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29.05.04 / Synthese von Disziplin und Dynamik / Günther Ott besuchte eine sehenswerte Kölner Ausstellung zum Spätwerk des Malers Bernard Schultze

© Preußische Allgemeine Zeitung / 29. Mai 2004


Synthese von Disziplin und Dynamik
Günther Ott besuchte eine sehenswerte Kölner Ausstellung zum Spätwerk des Malers Bernard Schultze

Seit geraumer Zeit finden Kunstausstellungen auch in Arzt- und Rechtsanwaltspraxen, in Geldinstituten, Kirchen, Bibliotheken und Buchhandlungen sowie Volkshochschulen statt. Dadurch werden ganz gewiß neue Besucherkreise erschlossen. Nun widmet bis zum 5. Juni die Deutsche Bank zu Köln, An den Dominikanern 11-27, dem Maler, Zeichner und Grafiker Bernard Schultze (geboren am 31. Mai 1915 in Schneidemühl), der seit 1969 in Köln lebt, eine Ausstellung mit Akzenten auf dessen Spätwerk und Großformaten.

Ein Philosoph bemerkte einmal, das Publikum sei wie eine Uhr, die nachgehe. 1910 malte der Russe Wassily Kandinsky in München sein erstes "abstraktes" Bild; fünf Jahre später wurde Schultze geboren. Er gelangte über das Abstrahieren der Natur zur gegenstandsfreien Malerei, heute allgemein als "Informel" bezeichnet.

Die Exponate in der Kölner Ausstellung sind alle gegenstandsfrei. Rolf Cavael, Schultzes ostpreußischer Kollege, wünschte dafür die Bezeichnung "absolut", um - wie er sagte - das "schreckliche" Wort "abstrakt" zu vermeiden, ginge der Maler bei diesen Kompositionen doch nicht von der Natur aus, abstrahiere die Wirklichkeit also keineswegs. Mancher Bildtitel, der auf die Natur deutet, sollte den Betrachter allerdings nicht irritieren, etwa "Träumende Landschaft", "Unter Wolken", "Blühendes Fleisch". Es könnte sich um Schultzes "künstlerische Freiheit" handeln oder um die Persönlichkeit, die bisweilen auch schriftstellerisch tätig ist. Vielmehr sollte man sich seinen Farb- und Formkompositionen wie der Musik nähern, den Rhythmen und Schwingungen der Formen in der Zeit folgen, Farbkontraste erleben und den großen Bogen von sonoren, dunklen Klängen (in der Komposition von 2002 "An seinen dunklen Ufern") bis zum fröhlichen, bewegten Gemälde aus demselben Jahr "Es blüht und grünt" nachvollziehen. 15 Gemälde der Ausstellung wurden in jüngster Zeit gemalt, eines sogar frisch von der Staffelei in die Deutsche Bank gebracht, und alle strahlen eine Frische und bewunderungswürdige Vitalität und Dynamik des Seniors der deutschen Kunst aus. Nicht zu übersehen: der Künstler feiert in einem Jahr seinen 90. Geburtstag.

In den 60er und 70er Jahren schuf Schultze seine verfremdeten lebensgroßen Schaufensterpuppen, vom Künstler "Migof" benannt. Hierzu Schultze: "Meine zerstörten, wuchernden Mannequins verkörpern die Welt des ,Memento Mori'." Seine jüngsten farbenfrohen, beschwingten Gemälde befinden sich am Gegenpol jener Migofs, erreichen den Betrachter durch ihre Dynamik und symbolisieren das Leben.

In den weiten, großzügig angelegten Räumen der Deutschen Bank kommen auch Schultzes Großformate der 90er Jahre voll zur Geltung. Das größte Bild, ein Triptychon von 1992 hat die Maße 260 x 600 Zentimeter, und alle Arbeiten beweisen, daß der Maler die Fläche beherrscht, über sie Farbflecken in mannigfaltigen Farbvariationen gleiten läßt und die Blicke auch in aperspektivische Tiefen lenkt. Er übertritt den Rahmen nicht, läßt preußische Ordnung walten und setzt sein handwerkliches Können - gegen den Modetrend - ein. Er bewahrt seinen Kompositionen dennoch ihre Spontaneität. "Eine ununterbrochene Metamorphose sollen meine Bilder ausdrücken", bestätigt der Künstler und daß ein Stürzen und Schwanken bis an den äußersten Bildrand ginge. Dieser Synthese von Disziplin und Dynamik begegnet man im Œuvre Bernhard Schultzes; das ist in der heutigen deutschen Kunstszene, die jahrzehntelang von einer unbegrenzten Freiheit - meist aus den USA importiert - überschwemmt wurde, eine Seltenheit.

Nestor des Informel: Der bald 90jährige Bernard Schultze in seinem Atelier Foto: Tamara Voss, Köln


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