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26.06.04 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. Juni 2004


Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied und Familienfreunde,

es ist schon so, daß ich für manchen Wunsch Stunden brauche, um überhaupt auf den Kern der Frage zu stoßen. Noch schwieriger ist dann die Formulierung für die Veröffentlichung, denn sie muß ja in den vorgegebenen Rahmen unserer Familienkolumne passen. Der ist heute zum Glück nicht sehr eng gefaßt, und deshalb kann ich auf jene Suchwünsche eingehen, die schon etwas länger warten, weil sie eben viel Platz benötigen. Wie der von Jutta Schäfer aus Köln. Ihr Schreiben ist von fast romanhaften Eindrücken geprägt, die beweisen, daß die heute 64jährige noch eine Fülle von Erlebnissen aus Kindheit und Jugend nicht verarbeitet hat, ja, daß viele Fragen bisher kaum gestellt wurden und damit unbeantwortet blieben. Auch ich kann mich nur auf verschiedene Punkte konzentrieren, hoffe aber, daß ich die wesentlichsten erfaßt habe.

Jutta Schäfer wurde als Tochter des Viehverteilers Oskar Blank und seiner Ehefrau Olga, geborene Basener, am 20. September 1939 in Noßberg, Kreis Heilsberg geboren. Der Vater, * 1907 in Noßberg, gelernter Fleischer, fiel als Obergefreiter 1942 in Ihlefeld bei Plomeur in Frankreich. Mutter Olga wurde beim Russeneinfall 1945 verschleppt. Die fünfjährige Jutta war Augen- und Ohrenzeuge. Laut Mitteilung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) vor vier Jahren verstarb Olga Blank am 17. Mai 1945 in der damaligen UdSSR. Weitere Auskünfte konnten nicht gegeben werden. Mit Sicherheit ist Olga Blank in einem Lager an Thyphus gestorben, denn diese Nachricht brachten zwei Frauen und ein Mann, die 1945 nach Noßberg kamen. Später im Westen sollen sie diese Angaben in "todkrank" geändert haben. Deshalb erhielt das Kind nur Halbwaisenrente. Jutta wurde von ihrer Tante, Schwester der Mutter, aufgenommen. Nach Flucht und Vertreibung kam das Kind mit dieser Familie nach Westfalen, seit 1960 lebt Frau Schäfer, die 1966 geheiratet hat, in Köln. Ihre drei Kinder wollen wie sie wissen, ob es noch Verwandte aus der väterlichen Linie gibt, über die von seiten der Verwandten der Mutter kaum gesprochen wurde.

Vor 30 Jahren hat Jutta Schäfer ihre damalige Suche aus familiären und beruflichen Gründen abbrechen müssen. Jetzt wurden durch ein traumatisches Erlebnis die Schreckensbilder von damals wieder lebendig, der Vorhang des Vergessenwollens zerriß. Jutta sah sich als Fünfjährige, und plötzlich stand auch der Vater wieder vor ihr, dieser fröhliche Geschichtenerzähler, mit dem sie immer drohte, wenn sie sich bedrängt fühlte. "Ich war ein Papakind!" sagt sie heute. Jutta war das älteste von drei Mädchen, die nachgeborenen Schwestern verstarben im Babyalter. Ihr Vater hatte nur einen Bruder, Alfred Blank, seit 1945 vermißt, kinderlos. Wenn Frau Schäfer nun auf Verwandtensuche geht, muß es sich um Nachkommen der Geschwister ihrer Noßberger Großeltern Carl Blank, * 1867 in Stabunken, und Berta Blank, geborene Gerigk, * 1878 in Noßberg, † 1945 nach dem Russeneinfall, handeln. Es waren kinderreiche Familien: Carl Blank, Sohn eines Köllmers aus Stabunken, hatte neun Geschwister. Großmutter Berta Gerigk stammte aus Queetz, sie war das vierte von 14 Kindern, von denen neun überlebten! Jutta Schäfer erinnert sich, daß es in Noßberg viele Verwandtenbesuche gegeben hat. Es muß noch Nachkommen dieser alten ermländischen Familien geben, denn etwa 1950 hat eine Frau aus der Heimat Juttas Tante besucht und zu dem Kind gesagt: "Da und da wohnen Verwandte von dir!" Die Tante lehnte aber jede Verbindung zur Familie ihres Schwagers ab. Wenn jetzt vielleicht doch noch eine zustande käme, wäre das für Jutta Schäfer mehr als ein Wunder und, wie sie schreibt: "Ein Schatten bekäme ein Gesicht!" (Kontaktaufnahme erwünscht über H. und J. Schäfer, Rothehausstraße 15 in 50823 Köln, Telefon 02 21 / 5 62 50 93.)

Zu einem der schwierigsten Suchwünsche, die je an uns gestellt wurden, gehört der von Monika Ehrentraut aus Idstein. Die ersten Informationen, die sie mir zusandte, bestanden fast nur aus Fragezeichen, so daß ich nachfassen mußte und jetzt Unterlagen habe, die eine verständliche Formulierung ermöglichen. Seit langem hat Frau Ehrentraut versucht, den Hintergrund ihrer 1948 vollzogenen Adoption zu durchleuchten, aber bis 1995 wurde ihr durch verschiedene Behör- den und das DRK bestätigt, daß sie ein nicht identifizierbares Flüchtlingskind aus dem Osten sei. Da sie nicht daran geglaubt hatte, stellte sie eigene Recherchen an und fand tatsächlich drei Geschwister. Die DNA-Analyse läßt offen, ob sie als Kinder einer Mutter von zwei verschiedenen Vätern abstammen könnten. Jetzt kann Monika Ehrentraut nachweisen, daß es sich um fünf Geschwister - vier Mädchen und einen Jungen - handelt, die zwischen 1938 und August 1944 geboren wurden. Ich lasse nun Frau Ehrentraut berichten:

"Am 15. Februar 1945 überlebten wir in Cottbus in einem Hotel (Berliner oder Hamburger Hof) nahe dem Bahnhof einen Bombenangriff. Die beiden uns begleitenden Frauen starben, wir Kinder wurden verletzt und kamen in das Ersatzkrankenhaus oder gleich in Pflegestellen. Vermittlerin war ein junge Cottbusserin, Ehefrau eines Artilleristen aus Celle, die mich als jüngstes Kind schon vor dem Tod einer der Frauen, die an Typhus erkrankt war, betreut hatte. Sie sorgte sich auch um den sehr umfangreichen Privatbesitz unserer Familie. Mit dem Einmarsch der Russen erhielten wir neue Namen und Altersangaben und verschwanden als angebliche Einzelkinder in neuen Pflegestellen. Ebenso verschwanden alle Dokumente und der gesamte Besitz. In den Suchanzeigen der SBZ erschienen wir 1947, obwohl vier von uns bis 1948 nirgends registriert waren, unter den neuen Namen und mit falschen Daten."

Die umfangreichen Nachforschungen führten nun zu folgendem Ergebnis: Die fünf Kinder stammen aus einer wohlhabenden Großfamilie mit Grundbesitz und Herrenhaus oder Schloß im deutschen Osten. In der Familie muß der Vorname "Reginald" - oder "Regine" - traditionell gewesen sein. Es bestand eine enge Verbindung zu einem englischsprachigen Land, möglicherweise war der Vater mit einer Engländerin/Irin/Amerikanerin verheiratet. Im Herbst 1945 haben die Russen eine Frau verhaftet und sie 1949 in Sachsenhausen sterben lassen, die englisch sprach und nach Personen suchte, darunter einen "Reginald". Sie war eine Irin mit Vornamen Mary Claudelle, 1913 in der Nähe von Dublin geboren. Nun unsere Fragen: Wer kannte eine Familie, auf die solche Angaben zutreffen könnten? Wer flüchtete Ende 1945 über Cottbus, hatte Kontakt zu anderen Vertriebenen und erinnert sich daran, daß Flüchtlinge in Hotels untergebracht wurden? Wer war ebenfalls in den Nachkriegsjahren in Sachsenhausen und erinnert sich an die Irin? Jeder noch so kleine Hinweis wäre wichtig für Monika Ehrentraut, deren Beschwerde wegen Amtsmißbrauchs beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorliegt - allerdings ohne Rechtsbeistand, denn kein Anwalt wollte bisher diese sehr komplizierte Angelegenheit übernehmen. (Monika Ehrentraut, Friedensstraße 18 in 65510 Idstein, Telefon/Fax 0 61 26 / 5 49 47.)

So, das wären unsere dicksten Brocken! Die nächsten Suchwünsche sind zwar nicht minder wichtig für die Betreffenden, können aber kürzer formuliert werden. Und wieder handelt es sich um Pflegekinder, die Angehörige der Familie ihrer leiblichen Eltern suchen oder über diese Auskunft geben können. Walter Plauschinat wurde 1939 wie sein drei Jahre jüngerer Bruder Gerhard in Schwarpen, Kreis Schloßberg geboren. Ihre Mutter Frieda Plauschinat, geborene Torrau, verstarb bereits 1942. Seit jenem Jahr wird der Vater Wilhelm Plauschinat in Rußland vermißt. Er soll Metallarbeiter in Schloßberg (Pillkallen) gewesen sein. Beim Russeneinfall flüchtete der Großvater August Torrau, * 1870 in Warupönen (?), mit seinen kleinen Enkelsöhnen und der älteren Enkeltochter Emma Luise Torrau nach Bautzen in Sachsen. Aufgrund seines Alters wurden dem 75jährigen die Kinder weggenommen. Diese kamen zu verschiedenen Pflegeeltern in Neukirch. August Torrau verstarb 1945 ganz in der Nähe seiner Enkelkinder, ohne daß diese von seinem Tod erfuhren! Die Jungen haben nie Kontakt zu Verwandten gehabt, der zu Luise brach durch die verschiedenen Pflegestellen ab. Vom vermißten Vater ist nicht bekannt, wann und wo er geboren wurde. Vielleicht bringt jemand aus Schwarpen ein wenig Licht in das Dunkel? (Zuschriften an Familie Bodo Pörschke, Medewitzer Straße 15 in 01877 Demitz-Thumitz, Telefon 0 35 94 / 70 25 11.)

Eure Ruth Geede


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