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03.04.04 / Der große Bluff mit den Lohnnebenkosten / Unter die Lupe genommen: Entlastungen in Theorie und Praxis

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. April 2004


Der große Bluff mit den Lohnnebenkosten
Unter die Lupe genommen: Entlastungen in Theorie und Praxis

Ministerin Ulla Schmidt tat, was sie immer tut: Sie strahlte in alle in Sichtweite befindlichen Kameras. Anders als sonst aber schien sie diesmal Grund zum Strahlen zu haben. Sie verkündete nämlich den Durchbruch bei ihrer Gesundheitsreform.

Tatsächlich haben mehrere Krankenkassen zum 1. April (kein Scherz!) ihre Beitragssätze gesenkt, Deutschlands größte, die Barmer Ersatzkasse (BEK), um satte 0,2 Prozentpunkte. Ein toller Erfolg unserer über alle Parteigrenzen vereinten Gesundheitsreformer.

Doch leider blieb die stolz zur Schau getragene Freude der Gesundheitsministerin nicht ungetrübt. Es gibt nämlich, trotz Pisa, noch genügend Bürger in diesem Lande, die in der Lage sind, nachzurechnen, wieviel eine Beitragssenkung von 14,9 auf 14,7 Prozent auf ihrem Gehaltskonto oder Lohnstreifen konkret ausmacht. Und da ist es dann schnell vorbei mit der Begeisterung.

Nehmen wir als Beispiel einmal einen jener Arbeiter oder Angestellten, die "beim Daimler" schaffen, also beim Nobelautobauer Mercedes-Benz alias Daimler-Chrysler beschäftigt sind. Nehmen wir an, er verdient 3.000 Euro monatlich (nach Angaben des Statistischen Bundesamtes liegt das im Rahmen des üblichen). Für ihn lag der BEK-Monatsbeitrag bisher bei 447 Euro, wovon er selber 223,50 Euro zahlte.

Nun wird er um drei Euro monatlich entlastet, also um neun Euro im Vierteljahr, so daß die Praxisgebühr unterm Strich nur einen Euro ausmacht. Geht er ein Quartal lang gar nicht zum Arzt, kann er sich sogar mit neun Euro in den Konsumrausch stürzen und die einheimische Wirtschaft ankurbeln.

Große Freude auch für seinen Arbeitgeber. Der spart nämlich an Lohnnebenkosten ebenfalls drei Euro im Monat. Bei DaimlerChrysler mit über 350.000 Beschäftigten und einer Jahresproduktion von über vier Millionen Fahrzeugen heißt das im Klartext: Jeder Beschäftigte baut - grob gerechnet - pro Monat ein Auto, dessen Produktionskosten folglich um durchschnittlich drei Euro heruntergehen. Ob sich damit die Weltmärkte erobern lassen?

Von einem echten Durchbruch hin zu Konkurrenzfähigkeit und mehr Kaufkraft sind wir noch meilenweit entfernt. Die 0,2-Prozentpunkte-Entlastung bei der Barmer ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Gemessen an der Wirkung ist sie aber allenfalls ein "Tropfen auf den heißen Stein". Und - da mag Frau Schmidt noch so unermüdlich in die Kameras strahlen - der "Tropfen" ist winzig, der "heiße Stein" jedoch riesengroß. EB

Nur ein "Tropfen auf den heißen Stein": Die minimale Reduzierung der Krankenkassenbeiträge - bei der Barmer sind es 0,2 Prozentpunkte - bedeuten für den einzelnen Arbeitnehmer eine Einsparung im einstelligen Euro-Bereich. Und auch für das Produkt, in diesem Falle ein Mercedes-Nutzfahrzeug, sinken die anteiligen Lohnnebenkosten nur geringfügig; die Konkurrenzfähigkeit auf den internationalen Märkten kann damit kaum beeinflußt werden. Foto: DaimlerChrysler


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