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Preußische Allgemeine Zeitung / 05. Juni 2004
Aus der Traum von der ehernen deutsch-französischen Achse? Es ist erst
Monate her, da sinnierten französische Leitmedien offen und detailliert über
die Perspektive eines deutsch-französischen Doppelstaates. Befeuert wurde die
Euphorie vom gemeinsamen Vorgehen und diplomatischen Standhalten beider Mächte
im Irak-Konflikt. Die Zeit der großen Reden und dramatischen Auftritte vor dem
UN-Sicherheitsrat ist vorbei. Mit ihnen scheinen sich auch die Visionen
verflüchtigt zu haben. Schlimmer: Die deutsche Seite hat sogar Grund zu der
Annahme, von Frankreich aufs Kreuz gelegt worden zu sein. Als der viel kleinere Sanofi-Konzern den deutsch-französischen Pharma-Riesen
Aventis (1999 hervorgegangen aus der Hoechst AG und Rhone-Poulenc) schluckte,
schien klar, daß hier der französische Staat wettbewerbsverzerrend
Hilfestellung geleistet hatte. Doch die Verärgerung darüber vermochte
Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac gegenüber Gerhard Schröder mit dem
Übereinkommen zu besänftigen, künftig gemeinsam auf die Schaffung
übernationaler europäischer Champions zu setzen, statt nur nationale
Interessen zu verfolgen. Sollte heißen: Jetzt hat einmal ein französischer
Konzern einen (halb-)deutschen geschluckt, Paris hat aber nichts dagegen, wenn
es bei nächster Gelegenheit andersherum läuft und die Deutschen die Führung
bekommen. Die Überprüfung des Präsidentenworts sollte bald folgen. Der französische
Technologie-Gigant Alstom ist allein kaum noch überlebensfähig. Siemens
meldete Interesse an, bei Alstom einzusteigen. Vor allem Alstoms
Hochgeschwindigkeitszug TGV erregte die Aufmerksamkeit der Münchener, die mit
dem ICE in dieser Technologie zu Hause sind. Just in diesem Moment verhinderte der französische Wirtschafts- und
Finanzminister Nicolas Sarkozy den Einstieg der Deutschen. Ausgerechnet DGB-Chef
Michael Sommer, sonst eher mit harscher Kritik an Siemens aufgefallen, bringt
den deutschen Unmut auf den Punkt: "Es darf keine Gesetzmäßigkeit werden,
daß jedesmal allein Frankreich seine Interessen durchsetzt." Die Regel der
französischen Industriepolitik gegenüber Deutschland scheint zu lauten:
gemeinsame Großkonzerne ja - aber nur, solange Franzosen die Führung haben. Sarkozy ist vom Ehrgeiz getrieben, Chiracs Nachfolger im Präsidentenamt zu
werden. Damit säße ein Mann im Elysée-Palast, für den die Beschwörung der
deutsch-französischen Zusammenarbeit wohlfeiles Gewäsch ist, um die Deutschen
über den Tisch zu ziehen. Vielleicht ist er aber auch nur der Lehrmeister, den
uns die Geschichte schickt, um uns mitzuteilen: Weder nach "Europa" noch in
den "Westen", noch in eine verschwiemelte "Weltgemeinschaft" führt ein
Weg, der die Verteidigung rein nationaler Interessen jemals überflüssig macht.
H. H. Die Deutschen abgewehrt: Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Nicolas
Sarkozy nutzte alle seine Möglichkeiten, um den angeschlagenen französischen
Konzern Alstom vor der drohenden Übernahme durch Siemens zu schützen. Aber
nicht nur Siemens, sondern auch der deutsche Kanzler empfindet Sarkozys
Doppelspiel als nicht akzeptabel, da Frankreich nach der Übernahme von Aventis
durch Sanofi Deutschland Entgegenkommen versprochen hatte. Foto: Reuters |