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Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Mai 2004
Die SPD befindet sich im Sturzflug. Die von den Genossen verantwortete Regierungspolitik in Berlin beschert der Müntefering-Truppe sinkende Zustimmungs- und Sympathiewerte bei der Bevölkerung. Gleichzeitig steigt die Zahl der Arbeitslosen und Firmenpleiten sowie die Verdrossenheit der Bürger über ebenfalls steigende Zuzahlungen vor allem im Gesundheitsbereich. Rot-Grün muß nun in vielen Feldern genau die Politik machen - Beispiel Rentenkürzungen -, die sie vor 1998 noch als zutiefst unanständig gebrandmarkt hatte. Längst haben sich Schröder & Co. von ehrgeizigen ideologischen Programmen verabschiedet. Mal wollte man die Republik mit Homo-Ehen und neuem Staatsbürgerschaftsrecht umgründen. Dann wieder wollte Hans Eichel den Haushalt sanieren. Dann wieder wollte der Bundeskanzler "deutsche Wege" beschreiten, um in antiamerikanischer Manier mit Franzosen, Russen, Chinesen und anderen Garantiemächten der Menschenrechte zu kuscheln. Nur eins ist klar: Die Bundesregierung hat die Orientierung verloren. Sie weiß nicht mehr, was sie noch tun soll. Die Bevölkerung nimmt dies alles mit zunehmender Frustration wahr. Rentner und Arbeitslose haben Angst vor dem sozialen Abstieg. Die Konzepte von Merz und Merkel klingen in den Ohren der sozial nicht so Betuchten auch nicht gerade wie Schalmeienklänge. Die Forderung nach "Kopfpauschalen" und dem Abbau von Arbeitnehmerrechten und -privilegien, die nicht mehr finanzierbar sein sollen, wärmt nicht das Herz. Eigentlich müßte dies alles eine Steilvorlage für eine neue linke Bewegung sein. Doch was tut sich in diesem Bereich? Oskar Lafontaine schießt ein paar zornige Blitze via Bild-Zeitung ab. Daß er noch einmal in den politischen Ring steigen wird, daran glaubt in diesem Land eigentlich keiner mehr. Nur die Sozialdemokraten lassen sich durch Meldungen, der desertierte Finanzminister könne wieder Blut lecken und gegen Schröder mobil machen, hin und wieder erschrecken. Den Initiatoren irgendwelcher "Initiativen für Arbeit und soziale Gerechtigkeit" ist die Erfolglosigkeit ihres Tuns schon auf den ersten Blick anzusehen. Und auch die PDS kommt nicht auf die Beine, seit Gregor Gysi nicht mehr den allgegenwärtigen Medien-Zampano spielt. Die Kritik der Kirchen an dem Handeln der rot-grünen Regierung ist merklich leiser geworden. Dem Kabinett Kohl warf man oft mit großer Pose und gespielter moralischer Empörung soziale Ungerechtigkeit vor. Die Kritik an Schröder und den Seinen fällt deutlich leiser aus, wahrscheinlich auch deshalb, weil die auf "Staatsknete" angewiesenen kirchlichen Großorganisationen nicht das Wohlwollen der Herren Schröder, Fischer oder Müntefering verlieren wollen, die nicht unbedingt als die treuesten Kirchgänger aufgefallen sind. Die FDP fungiert als oppositioneller Totalausfall. Und auch innerhalb der Union schießt man gern mal ein Eigentor oder grätscht den Mitspielern aus der eigenen Truppe hin und wieder zwischen die Beine. Die Machtfrage ist ungeklärt, das Verhältnis von CDU und CSU gilt als angespannt. Eigentlich ist der jetzige Zustand eine Einladung an eine neue außerparlamentarische Opposition, eigene Konzepte und Politikentwürfe der Öffentlichkeit zu präsentieren. Unterstützung könnte von Deutschlands mittlerweile recht regierungskritischer Presse kommen, insofern sie noch nicht wie die Frankfurter Rundschau per SPD-Machtübernahme gleichgeschaltet worden ist. Eine druckfrische Studie der CDU-nahen "Konrad-Adenauer-Stiftung" (KAS) stellt daher die Frage, ob die globalisierungskritische Organisation "Attac" diese neue nationale und soziale außerparlamentarische Opposition sein könne. Die Pressearbeit der KAS ist bisweilen eine Ka-tastrophe, so daß viele wichtige und nützliche Arbeitsergebnisse der Stiftung der breiten Öffentlichkeit vorenthalten werden. Das Arbeitspapier "Attac - Die neue außerparlamentarische Opposition?", welches Ralf Thomas Baus und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf für die Hauptabteilung Politik und Beratung der Stiftung erstellt haben, hat ein solches Mauerblümchendasein nicht verdient. Deshalb soll an dieser Stelle ausführlich auf die kenntnisreiche und faktengesättigte Studie der beiden Autoren eingegangen werden. Zunächst ein aktuelles Beispiel: Unlängst hielt Attac den sogenannten "Ratschlag" ab. Hierunter versteht man die Bundesversammlung der globalisierungskritischen Organisation. Rund 300 Attac-Mitglieder einigten sich in Essen darauf, den Unions-Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, Horst Köhler, zum Gegenstand einer neuen Kampagne zu machen. Köhler, bis vor kurzem Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), soll als Agent des Neoliberalismus denunziert werden. Außerdem sollen die sogenannten Sozialreformen der Bundesregierung ins Visier genommen werden. Die linksalternative taz zitierte Peter Wahl, Mitglied des Attac-Koordinierungskreises, folgendermaßen: "Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Sozialabbau und Globalisierung. Wir sehen dieses Thema absolut im Kern unseres Profils." Was heißt eigentlich Attac? Die französische Übersetzung lautet: Association pour une Taxation des Transactions Financières pour l'Aide aux Citoyens. Ins Deutsche gewendet könnte man von einer "Vereinigung für eine Besteuerung von Finanztransaktionen zum Wohle der Bürger" sprechen. Baus und von Wilamowitz-Moellendorf liefern in ihrem Papier acht Thesen, die eingangs kurz skizziert werden sollen. 1.) Attac verstehe sich immer mehr als außerparlamentarische Opposition, 2.) der Einfluß linker Kräfte innerhalb des Netzwerkes nehme stetig zu, 3.) auch die Gewerkschaften verfügten über großen Einfluß, 4.) gemäßigte kirchliche Gruppen würden zusehends an den Rand gedrängt, 5.) das Verhältnis zur Gewalt sei weiterhin ungeklärt, 6.) international angelegte Kampagnen von Attac hätten nur in Sonderfällen Aussicht auf Erfolg (Kriege in Afghanistan und im Irak), 7.) die globalisierungskritische Organisation gerate in eine finanzielle Krise und 8.) die Gründung einer linken Protestpartei würde Attac nicht helfen. Ihre Schlußfolgerung lautet: "Zu einer neuen APO, wie sie Ende der 60er Jahre entstanden war, werden sich die Globalisierungskritiker nicht entwickeln; dazu fehlen derzeit die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen." Allerdings sollte einen das letztlich beruhigende Fazit der Studie nicht zur Sorglosigkeit verleiten. Wenn Attac die rot-grüne Festung weiterhin sturmreif schießt, sollte dies das konservativ-bürgerliche Lager nicht schrecken. Es erscheint allerdings gefährlich, wenn die Aktionen von Attac - beispielsweise im unseligen Schulterschluß mit den Gewerkschaften - die mentale Blockade der Deutschen gegenüber Reformen weiterhin verstärken sollten. Eine aktuelle Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag des Magazins Stern ergibt zwar, daß 50 Prozent der Bundesbürger für eine Fortsetzung des "Reformkurses" der Bundesregierung sind und sich für einen weiteren Umbau der Sozialversicherung und des Arbeitsmarktes aussprechen, doch deckt sich das mit der Wirklichkeit? Gibt es nicht sogleich einen Aufschrei der Besitzstandswahrer, wenn die eigenen Pfründe bedroht sind? Gestandene Unternehmer reagieren auf die "Reformdebatten" von Politik und Gesellschaft zunehmend gereizt. Und wenn Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung davon schwadroniert, die Demonstrationen von Attac und Gewerkschaften brächten "ein wenig soziale Vernunft in die Reformagenda" zurück, kontert der Mittelständler Michael Müller: "Wir leisten uns Scheindebatten über Ausbildungsplatzabgaben, verteuern die Energie, verpulvern staatliches Geld für Windkraftwerke, verteufeln zukunftsträchtige Technologien und versuchen, mit pharisäerhaften Patriotismusdebatten den Status quo unseres überteuerten Sozialstaates zu verteidigen. Wir sitzen auf einer tickenden Zeitbombe und verplempern wertvolle Zeit bei der Umsetzung von überfälligen Reformen." Wer liegt näher an der Wahrheit: der innenpolitische Kommentator Heribert Prantl oder der Unternehmer Michael Müller, der neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Geschäftsführer der a & o aftersales & onsite services GmbH in Neuss seiner gesellschaftlichen Verantwortung als Wirtschaftssenator im Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) nachkommt? Ein Grund für die wirtschaftlichen Krisenerscheinungen in Deutschland ist der Mentalitätswandel, der durch die außerparlamentarische Opposition und die 68er angestoßen wurde. Der bereits erwähnte Michael Müller kleidet dies in eine treffsichere Formulierung: "Wer hierzulande an seiner beruflichen Karriere bastelt, gründet keinen Betrieb, sondern geht in den öffentlichen Dienst." Gerade dort tummeln sich viele APO-Opas, die den Weg durch die Institutionen erfolgreich - was ihre eigene Karriere anbelangt - und zum Schaden unseres Landes beschritten haben. Aus diesem Grunde darf man die markigen Worte, die Attac-Sprecher Sascha Kimpel am Rande der 100.000 Menschen zählenden Demonstration gegen die Sozialreformen der rot-grünen Bundesregierung vom 1. November 2003 fand, durchaus als Warnung verstehen: "Wir sind die neue APO." Die Beziehungen zwischen der linken Protestbewegung und der rot-grünen Bundesregierung sind auf einem Tiefpunkt angelangt. Man betrachte nur die Entwicklung der Grünen, für deren politische Repräsentanten Rückgrat ein Fremdwort und nichts so berechenbar ist wie ihre zahlreichen opportunistischen Wendungen, die sie seit 1998 bereits vollzogen haben, um sich weiter aus den Fleischtöpfen der Macht zu nähren. Zwar sind einige Ortgruppen und Kreisverbände von Bündnis 90/Die Grünen Mitglied bei Attac, doch insgesamt ist das Verhältnis nicht spannungsfrei. Aber auch grüne Spitzenpolitiker reagieren pikiert, wenn sie von den selbsternannten Gutmenschen kritisiert werden. So gefiel es manchen grünen Häuptlingen gar nicht, daß Attac zusammen mit den Gewerkschaften im November 2003 rund 100.000 Leute auf die Straßen brachte, um gegen den von der Regierung betriebenen "Sozialabbau" zu demonstrieren. Polemisch und politikunfähig seien die Vertreter von Attac, so die blasse Noch-Grünen-Chefin Angelika Beer. Katrin Göring-Eckardt geißelte die Attac-Vertreter in bester FDP-Manier als "Besitzstandswahrer" und warf ihnen "Sektierertum" vor. Auch die Genossen hat man nicht mehr richtig lieb. Seit einigen Monaten veranstaltet Attac zahlreiche Aktionen gegen die "Agenda 2010". Attac-Gründungsmitglied Sven Giegold koordiniert Kampagnen unter dem Titel "Genug für alle" und "Soziale Zukunft". Forderte man früher insbesondere die Einführung der Tobin-Steuer auf Devisengeschäfte in Höhe von 0,1 Prozent, das "Austrocknen" von "Finanzoasen" wie Liechtenstein sowie eine Reform des angeblich ungerechten Welthandelssystems durch eine "Demokratisierung" von WTO, IWF und Weltbank, so ziehen die Attac-Aktionisten seit dem vergangenen Jahr verstärkt gegen "Sozialabbau" und Privatisierungen der sozialen Sicherungssysteme zu Felde. Die deutsche Organisationszentrale war bis Ende Oktober 2002 das "Ökohaus" in Verden - mit einer Pflanzenkläranlage vor dem Gebäude und angeschlossenem Frauen-, Mütter- und Lesbenzentrum sowie einem Laden für biologische Baustoffe. Seit November 2002 residiert das Bundesbüro in Frankfurt am Main. Die Arbeit wurde professionalisiert, was sich unter anderem darin zeigt, daß viele Tätigkeiten nun nicht mehr ehrenamtlich, sondern hauptamtlich erledigt werden. Mittlerweile steht Attac in Deutschland unter eindeutig linkem bis linksradikalem Einfluß. Der Anspruch gesamtgesellschaftlicher Repräsentanz ist nur eine Schutzbehauptung. Das Verhältnis zur Gewalt bleibt ebenso diffus wie die neue sozialpolitische Stoßrichtung des Programms. Zwar lehnt man Gewalt ab, kooperiert allerdings mit Organisationen, die sich eindeutig zur Gewalt bekennen. Außerdem schwächelt Attac in finanzieller Hinsicht. Zwar bekommt man hin und wieder Zuwendungen von der Heinrich-Böll-Stiftung (steht den Grünen nahe) und der Rosa-Luxemburg-Stiftung (steht der PDS nahe), die hierfür wiederum staatliches Geld verwenden, insgesamt ist es aber um die finanzielle Entwicklung nicht zum besten bestellt. Ralf Thomas Baus und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf erteilen am Schluß ihrer verdienstvollen Untersuchung allen Blütenträumen von einer neuen Linkspartei eine klare Absage: "Die Gründung einer neuen linken Protestpartei - sollte sie zustande kommen - wird Attac nicht helfen. Das anvisierte Wählerpotential von 20 Prozent entbehrt jeder realistischen Grundlage. Eine neue Protestpartei im linken Spektrum würde nur zu einer weiteren Zersplitterung und damit politischen Schwächung des linken Lagers führen. Attac könnte davon jedenfalls nicht profitieren. Zu einer neuen APO, wie sie Ende der 60er Jahre entstanden war, werden sich die Globalisierungskritiker nicht entwickeln; dazu fehlen derzeit die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen." Attac "macht Druck": Ob im Kampf gegen die Globalisierung oder den Irakkrieg, die als links bis linksradikal eingestufte Bewegung weiß Massen zu mobilisieren. Foto: pa |