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03.07.04 / Eine Sünde wider die Kultur / Wie die Russen mit der eroberten deutschen Bausubstanz umgehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Juli 2004


Eine Sünde wider die Kultur
Wie die Russen mit der eroberten deutschen Bausubstanz umgehen

Von der Anzahl seiner mittelalterlichen Denkmäler her hat das Königsberger Gebiet einiges zu bieten. Dennoch gibt es im Gebiet keine erkennbare kulturelle Touristenroute. Und anstatt die alten Kirchen ihrer eigentlichen Bestimmung zu überlassen oder sie wenigstens als Museen zu nutzen, werden ihre Ziegel geplündert.

Letzten Monat kam in den Trümmern der deutschen Kirche von Birken, ungefähr 20 Kilometer von Insterburg entfernt, ein Obdachloser ums Leben, als er versuchte, Ziegelsteine für den Schwarzmarkt zu lösen, und er von herabstürzenden Trümmerteilen getroffen wurde. Er erlag an Ort und Stelle seinen Verletzungen. Pro Ziegelstein werden auf dem Schwarzmarkt Preise von 50 Cent bis zu einigen Euro erzielt. Sie sind für den Bau von Villen oder Einfamilienhäusern im neugotischen Stil sehr begehrt. Die Bauherren versuchen sich in ihrer Prahlerei gegenseitig noch zu übertreffen. "In dieser Wand sind Ziegel aus dem 14. Jahrhundert eingebaut, und das Kopfsteinpflaster um den Brunnen in meinem Garten wurde in der Nähe von Balga ausgegraben."

Balga ist die älteste Ordensburg auf dem Territorium des Königsberger Gebiets. Vor dem Krieg hatte sie noch einen bestens erhaltenen Turm. Heute treiben sich hier nur noch Plünderer und Pack herum. Alpinisten aus Königsberg üben in den Ruinen Klettern und den Abstieg.

Im Gebiet sind ungefähr 800 Objekte im Register der zu schützenden Kulturdenkmäler aufgeführt. Hinzu kommen Tausende Funde, die noch nicht offiziell registriert worden sind. Die überwiegende Mehrheit ist dem Verfall überlassen, vor allem auf dem Land. Was die Zeit nicht anrichtet an Zerstörung, das besorgen die örtlichen Bewohner. Ob ein Denkmal registriert ist oder nicht, hat keinerlei Bedeutung, solange nichts für seinen Erhalt unternommen wird. Für Restaurationen fehlt grundsätzlich Geld. Hierfür wären Millionen Dollar vonnöten, aus dem Staatsbudget werden jährlich jedoch nur vier bis fünf Millionen Rubel bewilligt. Es gibt im Gebiet nur 15 Architekturdenkmäler, die in Moskau als erhaltenswert gelten, darunter der Königsberger Dom auf der Kneiphofinsel, die Stadttore Königsbergs und einige Kirchen.

Der Dom, das Königs- wie das Friedrichsburger Tor und auch die Kirche von Arnau wurden in einen Maßnahmenkatalog für die 750-Jahr-Feier aufgenommen. Obwohl noch keine genaue Planung vorliegt, hoffen die Kulturbeamten auf Geld aus Moskau für die Restaurierung. Doch selbst wenn ihre Hoffnung sich erfüllen sollte, wird sich die Si-tuation nicht bessern, denn mehr als 300 bedeutende Denkmäler, die eine dringende Konservierung benötigen, sind re-gistriert. Um so trauriger ist die Tatsache, daß die meisten ländlichen Denkmäler übers ganze Gebiet verteilt sind und nicht in Königsberg angesiedelt. Denn wenn schon nur wenig Geld in die Erhaltung des Doms fließt, wird für Schloß Insterburg kaum etwas übrigbleiben.

Zu Beginn der 90er Jahre waren die Deutschen sehr aktiv in Sachen Restaurierung. Ihr Geld hat wesentlich dazu beigetragen, daß der Königsberger Dom zu dem wurde, was er heute ist. Doch durch die Rechtsunsicherheit beziehungsweise Rechtlosigkeit, die damals im Land herrschte, sei die Aktivität schnell gebremst worden, so Ewgenij Susdalzev vom Denkmalschutzamt. "Die Deutschen wurden immer betrogen. Sie sammelten Geld, und dann sind die Leute, die das Geld in Empfang nahmen, plötzlich verschwunden. Die Folge war, daß das Interesse der Deutschen nachließ. Außerdem behinderten bürokratische Hürden und die übermäßige Vorsicht der Oberen das Engagement der Leute. Bis heute gibt es keine offizielle Einladung für Deutschland, sich an dem Jubiläum Kaliningrad-Königsbergs zu beteiligen." Einen weiteren Grund für die Zurückhaltung deutscher und russischer Investoren, ihr Geld in die Ordensburgen zu stecken, sieht Susdalzew darin, daß die Investoren nicht Eigentümer der Kulturobjekte seien. Dies sieht auch der Dumaabgeordnete Sergej Koslow so. "Diese Denkmäler sind kein Eigentum. Deswegen ist ein Investor auch nicht bereit, große Geldsummen zu investieren." Bis jetzt werden deshalb nur die Fassaden aus Spendenmitteln restauriert. Aus Moskau und St. Petersburg gibt es Vorschläge, die Denkmäler zu privatisieren. Wenn sich dieses verwirklichen ließe, könnte mit der Aktivität von Investoren eher gerechnet werden. In St. Petersburg gibt es solche Modelle bereits, jedoch hat sich an der Situation der dortigen erhaltenswerten Gebäude nichts Wesentliches geändert. Möglicherweise wird aber trotzdem schon im Herbst dieses Jahres über einen entsprechenden Gesetzentwurf in der Duma entschieden. Manuela Rosenthal-Kappi

Ruinenklettern in Balga: Dieser beliebte "Sport" ist nur ein Beispiel für den Mißbrauch deutscher Bauten im Königsberger Gebiet. Foto: Archiv


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