Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
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Preußische Allgemeine Zeitung / 08. Mai 2004
Die Politiker haben den Ehrgeiz, dem Staatenbund Europäische Union eine Verfassung zu geben. Zur Zeit streiten sie sich über den Inhalt noch wie die Kesselflicker, aber irgendwann wird ein Vertrag, der den Namen "Verfassung" verdient, zustande gekommen sein. Und was kommt dann? Normale Demokratien legen ihrem Wählervolk Verfassungsentwürfe zur Entscheidung vor. In einer der Stimmabgabe vorausgehenden Debatte wird das Für und Wider erörtert, und schließlich entscheidet der Bürger. Die Zustimmung der Mehrheit des Volkes verleiht der Verfassung die demokratische Legitimität. Deutschland hat seit Bestehen der Bundesrepublik die schlechte Tradition entwickelt, das Volk auch bei wichtigen Entscheidungen nicht zu fragen. Vor einigen Jahren glaubten manche, die restriktive Ausschaltung des Volkes werde sich langsam aufweichen, nachdem mehrere Bundesländer die Möglichkeit von Volksentscheiden und -begehren in ihre Verfassungen aufgenommen hatten. Aber auf der Bundesebene bleiben sich die Parteifürsten einig: Um Gottes willen nicht das Volk an wichtigen Entscheidungen teilhaben lassen! Eine Reihe von EU-Staaten wird ihre Bürger zur Wahlentschei- dung über die Verfassung der Europäischen Union einladen. Selbst in der Bundesregierung, die sonst eisern an dem Privileg der Parteienherrschaft festhält, hat sich eine gewichtige Stimme erhoben, die eine Abstimmung über die EU für möglich erachtet: Finanzminister Hans Eichel hat derartiges in der Christiansen-Runde verlautbart. Sogleich schritt der Bundeskanzler ein und erklärte, das käme auf keinen Fall in Frage. Höchstens die Abgeordneten des Bundestages werden gefragt. Begründet wird die strikte Ablehnung der direkten Demokratie in Deutschland zum einen mit der Größe des Landes, die angeblich große Rechts- und Organisationsprobleme aufwerfe, was eine Volksabstimmung undurchführbar machen würde. Überdies - so die Skeptiker weiter - bestehe die Gefahr, daß Demagogen das Volk in die Irre führen. Daß eine Direktwahl oder eine Direktabstimmung aus technischen Gründen undurchführbar sein soll, ist angesichts der modernen Kommunikationssysteme und der ausgereiften Datentechnik, wie sie heute zur Verfügung stehen, nicht mehr glaubhaft. Und im übrigen: Ausgerechnet bei einer Direktwahl sollen Demagogen das Volk in einem Sinne beeinflussen, welcher den Regierenden unangenehm wäre? Gibt es denn solche Demagogen nicht auch bei den Wahlkämpfen zum Deutschen Bundestag oder zu den Landtagen? Und wird nicht bei solchen Wahlkämpfen der eine oder andere mögliche Demagoge durch eine Vielzahl von Parteien, die ihre Argumente öffentlich zur Sprache bringen, neutralisiert? Nein, der wirkliche Grund dafür, daß die uns beherrschenden Parteicliquen eine direkte Mitwirkung des Volkes ablehnen, dürfte ihre Angst vor dem Volk sein. Die Linken führen ins Feld, das deutsche Volk habe "schon einmal ‚Ausch-witz' gewählt" - eine unglaubliche Infamie, denn niemals hat jemand den Deutschen die Frage vorgelegt, ob sie die Einrichtung von Konzentrationslagern oder gar die Tötung von Angehörigen von Minderheiten billigen würden. Alle Parteiführungen umfassend aber ist die - öffentlich natürlich nicht geäußerte - Ansicht, das Volk sei unmündig und unfähig. Es habe deshalb über komplexe Vorgänge besser nicht zu entscheiden. Dar-aus spricht letztendlich aber nichts anderes als die Arroganz der Macht. Es soll dabei bleiben, daß über wichtige Fragen allein die Politprofis der Parteien entscheiden, und das gilt auch für eine zukünftige Verfassung der Europäischen Union. Dieses Verfahren aber schwächt von vornherein die Legitimität dieses wichtigen Vertragswerkes. Sinnvoll wäre es, wenn das Europäische Parlament die zwingende Vorschrift erließe, überall dort die EU-Verfassung dem Volke zur Abstimmung vorzulegen, wo ein Referendum nach der Verfassung möglich ist. Das ist es in Deutschland, wie Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes festlegt: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen ... ausgeübt." Bisher wurde die Regelung nicht angewandt, weil die politischen Klüngel an der Spitze es nicht wollten. Es wird nun aber wirklich Zeit, diese schlechte deutsche Tradition abzuschaffen. |