28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.04.04 / Kopftuch - ein politisches Symbol / Bei der Kopftuchdebatte geht es nicht um die Verhüllung, sondern um das Denken (Teil II) 

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. April 2004


Kopftuch - ein politisches Symbol
Bei der Kopftuchdebatte geht es nicht um die Verhüllung, sondern um das Denken (Teil II) 
von J. Liminski

Im Krisenbogen zwischen Casa-blanca und Taschkent leben mehrere hundert Millionen Menschen. Die meisten von ihnen kennen die Trennung zwischen Kultur, Religion, Politik und sozialem Leben nicht. Denn der Koran ist nicht nur Bibel, er ist gleichzeitig Bürgerliches Gesetzbuch. Es gibt allein 500 Koranverse, die Probleme des Straf- und Zivilrechts behandeln. Der Islam dieser Völker erhebt den Anspruch, gleichzeitig religiöser Glaube und Staat - din wa daula - zu sein. Er hält an einem in sich geschlossenen Rechtssystem fest, das auf dem Koran, auf Aussprüchen des Religionsstifters Mohammed und den aus diesen beiden Quellen abgeleiteten Interpretationen der mittelalterlichen Rechtsschulen beruht. Aus dieser dreifachen Wurzel ist die Scharia entstanden, das Rechtssystem mit den für uns unmenschlichen Strafen, das in mehreren Ländern, vor allem in Afrika, wieder eingeführt wurde und bereits blutige Unruhen hervorgerufen hat.

Das Wort Islam bedeutet Hingabe, Ergebung in den göttlichen Willen. Die Geisteshaltung des Muslims soll eine Haltung ständiger Ergebenheit und Hingabe, eben der Unterwerfung, sein. Es geht nicht, noch einmal, um die Verhüllung des Kopfes, sondern um seinen geistigen Inhalt. Nicht der Westen hat sich mit dem Phänomen auseinanderzusetzen, sondern der Islam. Er muß den Frauen mehr Freiheit und Menschenwürde zuerkennen. Solange aber in den islamischen Köpfen hierzulande vorwiegend Parolen von Unterwerfung herumspuken, bleibt das Kopftuch ein Symbol der Machtfrage. Der Islam mag eine Religion sein, der Islamismus ist eine Ideologie. Din wa daula ist ein innerweltlicher Anspruch.

Deshalb ist das Kopftuch auch ein politisches Symbol. Längst ist die Funktion des Stoffs - die Verhüllung erotischer Haarpracht - in den Hintergrund getreten, im Vordergrund steht die gesellschaftspolitische Aussage: Unser Gesetz soll gelten, egal wo, egal wie, überall. Wer heute noch glaubt, das Kopftuch sei eine religiöse Angelegenheit, der ist naiv oder verkennt den Islam. Er wird ihn kennenlernen müssen. Der Kopftuchstreit ist auch das Symbol für den längst ausgebrochenen Kulturkampf in Europa. Manche weltfremden Träumer, insbesondere in Deutschland, haben das noch nicht begriffen und glauben, man könne sich auf Dauer mit dem Islam arrangieren in einer Art religiöser Koexistenz. Sie sollten in die Geschichte blicken und vor allem das Schicksal des Christentums in den vom Islam beherrschten Gebieten betrachten. Zu empfehlen ist da das Buch der in Ägypten geborenen Britin Bat Ye'or, "Der Niedergang des orientalischen Christentums unter dem Islam" (Resch-Verlag), sehr aufschlußreich.

In Frankreich, der alten Kolonialmacht mit Islam-Erfahrung und vor allem seit einigen Jahrzehnten mit Erfahrungen auf eigenem Boden, ist man sensibel geworden und reagiert auf die Herausforderungen des Kulturkampfes. Freilich mit der französischen Eigenart des Laizismus. Den Franzosen brennt das Problem auch heißer auf den Nägeln. Mehr als tausend Konfliktfälle zählte man im Innenministerium allein im vergangenen Jahr. Sechs Mädchen wurden von ihrer Schule verwiesen. In den allermeisten Fällen sind sie die Opfer, nicht des Staates, sondern ihrer männlichen Familienangehörigen. Die halten sich in der Regel im Hintergrund. Mädchen und Frauen als Diskussionsfutter, das ist die moderne Form für den Krieg der Zivilisationen. Frankreichs Innenminister Nicolas Sarkozy brachte das Ringen zwischen Republik und Religion schon vor knapp einem Jahr in einer Rede auf diesen Punkt: "Das Gesetz schreibt vor, daß auf dem Personalausweis der Inhaber ohne Kopfbedeckung abgebildet wird. Die katholischen Nonnen fügen sich dieser Verpflichtung. Nichts würde rechtfertigen, daß die moslemischen Frauen sich ihr nicht fügen." Im Februar wurde ein Gesetz verabschiedet, das "auffällige" religiöse Symbole in öffentlichen Schulen und Einrichtungen verbietet.

Das ist typisch französisch-republikanisches Denken. Christliches Denken ist es nicht. Menschenwürde, Menschenrechte und Freiheit sind im Christentum verwurzelt, das Zweite Vatikanum hat dies nach den Irrungen vergangener Jahrhunderte wieder besonders deutlich gemacht. Es paßt nicht zum Selbstverständnis der Christen, Moscheebauten oder Kopftücher zu verbieten. Es paßt allerdings zu ihm, Toleranz einzufordern, nicht nur von den Christen, sondern auch von den Muslimen. Wer nicht bereit ist zur Toleranz, der kann in einer Demokratie nicht leben. Der wird auch die weltanschaulich gebotene Neutralität des Staates mißachten und in Konflikt geraten mit dem Selbstverständnis des demokratischen Staates, zum Beispiel als Beamter. Der sollte dann auch die Konsequenzen ziehen und diesen Status nicht anstreben. Wer es dennoch tut und intolerant bleibt, der bekundet seine Unterwerfungs- oder Herrschaftsabsicht.

Natürlich gibt es auch in unserem Kulturkreis manche Auswüchse gegen Würde, Recht und Freiheit, vor allem auch der Frau. Diese Mißstände einer auswuchernden Säkularisierung müssen bekämpft werden. Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz der Sitten. Sie sind ebenso Exzesse wie der Zwang, den Tschador zu tragen oder allzeit und überall dem Manne zur Verfügung zu stehen, was nicht wenige Gelehrte des Islam wortreich beschreiben und weswegen es auch erlaubt ist, vier Frauen zu haben, zuzüglich einiger Konkubinen (sehr empfehlenswert und erhellend ist für diesen Gesamtkomplex das jüngste Buch von Hans-Peter Raddatz "Allahs Schleier - die Frau im Kampf der Kulturen", Herbig-Verlag). "Es gehört offenbar zur modernen, politisch korrekten Art der Toleranz", schreibt die Neue Zürcher Zeitung, "anderen Religionen möglichst viel zu glauben - und der eigenen möglichst wenig. Daß der Islam den Frauen das Tragen eines Kopftuchs vorschreibe, derweil die Christenheit mit dem bauchfreien Girlie nicht die geringsten Probleme habe, ist eine der Ansichten, die dieser multikulturellen Art des guten Glaubens entsprungen sind." In der Tat, man könnte, wenn es nach den Buchstaben geht, aus dem Neuen Testament härtere Kopftuchbestimmungen herauslesen als aus dem Koran (siehe Kasten). Es geht um das Denken, nicht um die Verhüllung. Fortsetzung folgt


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren