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29.05.04 / Kein Zeitgeistritter

© Preußische Allgemeine Zeitung / 29. Mai 2004


Uwe Greve:
Kein Zeitgeistritter

Was hatten die Medien in den letzten beiden Monaten nicht alles gegen Horst Köhler als Kandidaten von CDU/CSU und FDP für die Bundespräsidentschaft vorgebracht. Er sei ein "stocktrockener Technokrat", "vom Typus her Sparkassendirektor", "ein Weltwirtschaftsbeamter ohne Charisma", ein "Notkandidat, nachdem man sich auf Wolfgang Schäuble nicht einigen konnte".

Am 23. Mai ist er im ersten Wahlgang von der Bundesversammlung gewählt worden. Seine beiden Vorgänger Herzog und Rau brauchten mehrere. Da Köhlers Mitbewerberin Gesine Schwan einige - wahrscheinlich weibliche - Stimmen aus dem CDU/CSU-FDP-Lager auf ihre Seite ziehen konnte, schrieb die Süddeutsche Zeitung: "Gesine Schwan hat gewonnen. Horst Köhler ist neuer Bundespräsident." Und insgesamt konnten die mehrheitlich linksgestrickten Medien in Deutschland ihre Enttäuschung nicht verbergen, daß das "Wunder einer Gesine-Schwan-Wahl" nicht eingetreten ist.

Horst Köhler aber hat jetzt die große Chance, aus diesem in erster Linie repräsentativen Amt mehr zu machen als die meisten seiner Vorgänger. Seine Antrittsrede von nur zwölf Minuten war straff und unmißverständlich. Ein Zeitgeistritter, das wurde deutlich, wird er nicht sein. Im Gegenteil, er versteht sich als Impulsgeber für die Erneuerung Deutschlands. Als "Land der Ideen" stellt er sich die deutsche Rolle in der Welt für die Zukunft vor: "Neugier und Experimentieren", "in allen Lebensbereichen Mut, Kreativität, Lust auf Neues, ohne Altes und Alte auszugrenzen". "Kinder sind Brücken in die Welt von morgen. Wir müssen uns alle anstrengen, eine familien- und kinderfreundliche Gesellschaft zu werden." Um die Zukunft zu gewinnen, dürfe auf die "Erfahrung und Weisheit" der Alten nicht verzichtet werden. Die "unakzeptablen Spaltungstendenzen in der Gesellschaft" müßten beendet, die Bildung verbessert, insgesamt die "Angst überwunden", das "Selbstvertrauen zurückgewonnen" und die "innere Einheit" Deutschlands verwirklicht werden.

Von Außenminister Joschka Fischer war kein Beifall zu sehen, als Köhler formulierte: "Ich habe übrigens ... die Erfahrung gemacht: Patriotismus und Weltoffenheit sind keine Gegensätze, sie bedingen einander. Nur wer sich selbst achtet, achtet auch andere."

Mehr als bemerkenswert auch die persönlichen Teile seiner Antrittsrede: "Nach sechs Jahren im Ausland kehre ich mit einem Gefühl von Freude und Dankbarkeit in meine Heimat zurück. Deutschland hat mir viel gegeben, davon möchte ich etwas zurückgeben. Ich liebe unser Land." Ebenso der Schluß: "Gott segne unser Land."

Von Horst Köhler ist einiges zu erwarten. Er hatte nie enge Verbindungen zu Parteiseil-schaften. Er wird seine im besten Sinne des Wortes konservativen Wurzeln nicht verleugnen, sich aber nicht parteipolitisch instrumentalisieren lassen. Seine Auslandserfahrungen können dazu beitragen, daß Deutschland wieder außenpolitisch Tritt faßt. Seine ganz persönlichen Erfahrungen mit und in den USA können helfen, die "einzige Weltmacht" wieder realistischer und weniger emotional oder gar unterwürfig zu sehen. Wer wie er lange Zeit draußen gelebt hat und nicht zum kosmopolitischen Schwarmgeist wurde, vermag dazu beizutragen, daß die Deutschen endlich wieder ein unverkrampftes Verhältnis zu sich selbst gewinnen. Kurzum: Am 55. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes wurde ein Mann zum Bundespräsidenten gewählt, der ebenso selbstsicher wie diplomatisch dazu beitragen wird, Deutschland aus der selbstverursachten Krise herauszuführen. Eine gute Wahl!

Uwe Greve ist einer der 1.204 Wahlmänner der Bundesversammlung, die am 23. Mai den Bundespräsidenten wählen durften.


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