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05.06.04 / Ein ziemlicher Kompromiß / Hans-Joachim

© Preußische Allgemeine Zeitung / 05. Juni 2004


Ein ziemlicher Kompromiß
Hans-Joachim von Leesen über den Wandel der CDU/CSU-Forderungen hinsichtlich Zuwanderung

Ich setze meine Unterschrift als CSU-Chef nur unter eine Zuwanderungsvereinbarung, wenn mit Haßpredigern wie Kaplan künftig kurzer Prozeß gemacht wird und solche Leute ausgewiesen werden", ließ CSU-Chef Edmund Stoiber anläßlich der blamablen Zwischenfälle um den "Kalifen von Köln" verlauten und versetzte somit alle, die seit der Einigung Schröders mit Union und FDP eine Woche zuvor auf ein Ende der Debatten zum Zuwanderungsgesetz gehofft hatten, in Angst und Schrecken. Doch es ist anzunehmen, daß Stoiber nur leere Drohungen ausstieß, da auch die Union allmählich genug hat. Nach außen hin sieht sie ja auch wie der große Gewinner im Tauziehen zur Zuwanderung aus. Doch inwieweit hat die Union eigentlich ihre Forderungen von 2001 durchgesetzt?

Seit Jahren drängen linke Kräfte darauf, ein Gesetz zu schaffen, das die Zuwanderung von Ausländern in die Bundesrepublik verstärkt. Damit sollen der seit langem geltende Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte unterlaufen und die Asylgründe erweitert werden, um den Weg in eine multikulturelle Gesellschaft zu ebnen. Doch die CDU/CSU hatte sich zunächst grundsätzlich gegenüber solchen gesetzlichen Regelungen verschlossen gezeigt, bis vor fast genau drei Jahren der Bundesvorstand der CDU ein Grundsatzpapier verabschiedete, das den Titel "Zuwanderung steuern, Integration fördern" trug und die Antwort sein sollte auf das Drängen der Linken, ein Zuwanderungsgesetz zu schaffen. Dieses Papier der Christdemokraten stellte die Erhaltung der nationalen Identität der Deutschen in den Vordergrund und verlangte klipp und klar, daß angesichts der sinkenden Geburtenzahlen der Deutschen eine gezielte und von deutscher Seite gesteuerte Zuwanderungspolitik zwar erforderlich sein könne, daß sie aber Hand in Hand mit intensiven Bestrebungen gehen müsse, die hier bereits lebenden und in Zukunft einwandernden Ausländer in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Sie war eine eindeutige Antwort auf die Forderung nach einer multikulturellen Gesellschaft: die linke Schnapsidee wurde abgelehnt.

Jetzt haben sich die Vorsitzenden von CDU und CSU mit dem Bundeskanzler "politisch" geeinigt über ein Zuwanderungsgesetz, das allein durch seine Bezeichnung deutlich macht, daß Zuwanderungsbegrenzung und Integration, wie bisher stets von den Unionsparteien in erster Linie verlangt, keine entscheidende Rolle mehr spielen.

Von den Grundsatzüberlegungen von vor drei Jahren, wie etwa das Grundrecht auf Asyl zu prüfen, Sozialleistungen so zu gestalten, daß sie keine Zuwanderungsanreize begründen, das Nachzugsalter von Kindern deutlich abzusenken und den Flüchtlingsbegriff nicht auszuweiten auf Personen, die etwa aus geschlechtsspezifischen Gründen (Diskriminierung von Frauen, Homosexualität) verfolgt werden - von all dem ist nicht mehr die Rede. Statt dessen übernimmt die Union einen Großteil der linken Forderungen, seien sie damals von der Süssmuth-Kommission aufgestellt, seien sie aus den Reihen der rot-grünen Koalition hervorgegangen.

Die meisten Punkte, über die sich SPD und Christdemokraten einig sind, betreffen die Sicherheitsfrage, die seinerzeit noch keine Rolle spielte. Jetzt schiebt sie sich durch aktuelle Ereignisse derart massiv in den Vordergrund, daß sie die meisten und auch die schwerwiegendsten Probleme einer Einwanderung überdeckt. Jetzt geht es darum, wie man gewaltbereite Ausländer abschieben kann, wie man mit Islamisten umgeht, ob vor Erteilung einer Niederlassungserlaubnis beim Verfassungsschutz angefragt werden darf, ob sich der Ausländer verfassungsfeindlich verhalten hat, was "geistige Brandstifter" sind, ob man eine Warndatei auf nationaler Ebene einrichtet - alles Punkte, die im Moment sicherlich von Belang sind, die aber keine grundlegenden Folgen für die Existenz unseres Volkes nach sich ziehen. Alarmierend ist hingegen das völlige Verschwinden der damals mit Recht von den Unionsparteien für hoch wichtig gehaltenen Forderungen. Da hieß es, erst nach gelungener Integration sollten Ausländer eingebürgert werden können. Davon ist nicht mehr die Rede. Da wurde verlangt, Familienzusammenführungen von Ausländern so zu gestalten, daß nachträglich nach Deutschland geholte Familienangehörige hier noch die Chance haben, Deutsch zu lernen und sich auch ansonsten kulturell zu integrieren - nichts mehr davon in den neuen Vereinbarungen. Schienen sich damals CDU und CSU einig zu sein, daß die Anerkennung von "geschlechtsspezifischer Verfolgung" und Homosexualität unabsehbare Folgen für die deutsche Gesellschaft haben könnten, wird jetzt unter dem Schlagwort "humanitäres Flüchtlingsrecht" verabredet, daß solche Gründe sehr wohl für die Anerkennung des Asyls in Deutschland gelten können. Während damals die CDU forderte, daß eingewanderte Ausländer verpflichtet werden, an Integrationskursen teilzunehmen, wenn sie nicht deutlich negative Folgen erwarten wollen, hat man sich jetzt darauf geeinigt, daß Ausländer in Deutschland keineswegs verpflichtet werden, an solchen Integrationsmaßnahmen teilzunehmen, sondern nur einen Anspruch darauf haben, derartige Kurse angeboten zu bekommen.

Erleichtert werden soll auch die Einwanderung in den Arbeitsmarkt. Die Begründung: In Deutschland fehlen qualifizierte Arbeitskräfte. Man findet sich mit Millionen Arbeitslosen ab und holt die Fachkräfte aus dem Ausland. Daß diese Forderung auf Druck der Wirtschaft erfolgt, liegt auf der Hand. Statt daß sie Hand in Hand mit dem Staat mehr und bessere Fachkräfte ausbildet, gedenkt man die Kosten durch Einwanderung einzusparen. Statt daß Bund und Länder pragmatische Lösungen für das Schulsystem anstreben, die die jungen Menschen befähigen, in der Berufswelt zu bestehen, was den Abschied bedeuten würde von ideologisch verqueren Modellen, die sich nicht bewährt haben, nimmt man schulterzuckend zur Kenntnis, daß ein immer größer werdender Anteil von Jugendlichen nicht mehr ausbildungsfähig ist.

Offenbar macht es auch keinem der führenden Politiker Kopfzerbrechen, daß pro Jahr 100.000 Deutsche, in der Regel gut ausgebildet und qualifiziert, unser Land verlassen aus Gründen, die nicht nur in persönlichen Schicksalen liegen, sondern auch in innovationsfeindlichen Regelungen hier im Lande. Und wenn man sich jetzt geeinigt hat, daß ausländische Studenten nach Abschluß ihres Studiums in Deutschland bleiben können, dann entzieht man damit den Entwick-lungsländern den dort dringend benötigten Führungsnachwuchs.

Nun sind die zwischen Bundeskanzler und CDU/CSU-Führung abgesprochenen Eckwerte vielleicht aber doch noch nicht das letzte Wort gewesen. Man fragt sich, ob es nicht besser wäre, auf dieses Gesetz zu verzichten und abzuwarten, bis CDU/CSU nach der nächsten Bundestagswahl die Regierung stellt, und das dürfte spätestens in zwei Jahren sein.


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