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24.04.04 / Ohne große Worte Erschütterungen bewirkt / Vor 50 Jahren starb der Dramatiker und Drehbuchautor Rolf Lauckner - Er war weitaus mehr als nur der Stiefsohn Sudermanns

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. April 2004


Ohne große Worte Erschütterungen bewirkt
Vor 50 Jahren starb der Dramatiker und Drehbuchautor Rolf Lauckner - Er war weitaus mehr als nur der Stiefsohn Sudermanns

Ich wüßte keinen deutschen Dramatiker, dem sogenannte ,Stoffe' gleichgültiger wären und der wie Lauckner die Wucht einer Situation aus der Situationslosigkeit erschafft, gewissermaßen aus dem Nichts Tragödien stampft und ohne große Worte und bewegte Gesten zwischen die Zeilen des Gesprochenen Erschütterungen sät. Der Mensch ist ihm alles." Der Dichter Frank Thiess fand einst diese Worte für seinen Freund Rolf Lauckner, dessen 50. Todestages wir am 27. April gedenken. Worte, die ein reiches Schaffen treffend schildern, ein Schaffen aber, das heute gemeinhin vergessen ist.

Geboren wurde Lauckner am 15. Oktober 1887 in Königsberg. Seine Mutter Clara heiratete nach dem frühen Unfalltod des Gatten den Schriftsteller Hermann Sudermann. Lauckner, so berichten seine Freunde, hat Zeit seines Lebens darunter gelitten, meist nur als "Stiefsohn Sudermanns" bezeichnet zu werden. Paul Fechter erinnert sich in seinem Buch "Menschen auf meinen Wegen": "... ich sah, daß Clara Lauckner, als sie Hermann Sudermann geheiratet hatte, nicht nur für das Kind Rolf Schicksal geworden war, sondern für das ganze Leben des Sohnes. In dieser Umwelt konnte ein Mensch der jüngeren Generation nicht mehr zu seinem Leben kommen ..."

"Die emotionale Beziehung zwischen Sudermann und Lauckner war stark belastet durch den Umstand, daß beide auf dem gleichen Feld arbeiteten", erläutert Gisela Henze in dem von der Kulturabteilung der Landsmannschaft Ostpreußen herausgegebenen Arbeitsbrief "Rolf Lauckner. Sudermanns Stiefsohn. Dramatiker und Lyriker" (80 Seiten mit zahlr. sw Abb., 3 Euro zuzügl. Versandkosten; zu beziehen bei Landsmannschaft Ostpreußen, Abt. Kultur, Parkallee 86, 20144 Hamburg) die Situation. "Beide waren Dichter, Schöpfer allerdings ganz unterschiedlicher Werke: Lauckner war Lyriker - Sudermann nicht, Lauckner war Librettist - Sudermann nicht, Sudermann war Epiker - Lauckner nicht; als Dramatiker, der jeder war, arbeiteten sie grundsätzlich auf verschiedene Art und mit unterschiedlichen Intentionen, grob etikettiert war Sudermann Naturalist mit positivistisch-naturwissenschaftlichem Weltbild und milieutheoretischen Vorstellungen, Lauckner dagegen war zu Sudermanns Lebzeiten Expressionist mit einem ideell-metaphysischen Weltbild und vom Menschen ausgehenden Vorstellungen.

Für den Bereich des Tonfilms ist kein Vergleich möglich, weil Sudermann nicht lange genug lebte, um auch für dieses Medium arbeiten zu können. Man kann sich jedoch gut vorstellen, daß er auch Drehbücher geschrieben hätte (viele seiner Werke wurden verfilmt): ,Leidenschaftlich gern ging er zur Nachtvorstellung ins Kino und erlebte die Entwicklung vom Stumm- zum Tonfilm mit größter Spannung', so Kristina Behnke in dem Heft ,Häuser und Leute im Grunewald. Bettinastraße 3: ein Dichterheim' (1987). Es ist übrigens so abwegig nicht zu denken, daß Lauckner sich möglicherweise dem Medium Film nicht nur deshalb zuwandte, weil es ihn besonders interessierte, sondern auch, weil der Stiefvater in diesem Metier nicht gearbeitet hatte, er also dort nicht an ihm gemessen werden konnte. Auf diese indirekte Weise hätte dann Sudermann doch auch das Werk des Stiefsohns geprägt.

Die Öffentlichkeit - die Kritiker in den 20er Jahren, die den Stempel Sudermanns Stiefsohn geprägt hatten, und, ihnen folgend, das Publikum - sah jedoch nicht die grundsätzliche Verschiedenheit, sondern nur die grundsätzliche Gemeinsamkeit. Beide waren Dramatiker und wurden so einer mit dem anderen abwertend verglichen: Lauckners Erfolgskurve war wie die Sudermanns nach raschem und steilem Anstieg bald abgeflacht und hatte keinen mit früheren Erfolgen vergleichbaren Gipfelpunkt mehr erreicht. Bedenkt man, daß diese Kurven - bedingt durch den Altersunterschied - zeitlich verschoben verliefen und daß sie sich an einem Punkt großen Erfolgs von Lauckner und schwindenden Ruhms von Sudermann schnitten, so ergibt sich eine beachtenswerte Perspektive: Es war ja nicht nur Lauckner Sudermanns Stiefsohn - Sudermann war auch Lauckners Stiefvater. Der Ältere, ehemals vom Publikum und vom Erfolg Verwöhnte, erlebte den Ruhm des Jüngeren, als sein eigener schon verblaßte und wird unter der Konkurrenzsituation gelitten haben, die mit Zahlen vom Theater und vom Buchmarkt illustriert werden kann: In den Jahren 1913-1922 wurden von Lauckner sechs, von Sudermann sieben Dramen uraufgeführt, und von beiden wurden jeweils sechs Stücke als Bücher gedruckt. (Es sei daran erinnert, daß Lauck-ners erster Gedichtband wie manches andere seiner Werke bei Cotta, also in Sudermanns Verlag erschienen war.) Gefühle wie Neid und Eifersucht mögen sich in dieser Lage ungewollt und unbeeinflußbar entwickelt haben ..."

Lauckner schrieb vor allem Dramen und Komödien, so 1936 "Der Hakim weiß es", oder schon im Jahr 1917 "Der Sturz des Apostel Paulus", zwei Jahre später von Max Reinhardt für das Deutsche Theater in Berlin inszeniert. Neben Drehbüchern für Filme wie "Der alte und der junge König" mit Emil Jannings und Werner Hinz oder "Krach und Glück um Künnemann" mit Will Dohm unter der Regie von Paul Wegener schrieb Lauckner auch Gedichte, deren Versmaß sich durch besondere Musikalität und einen unverwechselbaren Rhythmus auszeichnen. Er war mit der Malerin Elfriede Thum verheiratet, die unter dem Pseudonym Erich Thum erfolgreich war. Seine Freunde, zu denen Ferdinand Bruckner, Max Pechstein, Erich Heckel und Julius Levin gehörten, schätzten seine lebendige Erzählweise, die er auch im privaten Bereich zum Besten gab. In seinen Theaterstücken aber war es zunächst das einfache Wort, das Unscheinbare, das dann unversehens sich zum dramatischen Höhepunkt steigerte und die Zuhörer in seinen Bann zog. "Das Einfache ist hier das ganz fertige, das rastlos Gefeilte und Vollendete", las man in den "Bühnenblättern des Nationaltheaters Mannheim" über Lauckners dramatische Dichtkunst. Silke Osman

Rolf Lauckner: Erfolgskurve war bald abgeflacht. Foto: Archiv


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