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17.04.04 / Vaterlandslose Gesellen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 17. April 2004


Hans-Jürgen Mahlitz:
Vaterlandslose Gesellen

Deutschlands Sozialdemokraten haben das Vaterland entdeckt: Von Gerhard Schröder über Franz Müntefering und Klaus Uwe Benneter bis Wolfgang Thierse kanzeln sie "republikflüchtige" Unternehmer als "vaterlandslose Gesellen" ab, eine Formulierung, mit der die Linke einst selbst der Unzuverlässigkeit geziehen wurde.

Und sie haben recht, wenn sie damit jene Unternehmen meinen, denen jedes Mittel recht ist - Hauptsache, die Kapitaleigner machen satte, möglichst in Deutschland nicht zu versteuernde Gewinne. Wer seiner sozialen Verantwortung und seinen Pflichten gegenüber dem Gemeinwohl nicht gerecht wird, ja, dies nicht einmal versucht, der muß es sich eben gefallen lassen, auch mit sehr deutlichen Worten öffentlich angeredet zu werden. Manager, die sich damit brüsten, wie viele Menschen im eigenen Lande sie um ihre Arbeit gebracht haben, die noch stolz darauf sind, daß sie, um den Preis von Kinder- oder Sträflingsarbeit in fernöstlichen Ländern, die Produktionskosten gesenkt haben, die ihre Firmen an rücksichtslose Globalisierungs-Multis verschachern und sich dafür auch noch mit siebenstelligen "Abfindungen" belohnen lassen - solche Menschen sind in der Tat "vaterlandslose Gesellen" und verdienen unser aller Verachtung.

Dasselbe gilt für Unternehmer, die einerseits rücksichtslos ältere Mitarbeiter auf die Straße setzen, weil jüngere billiger sind, die sich andererseits aber weigern, im Rahmen ihrer Möglichkeiten jüngeren Menschen eine solide Berufsausbildung zu gewähren.

Aber Gott sei Dank gibt es in Deutschland immer noch sehr viele Unternehmer, die in keines dieser frühkapitalistischen Klischees passen. Es gibt auch Betriebe, die händeringend Lehrlinge suchen, bei denen sich aber überhaupt keiner mehr bewirbt. Es gibt Bewerber, die nicht einmal für die einfachsten Berufe qualifiziert sind. Und es gibt natürlich viele Firmen, denen wegen der Konjunkturflaute das Wasser dermaßen bis zum Halse steht, daß sie sich Auszubildende nicht mehr leisten können.

Ein weiterer Aspekt, der Erwähnung verdient: Was nützt den jungen Leuten eine gute Ausbildung, wenn es anschließend keine Arbeit für sie gibt. Arbeitslosigkeit auf hohem Bildungsniveau - das kann es doch nicht sein!

Jedenfalls ist es grundverkehrt, Unternehmen, die nicht ausbilden, pauschal zu diffamieren und mit einer unsinnigen Ausbildungsabgabe abzustrafen. Ebenso falsch ist es, in jedem Unternehmer, der Arbeitsplätze ins Ausland verlagert, einen "vaterlandslosen Gesellen" zu wittern. Entscheidend ist vielmehr: Werden dadurch Arbeitsplätze in Deutschland gesichert? Werden vielleicht sogar neue Stellen im eigenen Land geschaffen? Das dies möglich ist, zeigen uns die Amerikaner: Auf einen neuen Arbeitsplatz im Ausland kommen durchschnittlich 1,2 neue Stellen in den USA. In Deutschland liegt diese Kennziffer derzeit bei 0,8 - ein kleiner Unterschied mit gigantischer Wirkung: auf der einen Seite ein paar hunderttausend neue Jobs, auf der anderen ebenso viele verloren.

Die Schuld an dem deutschen Ausbildungs- und Arbeitsplatzdesaster tragen nicht nur unfähige, verantwortungslose Manager und manchesterkapitalistisch verbohrte Unternehmer, sondern in hohem Maße auch die Politiker, und zwar über alle Parteigrenzen hinweg. Falsche Weichenstellungen in der Wirtschafts-, Finanz-, Sozial- und Familienpolitik, halbherzige, dem Volk schlecht vermittelte und zudem oft die Falschen treffende Reformen, der Trend zur Mittelmäßigkeit beim politischen Personal - wer solche politischen Defizite aufweist, sollte mit dem Begriff "vaterlandslose Gesellen" etwas zurückhaltender umgehen. Das böse Wort könnte auf ihn selber zurückfallen.


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