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Preußische Allgemeine Zeitung / 19. Juni 2004
Was die Elefantendame "Jenny" einst im Königsberger Tiergarten war, das sollte Jahrzehnte später die Walroßdame "Antje" in Hagenbecks Tierpark sein - eine beliebte Attraktion für jung und alt. Als "Antje", die inzwischen sogar zum Erkennungszeichen des NDR avanciert war, in gesegnetem Alter starb, waren nicht nur Kinder betrübt. Mittlerweile lebt sie weiter - allerdings als Zeichentrickfigur aus der Feder von Janosch, dem "Vater" der Tigerente. Vor vielen Jahrzehnten hat ein anderer Künstler ebenfalls ein Walroß aus dem Hamburger Tierpark verewigt: Lovis Corinth hielt 1911 das Walroß "Pallas" mit dem Direktor des Unternehmens, Carl Hagenbeck, auf der Leinwand fest. Corinth hatte "Pallas" gewählt, um die große Tierliebe des alten Herrn zu verdeutlichen. Heinrich Hagenbeck, Sohn des Tierparkdirektors und späterer Nachfolger, schrieb an Charlotte Berend-Corinth: "... neben seinen äußerlichen Absonderlichkeiten hatte ,Pallas' ein Verdienst, nämlich ein weltbekanntes Tier zu sein, nach dem noch heute die Besucher des Tierparks aus aller Herren Länder fragen wie nach einem guten Freunde, denn es war ein ebenso intelligentes wie liebenswürdiges Geschöpf, das dickhäutige, sackwanstige Walroß mit dem borstigen Schnauzbart und dem gutmütigen Blick." - Das riesige Gemälde - es mißt immerhin 2 Meter x 2,71 Meter - entstand direkt im Tierpark und wurde von Corinth wahrscheinlich im Stehen gemalt, eine sehr anstrengende Tätigkeit, wie sein Sohn Thomas einmal vermutete. "Das Viech macht alle möglichen Stellungen viel complizierter wie meine einfache auf dem Bilde", stöhnte der Meister in einem Brief an seine Frau Charlotte. Heute befindet sich das Werk mit anderen Corinths in der Hamburger Kunsthalle. Alfred Lichtwark, der Direktor des Hauses, hatte Corinth wie auch Max Liebermann beauftragt, für die Kunsthalle zu arbeiten und je eine Landschaft und ein Figurenbild zu malen. Das Thema Hagenbeck aber brachte Corinth selbst auf den Plan. "Das denke ich mir nun geradezu großartig: den alten Hagenbeck mit zahmen Viechern und Neger oder sonstigen schwarzen Leuten." - Diese waren berühmt geworden durch Hagenbecks Völkerschauen, die dem Publikum "authentische" Szenen aus dem Leben von Menschen fremder Kulturen zeigten. Nach ersten Schwierigkeiten (Hagenbeck war krank geworden) gestaltete sich die Arbeit an dem Bild als sehr fruchtbar. "Ich möchte mitteilen, daß ich mitten im besten Arbeiten mit dem Bilde des Herrn Commercienrat Hagenbeck bin", schrieb Corinth im Oktober 1911 an Alfred Lichtwark. "Da der Herbst da ist, und wegen des Wetters keine rechte Sicherheit, so gilt es schnell und bestimmt zu malen. Das ist mir so das liebste Schaffen, und ich hoffe, daß Ihnen das Bild dieselbe Freude gewähren wird wie mir das Arbeiten daran ... Herr Hagenbeck sitzt sehr gut und bewundert das schnelle Zustandekommen des Bildes. Alle möglichen Bequemlichkeiten läßt er mir angedeihen ..." Carl Hagenbeck (1844-1913) war bereits zu Lebzeiten zu einem Mythos geworden. Seine neue Art, "wilde" Tiere zu präsentieren, setzte Maßstäbe, und so wurde "Hagenbeck" bald zum Vorbild für andere Zoologische Gärten. 1907 eröffnete er in Hamburg-Stellingen seinen Park, in dem Tiere möglichst ohne Gitter in einer naturähnlichen Umgebung bestaunt werden konnten. Ein Konzept, das bis heute Anerkennung findet. Bis heute befindet sich der Tierpark auch in privater Hand und wird von Familienmitgliedern geleitet. Mehr Informationen über diese Hamburger Familie findet man in der jetzt mit Band 2 herausgekommenen Hamburgischen Biografie (Christians Verlag, Hamburg, Hrsg. Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke, 480 Seiten, zahlr. sw Abb., 36 Euro). Vom Hamburger Original Aalweber, der im 19. Jahrhundert seine Fische in Kneipen aus einem Bauchladen anbot und nicht zuletzt durch seine rote Weste und den weißen Zylinder auffiel, bis zu Alex-ander Zinn, Schriftsteller und Journalist, der einem noch heute geschätzten Journalisten-Preis den Namen gab, reicht die bunte Palette der Gewürdigten. Alfred Lichtwark ist dabei, dem in der Reihe "Hamburger Köpfe" ebenso wie seinem Kollegen vom Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, Justus Brinkmann, eine eigene Publikation vom Ellert & Richter Verlag gewidmet wurde (jeweils 14,90 Euro), aber auch Johann Georg Halske, der mit Werner von Siemens 1847 die "Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske" gründete und der sich ebenfalls maßgeblich für den Auf- und Ausbau des Berliner Kunstgewerbemuseums einsetzte. Der Maler Phi-lipp Otto Runge, obwohl in Pommern geboren, wurde gleichermaßen in die Biographie aufgenommen, hat er doch lange Jahre in Hamburg gelebt und gearbeitet. Ein stattlicher Teil seines Werks befindet sich heute in der Hamburger Kunsthalle, nicht zuletzt durch den Einsatz Alfred Lichtwarks. Hans Leip, der Schöpfer des unsterblichen Liedes "Lili Marleen", ist zu finden, aber auch Klaus Mann, der Sohn des großen Thomas Mann. Klaus verbrachte nur wenige Wochen in der Hansestadt; in dieser Zeit jedoch lernte er Gustaf Gründgens kennen, eine Begegnung, die er später in seinem sicher erfolgreichsten, aber dennoch umstrittensten Roman "Mephisto" verarbeitete. Gründgens selbst war in Hamburg umjubelter Theatermann, nicht zu vergessen seine Interpretation des "Mephisto" in Goethes "Faust". Der Generalintendant und künstlerische Leiter des Deutschen Schauspielhauses verstand sich stets mehr als "Bühnenarbeiter" denn als "Bühnenstar". "Ein verständliches Theater des Genusses sollte der Zuschauer erleben", so Astrid Froese in ihrem Beitrag zur Hamburgischen Biografie, "nicht eines, das den Alltag abbildete, und schon gar kein absurdes Theater." Eher der leichteren Muse verpflichtet fühlten sich Hamburger wie Helga Feddersen, vielen noch durch ihre Fernsehauftritte als "Ulknudel" in Erinnerung. Die Schauspielerin nutzte ihr ungewöhnliches Aussehen, das durch eine Operation an der Ohrspeicheldrüse und durch eine Gesichtslähmung entstanden war, als Markenzeichen. Daß sie auch die leiseren Töne beherrschte, daran erinnert der Beitrag in der Hamburgischen Biografie. Gleichermaßen zum Lachen brachte der in Stralsund geborene Henry Vahl sein Publikum. Als Star des Ohnsorg-Theaters (seit 1958) und oft Bühnenpartner von Heidi Kabel wurde der alte Herr umjubelt. Daß er bei Max Rheinhardt in Berlin gespielt und ein festes Engagement bei Heinz Hilpert am Deutschen Theater hatte - wer wußte das schon? Natürlich ist auch der Gründer der Niederdeutschen Bühne (1920) in Hamburg nicht vergessen: Richard Ohnsorg, Dr. phil., Schauspieler, Bibliothekar, Regisseur. - Es gibt viel zu entdecken in solch einer Biographie, die nicht nur Hanseaten von der Elbe interessieren dürfte, zeigt sie doch die bunte Vielfalt des kulturellen und wirtschaftlichen Lebens. Lovis Corinth: Blick auf die Landungsbrücken in Hamburg (Öl, 1911) Lovis Corinth: Porträt Carl Hagenbeck mit dem Walroß Pallas (Öl, 1911) |