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Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Mai 2004
Auslöser der Debatte um das Kopftuch war ein ZDF-Interview des Bundespräsidenten. Johannes Rau wollte das Kopftuch auf eine Stufe mit dem christlichen Kreuz stellen: "Wenn das Kopftuch als Glaubensbekenntnis, als missionarische Textilie gilt, dann muß das genauso gelten für die Mönchskutte, für den Kruzifixus ... Die öffentliche Schule muß für jedermann zumutbar sein, ob er Christ, Heide, Agnostiker, Muslim oder Jude ist. Und es darf nicht durch religiöse Symbole, die der Lehrer mit sich trägt, ein gewisser Vorrang oder Vormachtsstellung gesucht werden." Rau wies auf die inzwischen 3,2 Millionen Menschen mit islamischen Wurzeln in Deutschland hin: "Sie leben unter uns und sie sind damit nicht Bürger zweiter Klasse. Und deshalb müssen wir das, was der Islam als Glaubenskraft hat, auch anerkennen." Allem Anschein nach hatte der Bundespräsident die Ringparabel von "Nathan der Weise" vor Augen. Sie wird gern als Musterbeispiel der Toleranz gerühmt. Aber "Weitherzigkeit in Glaubensdingen", "Duldung Andersgläubiger" oder "Geltenlassen fremder Ansichten" erfassen nicht die eigentliche Bedeutung der Toleranz. Schon eher wird die positive Bestimmung der Toleranz als "Ermöglichung und Ausdruck menschlicher Gefährtenschaft" nach einem Wort Jacques Maritains dem in Frage stehenden Phänomen gerecht. Toleranz gibt es nur dort, wo man an einem objektiv erkennbaren Gegenstand zwischen Gut und Böse, Richtig und Falsch festhält. Der, dem alles "eh wurscht" ist, ist kein Anwalt der Toleranz. Denn Toleranz bedeutet keineswegs, die abwegige Meinung eines anderen für annehmbar zu halten. Die Gleichsetzung von muslimischem Kopftuch, Ordenstracht und Kreuz verkennt, daß das Kreuz für unsere Wertordnung von singulärer Bedeutung für Christen wie auch die Welt ist. Es ist "Ausdruck einer Kultur der Versöhnung". Wenn eine muslimische Frau das Kopftuch aus religiösen Gründen tragen will, könnte man dagegen keine Einwände erheben. Aber es wurde vielfach zum politischen Symbol, zum Erkennungszeichen der Fundamentalisten. Bekanntlich ging es um die Frage, ob eine Lehrerin im staatlichen Schuldienst ein Kopftuch tragen dürfe. Inzwischen haben sich sechs Bundesländer für das Kopftuchverbot für Lehrerinnen entschieden. Im baden-württembergischen Gesetz vom 31. März heißt der entscheidende Satz, Lehrkräfte an öffentlichen Schulen dürfen in der Schule "keine politischen, reli-giösen, weltanschaulichen oder ähnli-che äußeren Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören". Die Juristen stimmten überein, daß auch die staatliche Schule das Christentum als prägenden Bildungs- und Kulturfaktor dezidiert vertreten kann, wie es der Landesverfassung gemäß ist. Das Problem des Kopftuchs liege nicht in der religiösen Bedeutung, sondern in der "politischen Konnotation". Dies gelte weder für das Kreuz, das Ordensgewand oder die jüdische Kippa. Der islamische Professor Basam Tibi von der Universität Göttingen schrieb im Focus: "Das Emblem des Islamismus ist das Kopftuch als Instrument und Uniform der zivilisatorischen Abgrenzung." Droht eigentlich wegen des Kopftuchs ein Kulturkampf? Diese Befürchtung äußerte Prof. Besier (TU Dresden). Im sächsischen Schulgesetz, in dem "die christliche Tradition im europäischen Kulturkreis" festgeschrieben wurde, heißt es zum Auftrag der Schule: "Diesen Auftrag erfüllt die Schule, indem sie den Schülern, insbesondere anknüpfend an die christliche Tradition, im europäischen Kulturkreis Werte wie Ehrfurcht vor allem Lebendigen, Nächstenliebe, Frieden und Erhaltung der Umwelt, Heimatliebe, sittliches und politisches Verantwortungsbewußtsein, Gerechtigkeit und Achtung vor der Überzeugung des anderen, berufliches Können, soziales Handeln und freiheitliche demokratische Haltung vermittelt." Zum Kulturkampf muß es nicht kommen: "Ermöglichung und Ausdruck menschlicher Gefährtenschaft" sollte das Leben unserer Gesellschaft bestimmen. |