmungen hinwegzufegen.

Als einst der Schröder-Günstling Michael Steiner Uno-Hochkommissar im Kosovo wurde, verkündete er die Parole "Standard vor Status". Bewiesen hat er damit nur, daß man selbst aus Fremdwörtern einen "Stabreim" basteln kann. Denn in der Sache ist Steiner ebenso gescheitert, wie dies seinem Nachfolger, dem Finnen Holkeri, blüht. Welche Heuchelei oder Torheit zu behaupten, daß man demokratische Standards schaffen müsse, während der völkerrechtliche Status des Kosovo offenbleiben könne! Ein ehemaliger Wahlbeobachter meinte kürzlich voller Stolz, Wahlen im Kosovo seien mindestens so korrekt wie in Rußland oder in Florida. Und wer hat etwas davon?

Um den Frust zu verstehen, muß man sich vergegenwärtigen, daß 80 Prozent der albanischen wie serbischen Einwohner des Kosovo arbeitslos sind. Der Rest ist direkt oder indirekt für UN-Verwaltung (UNMIK), internationale Truppen (KFOR) und Hilfsorganisationen tätig. Aber auch nicht in regulären Dienstverhältnissen, denn da wären Sozialabgaben fällig, übrigens nach serbischem Gesetz - und wie man sieht, als Dienstgeber wollen sogar Helfer sparen. Dabei kostet jeder von ihnen im Durchschnitt etwa das Hundertfache von dem, was ein Einheimischer zum Leben hat.

Nur drei Prozent dessen, was heute im Kosovo konsumiert wird, ist heimisches Sozialprodukt. Viele Gastarbeiter, die früher für Transferzahlungen sorgten, sind in ihren Gastländern jetzt selber arbeitslos. Umgekehrt besoldet die Regierung in Belgrad - um ihren Hoheitsanspruch zu unterstreichen - weiterhin einen fiktiven serbischen Verwaltungsapparat, der parallel zu den UNMIK-Strukturen "arbeitet".

"Standard vor Status" verhindert jede reelle Wirtschaft, denn Investoren wollen Rechtssicherheit. Gewisse Investoren gibt es aber trotzdem: Überall wachsen Moscheen und Koranschulen aus dem Boden, meist mit saudischem Geld finanziert. Gerade daran zeigt sich, wie töricht bis verbrecherisch es ist, auf "multiethnischen" Strukturen zu beharren. Denn die Ursachen des Kosovo-Konflikts wie fast aller Konflikte weltweit sind primär ethnischer Natur. Religion wird bloß instrumentalisiert. Trotz der fast 500jährigen Osmanen-Herrschaft sind nur 80 Prozent der Albaner Muslime, doch wer den Albanern die Selbstbestimmung verweigert, fördert den Fundamentalismus und schafft letztlich islamische Standards in Europa!

Es mag verwundern, daß Albanien im Kosovo und in Makedonien nicht als Schutzmacht der Albaner auftritt. Doch einerseits sind die Machthaber in Tirana, egal wer gerade am Ruder ist, auf Hilfszahlungen angewiesen - welche de facto Bestechungsgelder sind, denn ohne "Wohlverhalten" würden sie von EU und Uno prompt gestrichen werden. Andererseits besteht das albanische Volk aus zwei Untergruppen mit leicht unterschiedlichen Sprachvarianten, nämlich aus Tosken und Gegen. Im jetzigen Albanien haben Tosken die Mehrheit, welche sich in einem vereinigten "Großalbanien" (wie kurzzeitig während des Zweiten Weltkriegs) verlieren würden.

Nicht zu vergessen: Die Jugoslawien-Krise begann 1989/90 mit Aufhebung der Autonomie der Teilrepubliken Kosovo und Vojvodina. Dahinter steckte aber nicht bloß der serbische Nationalismus: Nein, Weltbank und Internationaler Währungsfonds hatten von Milosevic "mehr Zentralismus" gefordert! Daß der jetzige serbische Ministerpräsident Kostunica mit Hilfe der Milosevic-Partei regiert, ist eine weitere Ironie - nicht des Schicksals, sondern der verbohrten Multikulti-Doktrin.

Realistischerweise wird weder Serbien ganz Kosovo "zurückbekommen" können, noch wird sich die von Präsident Ibrahim Rugova, dem kosovarischen "Ghandi", propagierte Unabhängigkeit verwirklichen lassen. Trotz gegenteiliger Rhetorik haben dies gerade die Nationalisten beider Seiten längst erkannt und würden sich - genau wie auch in Makedonien - eher früher als später mit einer Teilung abfinden. Wenn man eine solche nur zuließe!

Fest steht jedenfalls, daß eine Fortsetzung des derzeitigen Zustands für die Staatengemeinschaft viel teurer zu stehen kommt als selbst die großzügigste Förderung von Teilungs- und Umsiedelungsmaßnahmen. Ganz zu schweigen davon, daß dies von allem Anfang an die humanste Lösung gewesen wäre.

Flucht vor dem Haß der Nachbarn: Serbische Familien verlassen - eskortiert von UN-Polizisten und KFOR-Soldaten auf Panzern - ihre Wohnungen in einem mehrheitlich von Albanern bewohnten Mietshaus in Mitrovica. Foto: pa


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