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03.04.04 / Offen sagt es (noch) niemand / "Topographie des Terrors": Die Mahnmal-Konjunktur gerät ins Stocken

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. April 2004


Offen sagt es (noch) niemand
"Topographie des Terrors": Die Mahnmal-Konjunktur gerät ins Stocken
von Annegret Kühnel

Der langjährige wissenschaftliche Direktor der "Topographie des Terrors", Reinhard Rürup, ist von seinem Amt zurückgetreten. Als Grund für seinen Schritt gab der 69jährige in einem Brief an den Berliner Kultursenator Thomas Flierl (PDS) die "unendliche Geschichte" um die Errichtung des geplanten Dokumentationszentrums auf dem Gelände des Prinz-Albrecht-Palais an.

Das im Krieg zerstörte Palais war bis 1945 der Sitz der Gestapo und des Reichsicherheitshauptamts. Nachdem die Ruinen abgetragen waren, wußten die Planer lange nicht, was man mit dem Areal hart an der Sektorengrenze anfangen sollte. Von einer Schnellstraße oder einer Autoskooter-Anlage war die Rede, ehe die umstrittene Journalistin Lea Rosh gegen solche Pläne einen Bürgerprotest organisierte. Zuerst sollte hier ein Mahnmal errichtet werden, wofür dann aber die früheren Ministergärten in Beschlag genommen wurden. Schließlich entstanden ein barackenartiger Ausstellungspavillon und ein Freilichtmuseum in den freigelegten Fundamenten.

1993 wurde ein Bauwettbewerb für ein Gebäude ausgeschrieben, das als Museum und Archiv geeignet war. Der Schweizer Architekt Peter Zumthor ging daraus als Sieger hervor. Seit fünf Jahren stocken jedoch die Bauarbeiten, seitdem bekannt wurde, daß die Kosten auf 39 Millionen Euro explodieren würden. Einer der Gründe waren die meterhohen, dünnen Betonstreben, für die außerordentlich hochwertiges - und das heißt: teures - Material erforderlich ist. Land und Bund, beide mittlerweile mehr oder minder bankrott, sollen sich die Kosten teilen.

Rürup wirft sowohl der Bundesregierung als auch dem Land Berlin nun vor, sich bei diesem Projekt nur "lauwarm" engagiert zu haben. "Elf Jahre nach dem Bauwettbewerb, aus dem der Zumthor-Entwurf als Sieger hervorging, sind weder der Architekt noch die Bauverwaltung in der Lage, einen verläßlichen Termin für die Übergabe des Gebäudes an die Stiftung zu nennen", schrieb Rürup an Flierl. Er befürchte, daß die unterbrochenen Arbeiten nicht wieder aufgenommen würden. Das Faß zum Überlaufen brachte die Streichung von Sondermitteln für eine im Mai geplante Ausstellung über das Gestapo-Hausgefängnis durch Bundes-Kulturstaatsministerin Christina Weiß.

Flierl hat Rürups Rücktritt umgehend akzeptiert. Allerdings soll der Schritt nicht das Ende des Vorhabens bedeuten. Neben Flierl gilt vor allem Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) als vehementer Unterstützer der "Topographie". Strieders Sprecherin erklärte, zur Zeit würden neue Angebote von Baufirmen geprüft, im September solle es "sichtbar" weitergehen.

Ob sich die beiden Senatoren damit durchsetzen, ist zumindest nicht gesichert. Flierl und Strieder sind die größten Schwachstellen innerhalb eines sowieso schwachen Senats. Flierl steht wegen Abstrichen in Kultur und Bildung, seiner fehlenden Durchsetzungskraft und Kommunikation in der Kritik. Strieder ist in die Tempodrom-Affäre verstrickt und seit einigen Wochen Objekt staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen.

Noch immer wagt es niemand, die wirklichen Gründe für die stockenden Arbeiten an der "Topographie" öffentlich zu benennen: Erstens kann Berlin sich jene Gedenkindustrie in diesem Umfang einfach nicht mehr leisten. Gerade hat der SPD/PDS-Senat beschlossen, die 1,1 Millionen Euro für das Berliner Atelierprogramm zu streichen, aus dem Hunderte Künstler Zuschüsse für ihre Ateliermieten erhielten. Zahlreiche Maler und Bildhauer konnten so nach Berlin gelockt werden. Ihnen den Stuhl vor die Tür zu setzen, gleichzeitig aber 19 Millionen für ein neues NS-Projekt auszugeben wäre sogar in Berlin kaum noch zu vermitteln.

Der zweite Grund dürfte in der allgemeinen Erschöpfung liegen, welche die Dauerbewältigung verursacht. Die Mehrheit der Berliner hat die Flut von Gedenk- und Mahnmalsprojekten einfach satt. Dem können sich auch die Politiker nicht auf ewig entziehen.


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