Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
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Preußische Allgemeine Zeitung / 12. Juni 2004
Im Kreis Heiligenbeil lag das Amt Carben, das 1406 erstmals als prußische Siedlung erwähnt wurde. Unter einem Amt verstand man im 18. Jahrhundert eine ländliche Verwaltungseinheit, die an einen Generalpächter zumeist in jeweils sechsjährigen Pachtfolgen vergeben wurde. Die Pachtzahlungen bildeten einen bedeutenden Teil der Staatseinnahmen Preußens. Der zumeist bürgerliche Amtmann hatte nicht nur die gesamte Verwaltung des Amtsbezirkes unter sich, sondern als Landwirt übte er auch die Aufsicht über die landwirtschaftlichen Arbeiten aus. Er mußte sich darum kümmern, daß die einzelnen Bauernhöfe in den Dörfern in gutem Zustand blieben und die Äcker in guter Kultur standen. Neue Wirtschaftsmethoden hatte er einzuführen. Die Verpachtungsunterlagen, in denen die Geschichte nicht nur Carbens, sondern auch all der zum Amt gehörenden Dörfer und Bauernhöfe aufgezeichnet wurde, liegen heute im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz zu Berlin. Von besonderer Bedeutung für Carben wurde die Familie Siegfried. 1760 heiratete die Tochter des Amtmanns Gottlieb Lenderich, Marie Louise, den Gottfried Daniel Siegfried (1738-1799), der aus einer alten Heiligenbeiler Pfarrersfamilie stammte. Nach dem Tod des Schwiegervaters noch im selben Jahr 1760 wurde nun Gottfried Daniel Siegfried Amtmann und Pächter von Carben. Auch für die kommenden Pachtperioden wurde sein Vertrag stets verlängert, und alsbald stieg er zum Amtsrat auf. 1766 errichtete er ein neues Amtshaus. 1799 wurde der Sohn Ferdinand Siegfried (1777-1846) Nachfolger seines Vaters als Generalpächter und Amtmann zu Carben. In seine Zeit fiel zu Beginn des neuen Jahrhunderts die Scharwerksaufhebung, das heißt die Aufhebung der Hand- und Spanndienste der dem Amt unterstehenden Bauern. In diesen Jahren wandelte sich die Bewirtschaftung der Ländereien ganz erheblich. Da, wo die Bauern mit ihren Diensten wegfielen, mußten nun Arbeiter auf den Gütern angestellt werden. Damals bildete sich die noch bis 1945 vorhandene Schicht der Gutsarbeiter (Deputanten, Instleute). Auch auf Carben wurden damals die ersten Arbeiterhäuser errichtet und Arbeiterfamilien angesiedelt. Durch die hohen Kontributionen, die Preußen an Napoleon zu zahlen hatte, sah sich der Staat gezwungen, zahlreiche seiner Domänen zu veräußern. 1811 konnte Ferdinand Siegfried Carben für 24.100 Reichs- taler erwerben. Hatte er sich schon zuvor als moderner Landwirt bewährt, so steigerte er nun den Gewinn seines Rittergutes Carben so erheblich, daß er alsbald für seine Söhne bedeutende Güter, so Skandlack und Jäglack im Kreis Rastenburg, kaufen konnte. 1846, nach Ferdinand Siegfrieds Tod, übernahm der Sohn Oskar Ferdinand Siegfried Carben. Auch Oskar Ferdinand Siegfried galt als tüchtiger Landwirt. Er baute das neue Carbener Herrenhaus, das zu den schönsten Häusern dieser Zeit in Ostpreußen zählte, zwischen 1860 und 1862 im Stil klassizistischer italienischer Villen. Bedenkt man, daß auf den benachbarten Gütern nur kleinere Gutshäuser standen und auch in den umliegenden Dörfern außer den Kirchen kein vergleichbarer größerer Bau vorhanden war, so kann man erahnen, welches Aufsehen dieser neuartige, moderne Bau mit Turm damals erregt haben muß. In diesem Gutshaus drückte sich bürgerliches Selbstbewußtsein aus. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde der Garten durch den in Ostpreußen bekannten Gartenarchitekten Johann Laraß zu einem bedeutenden Landschaftspark vergrößert. Beim Tod des Vaters 1902 übernahm der Sohn Dr. Erich Siegfried Carben. Wie seine Vorfahren sorgte er sich nicht allein um den eigenen Besitz, sondern widmete sich auch ehrenamtlichen Arbeiten. 1910 wurde er kommissarischer und 1911 ernannter Landrat des Kreises Heiligenbeil, ein Amt, das er bis 1919 innehatte. 1913 wurde Dr. Erich Siegfried in den preußischen Adelsstand erhoben. 1930 wurde die Schreibweise in "Karben" geändert. Als Erich von Siegfried 1935 starb, ging der Besitz an die Erbengemeinschaft der Familie von Siegfried. Zur Zeit der sowjetischen Verwaltung wurde das Gut Karben bis auf einige aus Feldsteinen erbaute Ställe vollständig abgetragen. Das schöne Gutshaus soll Anfang der 50er Jahre gesprengt worden sein. Menschen leben hier keine mehr. Das Land ist nur noch Steppe, der Park verwildert. Carben zeigt den glänzenden Aufstieg einer bürgerlichen Familie im preußischen Staat, vom Amtmann und Pächter zum Rittergutsbesitzer und Landrat. Die Erhebung in den Adelsstand, mit welcher der Familie Siegfried für ihre über 150jährigen Dienste in Staat und Gesellschaft gedankt wurde, bildete den krönenden Abschluß. Wulf Wagner
Gartenseite: Das Carbener Herrenhaus im Kreis Heiligenbeil Foto: Wagner |