Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
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Preußische Allgemeine Zeitung / 01. Mai 2004
Verärgert und unschlüssig steht das Ehepaar am Eingang zur Thalia-Buchhandlung in Hamburg. "Ausverkauft" hatte man ihnen nur knapp geantwortet, als sie Karten für die Lesung der ehemaligen Nachrichtensprecherin Wibke Bruhns haben wollten. Und tatsächlich, der Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Erwartungsvoll blickt das Publikum zum Rednerpult, wo die Autorin Bruhns aus ihrem Buch "Meines Vaters Land - Geschichte einer deutschen Familie" liest. Sachlich kühl ist die Stimme der in den deutschen Feuilletons umjubelten Autorin. Die ehemals überzeugte 68erin versucht in ihrem Buch die Geschichte ihrer Familie zu verstehen. Überraschend einfühlsam rollt sie anhand von Dokumenten, Tagebüchern und Briefen aus der Familie die Entwicklung ihrer Sippe von kaisertreuen Unternehmern zu Hitler-Anhängern auf. Sie will offenbar wirklich verstehen, was ihre Eltern veranlaßte, so lange dem Führer treu zu folgen, und was ihren Vater und ihren Schwager dann dazu bewegte, zu Mitverschwörern beim Attentat vom 20. Juli 1944 zu werden. Es mutet aus heutiger Sicht bizarr an, wenn sie davon berichtet, wie ihr Großvater im Ersten Weltkrieg verwundert feststellt, daß der Krieg nicht edel und rein ist. Während dieser im besetzten Belgien die Müllabfuhr neu regelt, verweilt sein halbwüchsiger Sohn im Osten Deutschlands. Kämpferisch sind dessen Briefe, überzeugt vom Kaiser und von der Redlichkeit des deutschen Kampfes. Nieder mit den Feinden, lautet seine feurige Devise, während er sich bei Bekannten auf deren Gut auskuriert. Einen Krieg später sind seine Verbalattacken gemäßigter. Vor allem seine Ehe macht ihm Sorgen - merkwürdigerweise ist er seiner Frau einmal zu oft fremdgegangen -, aber ansonsten scheint er nicht zu zweifeln an dem, was er als Abwehroffizier im Namen Hitlers tut. Wibke Bruhns, damals Kleinkind, kann sich selbst an nichts mehr erinnern und muß sich vollkommen auf die vorhandenen Dokumente und Aussagen von Familienangehörigen und Zeitzeugen stützen, was zur Folge hat, daß sie viel mutmaßt und auch zu viel aus den Jugendbriefen ihres Vaters zitiert. Dieser war in seiner Sicht der Dinge ziemlich verquer und überheblich. Erklären tut es sein Mitwissen und Schweigen über das geplante Attentat allerdings nicht. Wibke Bruhns' von Verwunderung, Amüsement und auch Entsetzen geprägte Zwischenbemer- kungen zu den Meinungen und Taten ihrer Angehörigen lockern den Text erfreulich auf, zumal der Leser ähnlich auf das Gelesene reagiert. Ihre Schlüsse, die sie aus dem Tun ihrer Vorfahren zieht, sind allerdings nicht wirklich weltbewegend neu. So erkennt sie, daß die Wut auf die ungerechten Versailler Verträge durchaus berechtigt war und die Menschen erst in die Arme Hitlers getrieben hat. Zeitweise ist die Suche der verwaisten Tochter nach dem Menschen, der ihr Vater war, durchaus bewegend. Besonders die Geschehnisse nach der Verhaftung ihres Vaters innerhalb der Familie gehen nahe. Manchmal jedoch ermüdet Bruhns schon durch zu pedantische Zitierfreude, manchmal nerven ihre gar nicht so neuen Feststellungen, und manchmal wäre weniger mehr gewesen. Also: Der Wirbel um Wibke Bruhns' "Meines Vaters Land" erklärt sich nicht aus dem Buch allein. Die ehemalige Nachrichtensprecherin verdankt ihren Bucherfolg auch zu einem gewissen Teil ihrem Prominentenbonus. R. Bellano Wibke Bruhns: "Meines Vaters Land - Geschichte einer deutschen Familie", Econ, München 2004, geb., zahlr. Abb., 386 Seiten, 22 Euro |