Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
©
Preußische Allgemeine Zeitung / 12. Juni 2004
Der britische Staatsmann Winston Churchill hielt sich für einen klugen Mann mit einem ordentlichen Schuß Weisheit, und deshalb konnte er sagen: "Ein kluger Mann macht nicht alle Fehler selber. Er gibt auch anderen eine Chance." Wenn diese Chancen und Gelegenheiten sich allerdings häufen, wie im Fall des CIA-Chefs Tenet, und die Fehler Folgen haben, dann hat die Karriere des Klugen schnell ein Ende. Man weiß nicht, warum George Tenet zurücktrat, sicher ist nur, daß die "persönlichen Motive", die Tenet emotionsreich vor den Mitarbeitern der CIA und der Presse vorgab, von kaum jemandem als einzige Gründe angesehen werden. Dafür ist der Zeitpunkt des Rücktritts und übrigens auch die Annahme desselben durch den Präsidenten zu wichtig: Kurz vor dem Reigen von internationalen Großtreffen, angefangen in der Normandie, weiter über die G-8-Konferenz auf Sea Island im US-Bundesstaat Georgia bis hin zum US-EU-Treffen in Dublin und dem Nato-Gipfel in Istanbul, ist zumindest wahrscheinlich, daß Bush politisch Ballast abwerfen wollte, um mit den Amtskollegen aus Europa, Japan, Kanada und China befreiter die Zukunft des Vorderen und Mittleren Orients zu besprechen. Tenet wird der ungenannte Sündenbock für die Fehler der Vergangenheit sein, dafür daß man keine Massenvernichtungswaffen im Irak fand, obwohl man dafür geheimdienstlich beschaffte Beweise vorgab; dafür, daß man keine unmittelbare Verbindung zwischen Saddam Hussein und der Al Kaida belegen konnte, obwohl auch dies ein Kriegsgrund war; dafür, daß im Gefängnis Abu Ghraib gefoltert wurde, und zwar auf Geheiß von oben und unter Beobachtung von Geheimdienstleuten; dafür, daß der Krieg gegen den Terrorismus stagniert, die Al Kaida wieder so stark ist wie vor dem 11. September 2001 und jetzt mit Angriffen in Saudi-Arabien die Ölversorgung der Industrienationen bedroht. Es gibt viele Gründe, George Tenets Rücktritt anzunehmen. Der wahrscheinlichste ist der Zeitpunkt - vor dem Gipfelreigen und dem Sommer, das heißt vor der heißen Phase des Wahlkampfs. Sicher ist, die Fehler des CIA-Chefs und seiner Dienste waren zu offenkundig, und ohne ein gewisses Zugeständnis wäre es schwierig geworden, mit den Staatschefs aus Europa über die Neuordnung der Region einschließlich einer neuen UN-Resolution zu reden. Denn das darf man getrost als ein Ziel der Treffen vor dem Sommer annehmen: Bush soll als international führungsstarker Mann in das Bewußtsein vor allem der amerikanischen Wähler gehoben werden. Bei dem ersten Treffen in der luxuriösen Hotelanlage auf Sea Island stand in der Tat die internationale Lage im Vordergrund. Schon lange spielt die Wirtschaft auf den G-8-Treffen nur eine sehr untergeordnete Rolle. Dabei waren diese Treffen ursprünglich, also Mitte der 70er Jahre, von Bundeskanzler Helmut Schmidt und Frankreichs Staatspräsident Valery Giscard d'Estaing als Zusammenkunft der sieben wichtigsten Wirtschaftsnationen konzipiert worden, um die Weltwirtschaft aus der Krise zu holen. Ironie der Geschichte: Die Krise damals hatte mit dem Öl und der Abhängigkeit der größten Industrienationen von diesem Rohstoff zu tun, daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil, diese Krise verschärft sich wieder, und die Staatschefs haben auf Sea Island natürlich auch die Zusammenhänge zwischen Ölpreis, islamistischem Terror und Nahost-Konflikt erörtert. Immerhin, wenn die Gräben der früheren Irakkriegsgegner und Irakkriegsbefürworter zugeschüttet werden, dann ist für die Zukunft der Region und der internationalen Szenerie schon eine Menge erreicht. Denn, wie Henry Kissinger, eine Art Doyen der internationalen Gemeinschaft von Außenpolitikern, dieser Tage in Berlin erklärte: "Kein Land ist stark genug, um für längere Zeit eine Hegemonie aufrechtzuerhalten", und deshalb werde die große Aufgabe der nächsten Jahre sein, "ein internationales System" aufzubauen, das Frieden und Sicherheit garantieren könne. Dafür würde sich, so Kissinger, auch eine Regierung Bush in einer zweiten Amtszeit einsetzen. Die Treffen in der Normandie, in Georgia, Dublin und Istanbul sind der Versuch, die verlorene Partnerschaft und Kooperation wiederzufinden. Die Worte des liberalen Republi-kaners bei seiner Vortragsreise in Deutschland klangen in diesem Sinn wie eine Vorbereitung auf den G-8-Gipfel, so als wollte er im Namen seiner Regierung sagen: Laßt uns zusammen das Problem des Terrorkriegs und des Vorderen Orients angehen. Sonst werden wir zusammen scheitern. Notwendig ist der Austausch allemal. Die Ölpreisschwankungen machen eine Konzentration wie in den 70er Jahren zur dringenden Aufgabe. Als Terrorprämie bezeichnet der Chef der Deutschen BP, Wilhelm Bonse- Geuking, die rund zehn Dollar, die über dem Normalpreis für ein Faß Öl liegen. Den Normalpreis schätzt er auf 30 Dollar. Denn in dieser Terrorprämie steckt die Angst vor einer Verknappung des Lebenssaftes der Industrienationen. Das wissen auch die Förderländer der Opec, und deshalb war zu erwarten, daß die Opec auf ihrer Sitzung in Beirut etwas gegen die imaginäre Verknappung unternehmen würde, schließlich liegt ein überhöhter Ölpreis nur im sehr kurzfristigen Interesse dieser Länder. Mittel- und langfristig ist man an einem stabilen Preis interessiert, der die Industrienationen nicht auf die Idee bringt, intensiv nach Alternativen Ausschau zu halten oder danach zu forschen. Die kurze Frist ist bedient, also kündigte die Opec eine Erhöhung der Ölförderung an. Aber die Wirkung war minimal. Der Preis wird erst dann wieder auf sein Normalmaß sinken, wenn es den Staatschefs der großen Industrienationen gelingt, ein Klima der Sicherheit zu schaffen. Dafür müssen erst einmal Hindernisse aus der jüngsten Vergangenheit aus dem Weg geräumt werden. Der CIA-Chef Tenet war eines. Im Nahen Osten wird sich mancher klammheimlich über den Rücktritt des CIA-Chefs freuen, und man darf gespannt sein, ob der Nachfolger die Region besser kennt oder einzuschätzen in der Lage ist. Denn an Fehleinschätzungen im Vorderen und Mittleren Orient, insbesondere im Irak, mangelte es nicht. Aber es gibt auch gute Nachrichten aus dem Irak. Zum Beispiel die Unterstützung des Schiitenführers al Sistani für die neue Übergangsregierung, ein Faktum, das den Außenminister dieser Regierung bewogen haben mag, bei den Vereinten Nationen auf volle Souveränität für den Irak zu drängen. Oder die in den Medien offenbar als nicht berichtenswert eingeschätzten Erfolge beim Wiederaufbau des Irak. Etwa, daß eine halbe Million Kinder geimpft wurde, daß 1.500 Schulen renoviert wurden, daß 80 Prozent der Kinder wieder in die Schule gehen, daß rund fünf Millionen Menschen zum ersten Mal in ihrem Leben sauberes Trinkwasser haben, daß das Land heute doppelt soviel elektrischen Strom hat wie vor dem Krieg, daß dreimal so viele Krankenhäuser wie vor dem Krieg funktionsfähig sind, daß Kommunalräte gewählt sind und die Verwaltung auf dieser Ebene sich etabliert, daß 60.000 Polizisten in den Straßen patrouillieren und 80.000 irakische Soldaten versuchen, gemeinsam mit amerikanischen für Sicherheit zu sorgen. Natürlich kann man all diese Tatsachen negieren, vor allem da die Zahlen auf Einschätzungen von Amerikanern beruhen. Man kann sich als Journalist aber auch außerhalb von Bagdad davon überzeugen. Nur: Wer geht in die Dörfer? Wie immer die Zahlen aussehen, mit einem sollte man aufhören: den Amerikanern eine rein impe-riale Politik zu unterstellen. Wer mit dieser Einstellung in die Normandie und nach Georgia fuhr, der hätte lieber gleich zu Hause bleiben sollen. |