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Preußische Allgemeine Zeitung / 01. Mai 2004
Es war so wunderbar!" schwärmte eine Teilnehmerin zum Schluß der jedes Jahr veranstalteten "Agnes-Miegel-Tage" in Bad Nenndorf und sprach damit vielen aus der Seele. Diesmal war die mit etwa 120 Teilnehmern gut besuchte Tagung etwas Besonderes mit interessanten Beiträgen im Rahmen der Festveranstaltung aus Anlaß des 125. Geburtstags der Dichterin. Höhepunkt war der Festvortrag von Ulf Diederichs mit dem Titel: "Agnes Miegels Beziehung zu ihrem Verleger Eugen Diederichs und zu Lulu von Strauß und Torney". Erst jetzt scheine es möglich, im Überblick über das 20. Jahrhundert Agnes Miegel als Poetin ihrer Zeit und als zeitgebundenen Menschen zu erfassen. Er fühle sich für das zweite Thema zuständig. "Für jeden, der sie kennenlernte, bleibt sie als Mensch tief im Gedächtnis!" sagte er. Er sprach von "Lebensmenschen", von Menschen, die in ihrem Leben für sie wesentlich waren. Und zu Agnes Miegels "Lebensmenschen" gehörten Lulu von Strauß und Torney und später Eugen Diederichs, der Lulu von Strauß und Torney in zweiter Ehe geheiratet hat. Der Verleger Eugen Diederichs war der Großvater des Vortragenden und Lulu von Strauß und Torney seine "Dritte Großmutter". So hat Ulf Diederichs Zugang zu den wohl vollständig erhaltenen Briefen von Agnes Miegel an Lulu von Strauß und Torney seit 1901 bis zu deren Tod 1956 und auch zu anderen Quellen. Er konnte dadurch auf Zeitdokumente zurückgreifen, aus der Zeit des Kaiserreichs, der Weimarer Republik, des Dritten Reichs und der Nachkriegszeit. Diederichs zitierte aus den Briefen Textausschnitte über Freundschaft und Liebe, über die Poesie, über Auflagenzahlen von Agnes Miegels Werken. Er berichtete von schlechten und guten Zeiten und von einem weiteren "Lebensmenschen", Börries von Münchhausen. Er berichtete aus der Zeit von Agnes Miegels Aufenthalt in England, den Jahren in der Heimatstadt Königsberg bis zu ihrem Leben in Bad Nenndorf. Der Diederichs Verlag habe erst wieder nach der "Entbräunung" Bücher von ihr herausbringen können, sowohl neue Beiträge als vor allem auch die "Gesammelten Werke" - damals war sein Vater, Nils Diederichs, der Verleger. Ulf Diederichs sei leider erst posthum zu ihrem Verleger in "dritter Familiengeneration" geworden, und er habe dank der Mithilfe seiner Lektorin Christa Hinze immer neue "kleine Miegeleien" herausbringen dürfen. Ulf Diederichs berichtet aber auch von persönlichen Begegnungen mit "Tante Agnes", die seine Patentante war, zum Beispiel als Kind in Königsberg und zuletzt 1959 in München, als sie den Preis der Bayrischen Akademie der schönen Künste verliehen bekam. "Mich sah sie damals mit dunklen, durchdringenden warmen Augen an: ,Aber Ulf, was trägst Du denn für einen Bart?'" Und den Bart trägt er heute noch. Anschließend kam der Wunsch der Zuhörer auf, daß die Briefe von Agnes Miegel an Lulu von Strauß und Torney durch eine Veröffentlichung der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden sollten. Nach einigen Grußworten wurde dem 89jährigen Komponisten Fried-rich Deckner die Ehrenmitgliedschaft der Agnes-Miegel-Gesellschaft verliehen, Deckner hat mehrere Gedichte und Balladen von Agnes Miegel vertont. Ein Hochgenuß war es dann, in einem abendlichen Konzert Vertonungen von Agnes-Miegel-Liedern zu hören, Vertonungen von Friedrich Deckner, Arnold Ebel und Archimandrit Irenäus Totzke, der ebenfalls anwesend war. Sie wurden vorgetragen von Manuel Stöbel, Saarbrücken (Tenor), und Erik Dreßler, Berlin (Klavier), und fanden ein begeistertes Publikum. Bewundernswert war auch die Gestaltung des ersten Abends: "Agnes-Miegel-Gedichte von uns - für uns". Elf Teilnehmerinnen und ein Teinehmer rezitierten auswendig Gedichte und Balladen, sehr gut vorgetragen und mit vor Begeisterung strahlenden Gesichtern, und man merkte, daß die Gedichte den Vortragenden wichtig sind. Zu Anfang der Tagung hatte Prof. Dr. Acar Sevim, Istanbul, zum Thema "Agnes Miegel und die Deutschen" gesprochen. Es war interessant zu hören, wie ein türkischer Germanist, der einige Jahre in seiner Jugend in Berlin gelebt hat, seine Verehrung für Agnes Miegel beschreibt. Es war erstaunlich, wie viel er über das Schicksal der Vertriebenen weiß, er bemängelte: "Hollywood interessiert sich nicht für das Thema." Und er versuchte Erklärungen zu finden, warum Agnes Miegel "im eigenen Land diskriminiert" ist. Der Vortrag wurde von den Zuhörern kontrovers diskutiert, es wurde das Eingehen aus germanistischer Sicht auf das Werk Agnes Miegels vermißt. Und schließlich ist von der Mitgliederversammlung zu berichten, daß Dr. Marianne Kopp erwartungsgemäß zur ersten Vorsitzenden wiedergewählt wurde, ebenso Dr. Einhart Wehrhahn zum Schriftführer. Jochen Brümmer wurde zum Schatzmeister gewählt - er hatte dieses Amt bereits kommissarisch inne. Ein Grußwort der Königsberger Mitglieder der Agnes-Miegel-Gesellschaft überbrachten die vier Gäste aus der Hauptstadt Ostpreußens. Gemeinsam versammelten sich die Teilnehmer dann an Agnes Miegels Grab, Hannelore Canzler sprach dort Gedenkworte. Wunderbarer Abschluß war dann am Sonntag morgen das offene Singen mit Prof. Eike Funck und einem Instrumentalquartett. S. Piorreck
Ein Höhepunkt der Festveranstaltung: Verleger Ulf Diederichs hielt einen Vortrag. Foto: pio |