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22.05.04 / Das blutige Ende des deutschen Dualismus / Im Bruderkrieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Mai 2004


Das blutige Ende des deutschen Dualismus
Im Bruderkrieg von 1866 bricht Preußen Österreichs Widerstand gegen die kleindeutsche Lösung
von Manuel Ruoff

Schleswig-Holstein einschließlich Lauenburg war von Christian IX. im Frieden von Wien an Wilhelm I. und Franz Joseph I. abgetreten worden. Es stellte sich den beiden deutschen Großmächten die Frage, wie mit der Beute aus dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 zu verfahren sei. Bismarck wünschte die Elbherzogtümer für Preußen. Die süddeutsche Großmacht hatte an einer Exklave am anderen Ende Deutschlands kein Interesse. Insofern bot sich ein Verzicht des Habsburgerreiches auf seine Rechte zugunsten des Hohenzollernstaates gegen entsprechende Kompensationen an.

In den Schönbrunner Besprechungen vom 20. bis 24. August 1864 schlug Österreichs Ministerpräsident Johann Bernhard Graf Rechberg seinem preußischen Amtskollegen Otto v. Bismarck die Überlassung der Elbherzogtümer vor, wenn Preußen den Kaiserstaat erfolgreich bei dessen Bemühungen um den Rückerwerb der Lombardei unterstütze. Dieses Projekt scheiterte am preußischen König.

Wenigstens für Lauenburg fand sich eine Lösung auf Kompensationsbasis. In der Gasteiner Konvention vom 14. August 1865 verkaufte der unter chronischem Geldmangel leidende Kaiserstaat - ein Faktor, der seine Niederlage im deutschen Dualismus zumindest förderte - seine Rechte an dem Herzogtum für zweieinhalb Millionen dänische Taler an das norddeutsche Königreich. Für Schleswig und Holstein wurde eine provisorische Verwaltungstrennung beschlossen. "Unbeschadet der Fortdauer der gemeinsamen Rechte beider Mächte an der Gesamtheit der Herzogtümer" übernahm fürs erste Preußen die Verwaltung Schleswigs, während Holstein von Österreich verwaltet wurde. Bismarck erhielt für die Konvention von seinem König den Grafentitel.

Die Gasteiner Konvention änderte jedoch nichts an dem die preußisch-österreichischen Beziehungen belastenden Problem, daß Preußen Schleswig-Holstein wollte und Österreich einer kompensationslosen Überlassung der Herzogtümer deren Eigenständigkeit unter den Augustenburgern vorzog. Von einem eigenständigen Schleswig-Holstein war zu erwarten, daß es vor dem großen Nachbarn Preußen Schutz an der Seite Österreichs suchen würde. Zudem war grundsätzlich jeder zusätzliche deutsche Herrscher ein weiteres Hindernis auf dem Weg zu der von Preußen angestrebten deutschen Einigung, die Österreich als Vielvölkerstaat schon aus Gründen der Staatsräson bekämpfen mußte.

Entsprechend unterschiedlich war die Behandlung der Bewegung der Augustenburger in den beiden Herzogtümern. Während sie in Holstein von Österreich zunehmend gefördert wurde, wurde sie in Schleswig von den Preußen zunehmend bekämpft. Der Streit eskalierte. Am 1. Juni 1866 erklärte Österreich, daß es die Frage der Erbfolge in dem von ihm verwalteten Holstein dem von ihm dominierten Deutschen Bundestag in Frankfurt vorlegen werde. Preußen protestierte dagegen mit dem Hinweis, daß gemäß der Gasteiner Konvention die "gemeinsamen Rechte beider Mächte an der Gesamtheit der Herzogtümer" fortbestünden. Durch Wiens Bruch der Konvention sei die dort festgelegte provisorische Verwaltungsteilung hinfällig geworden. Mit dem Hinweis, daß damit wieder das Kondominium uneingeschränkt gelte, marschierten preußische Truppen in Holstein ein. Auf Österreichs Initiative beschloß daraufhin am 16. Juni 1866 der Bundestag, die Bundesexekution gegen Preußen einzuleiten. In die Geschichtsbücher ging diese Exekution als Deutscher Krieg ein.

Oberflächlich und zu kurz gegriffen wäre es jedoch, wollte man diesen Krieg nur mit dem Zwist um Schleswig-Holstein erklären. Preußens Generalstabschef Helmuth v. Moltke formulierte es wie folgt: "Es war ein im Kabinett als notwendig erkannter, längst beabsichtigter und ruhig vorbereiteter Kampf, nicht für Ländererwerb, Gebietserweiterung oder materiellen Gewinn, sondern für ein ideales Gut - Machtstellung."

Es spricht für die edle nationale Gesinnung des damaligen preußischen Kronprinzen, des späteren deutschen Kaisers und preußischen Königs Friedrich III., daß er den Krieg mit Österreich als Bruderkrieg ablehnte. Dieser den Deutschen viel zu früh entrissene Hoffnungsträger der nationalliberalen Bewegung stand auf der entscheidenden Kronratssitzung vom 28. Februar 1866, als es um Krieg oder Frieden ging, mit seiner grundsätzlichen Ablehnung jedoch allein. Moltke gab in seiner Lagebeurteilung nur zu bedenken, daß ein "aktives Vorgehen Italiens" eine "unerläßliche Bedingung für den Krieg" sei.

Hier bot der Kaiser der Franzosen, Napoleon III., seine guten Dienste an. Aus falsch verstandener Rücksicht auf die deutsch-französische Freundschaft und um Preußen im allgemeinen und Bismarck im besonderen um so aggressiver erscheinen zu lassen, wird in der deutschen Geschichtsschreibung und Publizistik Napoleons kriegstreiberisches Wirken in der Zeit der Einigungskriege gerne untertrieben dargestellt, wenn nicht gar unterschlagen. Obwohl der Deutsch-Dänische Krieg auf einen deutschen Sieg hinauszulaufen schien, hatte sich der Neffe des berühmten Korsen entgegen seiner üblichen Politik in diese Auseinandersetzung nicht eingemischt. Zum einen hatte er nicht Preußen, Österreich und die deutsche Nationalbewegung zeitgleich gegen sich aufbringen wollen. Zum anderen hatte er die Hoffnung gehabt, daß sich die deutschen Sieger über die Beute entzweien würden, eine Hoffnung, die nicht getrogen hatte.

Als der preußisch-österreichische Krieg an einem fehlenden "aktiven Vorgehen Italiens" zu scheitern drohte, vermittelte der Franzosenkaiser mit seinen guten Kontakten zum italienischen Nationalstaat die preußisch-italienische Allianz vom 8. April 1866. Es handelte sich um eine Offensivallianz. Für den Erhalt des österreichischen Venetiens verpflichtete sich Italien, Preußen in einem Krieg gegen Österreich beizustehen, auch wenn der Hohenzollernstaat der Angreifer war. Berlin hatte jedoch nur ein kleines Zeitfenster, denn die Bestimmungen galten nur für ein Vierteljahr. Es mußte also schnell angreifen, wollte es sich der Bundesgenossenschaft Roms sicher sein.

Doch nicht nur Preußen, sondern auch Österreich erleichterte Frankreich die Entscheidung für den Krieg. So sicherte es dem Kaiserstaat am 12. Juni 1866 in einem Geheimvertrag gegen Venetien und Zugeständnisse in Deutschland seine Neutralität für den Falle eines preußisch-österreichischen Krieges zu. In Wien begegnete man der Aussicht auf den Krieg mit einer Mischung aus trotzigem Stolz und Fatalismus. So stellte Franz Joseph am 1. Mai 1866 lakonisch fest, "der Krieg müsse als unvermeidlich betrachtet werden".

Im Deutschen Krieg kommunizierte die ökonomische Überlegenheit Preußens mit der Genialität seines Generalstabschefs für das Königreich auf das vorteilhafteste. Moltkes Leistung bestand nicht zuletzt darin, daß er die in Preußen vorhandenen modernen Errungenschaften der Technik wie Eisenbahn und Telegraphie für Truppentransporte beziehungsweise zur Befehlsübermittlung und damit militärisch nutzte. Bei der Entscheidungsschlacht beim böhmischen Königgrätz vom 3. Juli 1866 brachte der große Schweiger seine Strategie, getrennt zu marschieren und vereint zu schlagen, erfolgreich zur Anwendung. Die technische Überlegenheit des preußischen Zündnadelgewehres, eines Hinterladers mit hoher Schußgeschwindigkeit, gegenüber dem österreichischen Lorenz-Gewehr, einem Vorderlader, trug das Ihrige zum Sieg der preußischen Truppen bei.

Bismarck wußte, daß Napoleon sich als (unehrlicher) Makler, als Zünglein an der Waage auf Kosten Deutschlands ins Spiel bringen wollte. Er bemühte sich daher darum, der schnellen militärischen Entscheidung einen schnellen Friedensschluß folgen zu lassen. Um dieses zu erreichen, annektierte er entweder Preußens Kriegsgegner oder er stellte ihnen maßvolle Forderungen, über die man schnell handelseinig werden konnte. Da sich Preußen seinen Hauptgegner Österreich kaum einverleiben konnte, bot Bismarck diesem - wie auch dessen süddeutschen Verbündeten und Sachsen - einen milden Frieden an. So kam es relativ schnell nach dem Vorfrieden von Nikolsburg vom 26. Juli 1866 am 23. des Folgemonats zum Abschluß des Friedensvertrages von Prag.

Im Prager Frieden brauchte Österreich von seinem Territorium nur Venetien an Italien abzutreten, wie es der preußisch-italienische Allianzvertrag vorsah. Des weiteren mußte Wien die von Berlin verkündete Auflösung des Deutschen Bundes anerkennen und den nördlich des Mains gelegenen Teil Deutschlands mit Ausnahme Sachsens als preußische Interessensphäre anerkennen. Hier verfuhr Berlin in der Regel so, daß es seine Kriegsgegner ebenso wie Schleswig-Holstein annektierte, während es seine Kriegsverbündeten mit dem neu geschaffenen Instrument des Norddeutschen Bundes an sich band.

Napoleon hatte ähnlich wie beim Dreißigjährigen Krieg auf eine länger anhaltende deutsche Selbstzerfleischung gehofft, aus der Frankreich als lachender Dritter hervorgeht. Claude Delafarge, französischer Gesandtschaftssekretär in Wien, hat es mitten im Krieg wie folgt formuliert: "Vielleicht können wir Franzosen auch einige Gebietsansprüche geltend machen bei den Verhandlungen ... Wer weiß, vielleicht haben in Wirklichkeit wir den Krieg gewonnen." Hierzu war es aufgrund der Preußen im allgemeinen sowie des Soldaten Moltke und des Politikers Bismarck im besonderen nicht gekommen. Das schrie nach Rache, "Rache für Sadowa", das französische Synonym für Königgrätz. Vier Jahre später erklärte Frankreich Preußen den Krieg. Manuel Ruoff

Friedensverhandlungen von Nikolsburg: Bismarck (stehend) konnte nicht verhindern, daß mit Botschafter Graf Benedetti (ganz links sitzend) ein französischer Delegierter an den Verhandlungen teilnahm, aber er verhinderte, daß dessen Land als lachender Dritter aus dem deutschen Bruderkrieg hervorging. Foto: Archiv


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