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03.07.04 / Die schönen Berge Mährens / Eine Reisereportage

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Juli 2004


Die schönen Berge Mährens
Eine Reisereportage von Schlesien nach Mähren
von Rüdiger Goldmann

Unser Ziel ist das Deutsch-Tschechische Begegnungs- zentrum in Mährisch Schönberg. Wir kommen aus Bad Reinerz im Glatzer Land, überfahren kurz hinter Mittelwalde die schlesische Grenze - ohne Kontrolle. Es ist der erste spürbare Vorteil des Beitritts zur Europäischen Union. Das kleine Städtchen an der Grenze, in dem das Schloß der Familie von Althann in beklagenswertem Zustand dahindämmert, lassen wir hinter uns. Auch den Wallfahrtsort Grulich mit seiner hochgelegenen Klosteranlage lassen wir wegen einer plötzlichen Straßensperrung links liegen, der Muttergottesberg grüßt aus der Ferne.

Wir kommen uns wie Pioniere vor, die in unbekannte Welten eintauchen, dabei waren schon viele vor uns hier, nur nimmt kaum ein Europäer Notiz von diesen alten deutschen Landschaften des Sudetenlandes und Mährens.

Die Stadt Mährisch Schönberg ist sichtbar im Aufbruch, neue Industrie- und Handelszentren, reger Verkehr, in der Innenstadt Fußgängerzonen und belebte Gassen. Das Begegnungs-zentrum ist im Geschaderhaus untergebracht, das aus dem 16. Jahrhundert stammt und im 18. Jahrhundert von dem Garnhändler Geschader barock umgebaut wurde. Vor seiner Renovierung nach dem Zusammenbruch des tschechoslo- wakischen Kommunismus befand es sich in "katastrophalem baulichen Zustand", so sein gegenwärtiger Leiter Walter Sitte. In einer trotz mancher Probleme und Querschüsse erfolgreichen Gemeinschaftsaktion tschechischer und sudetendeutscher Partner konnte es bis 1995 wiederhergestellt werden. Mit Stolz nennt es Walter Sitte, der zugleich Landesvorsitzender des Verbandes der Deutschen Nordmähren-Adlergebirge ist, das schönste und größte Begegnungszentrum in der heutigen Tschechischen Republik. Der Verband hat das Nutzungsrecht im Erdgeschoß, die Stadt im Obergeschoß, in dem auch der Partnerstadt von Mährisch Schönberg, Bad Hersfeld, ein Raum zur Verfügung steht. Obwohl dem Verband der Deutschen die mietfreie Nutzung eingeräumt wurde, machen die laufenden Kosten Sorge, da die Mitglieder häufig schon im Rentenalter sind und sich die früheren finanziellen Diskriminierungen des Benesch-Staates immer noch bemerkbar machen, erhielten doch die Deutschen jahrelang niedrigere Löhne und bisher ihren enteigneten Besitz noch nicht zurück.

Sorge bereitet der deutschen Minderheit, die bis 1945 hier die große Mehrheit stellte, auch die offizielle tschechische Politik, die in weiten Teilen immer noch gegen Deutsche gerichtet ist und das Unrecht der Vertreibung nicht zur Kenntnis nehmen will, geschweige zu einer Wiedergutmachung bereit ist. Der Verband hält deshalb die Aufklärung über die Zeit der Vertreibungen und Enteignungen für eine absolute Notwendigkeit. Allerdings ist auch eine Abkehr mancher tschechischer Kreise von der bisher von den Parteien wie der liberal-konservativen Bürgerpartei ODS, den Sozialdemokraten und den Kommunisten verfolgten Linie festzustellen.

Die Stadt Mährisch Schönberg hatte um 1900 97 Prozent deutsche und nur drei Prozent tschechische Bevölkerung. Schon 1930 (nach der Gründung der selbständigen Tschechoslowakei) hatte sich das Nationalitätenverhältnis stark verändert: 11.585 Deutschen standen 3.434 tschechische Einwohner gegenüber. Durch die 1945-1947 erfolgte Vertreibung sank die Zahl der Deutschen im Bereich Altvater/ Nordmähren/Adlergebirge auf rund 7.000 Menschen, die heute weit verstreut leben. Ihren Zusammenhalt zu pflegen ist eine schwierige und arbeitsintensive Aufgabe, die weitgehend ehrenamtlich geleistet wird. Der Vorsitzende Walter Sitte betont jedoch die gute Zusammenarbeit mit der tschechischen Stadtspitze, von der er verantwortungsvoll unterstützt wird. Wir fühlen uns in dieser alten deutschen Stadt mit dem österreichischen Gesicht nicht als Fremde, zumal wir im Gasthaus "Schiller" freundlich in deutscher Sprache bedient werden und die altösterreichisch-mährische Küche genießen können.

Ein weiterer Besuch gilt der Wallfahrtskirche "Mariahilf" bei Zuck- mantel (tschechisch seit 1949 Zlaté Hory - Goldene Berge) im Altvaterland, einem alten deutschen Bergbauort, der 1930 noch 97 Prozent deutsche Bevölkerung hatte. Die Wallfahrtskirche, nach der Rettung vor schwedischer Kriegsgefahr gegründet, war in kommunistischer Zeit völlig zerstört worden. Mit Spenden aus Deutschland ist ein neues beeindruckendes Zentrum des Katholizismus entstanden, in dem christliche Traditionen und christliche Lebensformen wiederbelebt werden. Vertriebene schlesische Katholiken, Mitglieder der Deutschen Freundeskreise aus dem Glatzer Land und unsere Delegation des Bundes der Vertriebenen aus Nordrhein-Westfalen hatten sich in und vor der Kirche zu einem Gottesdienst eingefunden, der von deutschen Priestern in deutscher Sprache abgehalten wurde.

Zuvor hatte der ortsansässige tschechische Pfarrer die Teilnehmer auf Tschechisch begrüßt, das dann etwas holperig ins Deutsche übersetzt wurde. In der Predigt wurde deutlich an das Wirken Kains und des Bösen in der Welt erinnert, aber auch an die Christenpflicht zu Versöhnung und Rechtschaffenheit.

Nachdenklich durchwanderten wir die Wälder um das strahlend weiße Marienheiligtum Mariahilf, in denen noch die Bergschächte zu sehen sind, die hier unsere Vorfahren in Jahrhunderten ins Gestein trieben, um Gold und Silber zu gewinnen.

Zuckmantel, Freiwaldau, Mährisch Schönberg, Altvaterland, Freudenthal, für viele unserer Zeitgenossen "mährische Dörfer", die noch unbekannter sind als die bekannten böhmischen. Diese gilt es unter veränderten Verhältnissen wiederzuentdecken als Teil einer europäischen Region, die untrennbar mit deutscher Geschichte, deutscher Leistung und Kultur verbunden ist. Dieses Erbe der Vergangenheit belastet uns nicht, es bereichert uns und unsere Nachbarn.

Malerisch: Wallfahrtskirche bei Zuckmantel Foto: Goldmann


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