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03.04.04 / Sitzend oder stehend gezeichnet / Der Bildhauer Johann Gottfried Schadow fand in Rom den Fundus für sein späteres Werk

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. April 2004


Sitzend oder stehend gezeichnet
Der Bildhauer Johann Gottfried Schadow fand in Rom den Fundus für sein späteres Werk

Wohl kein Denkmal hat das Schicksal des deutschen Volkes so geteilt wie das Brandenburger Tor mit seiner stolzen Quadriga. Ob nun dem Architekten Carl Gott-hard Langhans oder dem Bildhauer Johann Gottfried Schadow die Ehre des Ruhms gebührt, darüber mögen sich die Experten streiten. Unbestreitbar aber ist, daß Bauwerk und krönender Abschluß seit Jahrhunderten die Reisenden beeindrucken. So wurde als Folge der Niederlage, die preußische Truppen gegen das napoleonische Heer in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt erlitten, als Kriegsbeute auch die 1793 auf dem Brandenburger Tor errichtete Quadriga kurzerhand requiriert. Derselbe Kupferschmied, der sie erst vor einigen Jahren in luftiger Höhe installiert hatte, mußte sie 1806 auf Geheiß der Sieger wieder abbauen; auf dem Wasserweg ging's dann über Hamburg nach Paris, wo die Quadriga zunächst im Louvre aufbewahrt wurde, dann aber in Einzelteile zerlegt im Hotel des Menus Plaisirs ihr Dasein fristete - bis 1814 die Preußen einmarschierten. In seiner ersten Friedensverhandlung forderte Blücher die Quadriga zurück. Auf dem Landweg ging's dann in einem wahren Triumphzug wieder nach Berlin.

Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Quadriga starke Schäden. 1950 wurde sie von den Ostberliner Machthabern entfernt und sogar zur völligen Zerstörung freigegeben. Die heutige Fassung wurde 1958 nach einem 1942 abgenommenen Gipsabguß rekonstruiert; auch sie erlitt erhebliche Schäden, die durch ausgelassene Feiern zur Wiedervereinigung von Ost- und Westberlin entstanden. In unseren Tagen aber strahlen das Brandenburger Tor und die Quadriga längst wieder in altem Glanz, und kaum einer der Touristen denkt daran, daß diese Arbeit zu den Meisterleistungen des Bildhauers Johann Gottfried Schadow zählt.

Entscheidende Anregungen hatte der 1764 in Berlin geborene Schadow während seines Aufenthaltes in Italien erhalten. Überstürzt war er 1785 gemeinsam mit seiner Herzensdame Marianne Devidels aus seiner Vaterstadt abgereist, zum einen weil er einer Eheschließung mit der Tochter seines Lehrherrn Jean Pierre Antoine Tassaert entgehen wollte, zum anderen weil er Repressalien des preußischen Ministers Hertzberg fürchtete, den er mit einem satirischen Titelblatt des Romans "Triumph des Lasters" verärgert hatte. Über Dresden, Wien, die Steiermark, Kärnten, Venedig, Ferrara, Modena und Florenz gelangte das junge Paar schließlich nach Rom. Dort legalisierte Schadow zunächst sein Verhältnis zu Marianne und trat mit ihr vor den Traualtar; dazu mußte er allerdings zum Katholizismus konvertieren, was dem überzeugten Protestanten nicht leicht gefallen sein muß, machte er doch diesen Schritt, kaum nach Berlin zurückgekehrt, wieder rückgängig.

Zwei Jahre lebte - und arbeitete Schadow in Rom. "Ein Zeichenbuch hatte er stets bei sich", erinnerte er sich später, "und wurde so geübt, daß er sitzend oder stehend allerorten darin zeichnen konnte, und hat er so eine Folge von Reliefs und Statuen tractiert." Schadow suchte "in Rom gleich der Biene aus vielen Blumen Honig zu saugen". Antike Skulpturen, Szenen am Wegesrand, die Familie, die in Rom durch Sohn Rinaldo (der später ebenfalls Bildhauer werden sollte) wuchs, Gemälde und Tiere - nichts war sicher vor seinem Zeichenstift. Einfache und klare Linien bestimmen seine Blätter, klassizistisch farblos und höchstens durch die Farbigkeit des Papiers aufgelockert. Einige Motive sind sorgfältig ausgeführt, andere wieder nur angedeutet flüchtig. Der Umriß ist ihm, dem Bildhauer, wichtig. Und so sind vor allem die Kopien nach römischen Plastiken bedeutsam für sein späteres Werk. Die Studien zum Pferd des Standbildes Marc Aurels aus der Gipssammlung der Französischen Akademie im Palazzo Mancini am Corso sollten ihm nur wenig später bei dem Entwurf der Quadriga und des Reiterstandbildes für Friedrich II. von großem Nutzen sein.

Seit August 1786 beschäftigte Schadow sich in zeichnerischen und bildnerischen Skizzen mit der Idee, ein Denkmal für den großen König zu schaffen. Eine zarte, fast verblichene Zeichnung ist erhalten geblieben. Ein Wachsmodell, das er im Dezember 1786 nach Berlin schickte, erläuterte Schadow in einem Brief: "Der König sitzet zu Pferde in derjenigen alten germanischen Tracht, welche man hier

häufig auf der Colonna Trajana und anderen Überbleibseln des Alterthums sieht." Tatsächlich erhielt er später den Auftrag, doch verzögerte sich die Ausführung so sehr, daß schließlich sein Schüler Christian Daniel Rauch das berühmte Reiterstandbild schuf. Schadow resi- gniert: "Mein Ruhm ging in Rauch auf."

Eine Ausstellung zu Schadows Aufenthalt in Rom, von der Kunstsammlung der Stiftung Archiv der Akademie der Künste in Berlin erarbeitet, tourt derzeit durch die Lande. Noch bis zum 18. April ist sie im Hamburger Jenisch-Haus, Außenstelle des Altonaer Museums, Baron-Voght-Straße 50, zu sehen (täglich außer montags 11-18 Uhr; Katalog 12 Euro); anschließend geht die Ausstellung in das Winckelmann-Museum nach Stendal (1. Mai bis 26. Juni).

Zum ersten Mal sind hier in dem stimmungsvollen Herrenhaus nahe des Elbufers neben einigen Plastiken rund 100 Zeichnungen aus den Skizzenbüchern Schadows zu sehen, die er in Rom mit sich führte und die aus dem Nachlaß des Künstlers einst erworben werden konnten. Zu entdecken ist der "Fundus, auf den er sein Leben lang als Anregung und Vorlage für sein bildhauerisches und graphisches Werk zurückgreifen konnte" (Jutta v. Simson im Katalog). Nach Berlin zurückgekehrt, wurde Johann Gottfried Schadow bald zu einem der anerkanntesten Bildhauer Europas, in dessen Werk immer wieder "römische Erinnerungen" auftauchen. Silke Osman

Johann Gottfried Schadow: Ein Zeichner - vermutlich ein Selbstbildnis (Kreidezeichnung 1785-87) Fotos: Katalog

Klassische Schönheit: Kapitolinische Venus, gezeichnet von Johann Gottfried Schadow


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