Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
![]() |
©
Preußische Allgemeine Zeitung / 10. Juli 2004
Tröstende Worte kamen ausgerechnet von der Konkurrenz: Edmund Stoiber,
gemeinhin einer der schärfsten Kritiker rot-grüner Regierungspolitik, zeigte
sich angesichts der Identitätskrise der Sozialdemokraten zutiefst besorgt.
Treibende Kraft war freilich nicht Mitleid mit dem politischen Gegner, sondern
die durchaus berechtigte Befürchtung, ein weiteres Ausfransen der
traditionsreichen Volkspartei SPD könne die Stabilität Deutschlands insgesamt
gefährden. Konkret meinte der CSU-Vorsitzende damit wohl das in über einem halben
Jahrhundert gewachsene Parteiengefüge: Wenn die eine Volkspartei sich quasi
selbst auflöst, kann die andere nicht sicher sein, auf alle Zeiten einem
ähnlichen Schicksal zu entgehen. Zumal die Union nicht auf fast eineinhalb
Jahrhunderte Parteigeschichte zurückblicken kann, sondern gerade einmal sechs
Jahrzehnte. Berechtigt sind die Sorgen des bayerischen Ministerpräsidenten allemal. Seit
der Bundestagswahl von 2002 hat die SPD - mit einer Ausnahme: Bremens Henning
Scherf - von Wahl zu Wahl immer neue Minusrekorde aufgestellt. In bundesweiten
Umfragen wird bereits die 20-Prozent-Marke gestreift. Zugleich laufen der Partei
die Mitglieder davon; allein im letzten Jahr lag der Schwund bei 6,1 Prozent. In
den fünf neuen Bundesländern ist die SPD bereits weitgehend zur Randgruppe
mutiert; insgesamt zählt sie hier mit 25.000 Mitgliedern noch 5.000 weniger als
im Saarland allein. Bedrohlich ist auch die Überalterung des verbleibenden Mitgliederbestands.
Vor zehn Jahren waren 26 Prozent der SPDler über 60, heute sind es bereits 42,2
Prozent. Ähnlich der Trend bei der Union: von 31,7 auf 45,7 Prozent. Hier
werden die beiden Volksparteien allerding noch von der PDS übertroffen: Bei der
Partei der Ewiggestrigen haben die Senioren die Zweidrittelmehrheit. Der Mitgliederschwund ist bei der CDU mit 1,2 Prozent nicht ganz so
dramatisch. Das liegt aber nur daran, daß die Union derzeit nicht für die
Bundespolitik verantwortlich gemacht wird. Nach einem Regierungswechsel in
Berlin könnte sich das aber schnell ändern; sowohl bei den Mitglieder- wie bei
den Wählerzahlen müßten Merkel und Stoiber mit ähnlichen
Auflösungserscheinungen rechnen wie jetzt Schröder und Müntefering. So hat die Unionsspitze keinen Anlaß zur Schadenfreude. Der wahlberechtigte
Bürger allerdings darf sich schon fragen, ob er dem heutigen Parteiensystem
wirklich nachtrauern sollte. Gewiß war es in den ersten Aufbaujahren gut für
das Land, daß starke Volksparteien politische, wirtschaftliche und soziale
Stabilität garantierten. Aber gilt das heute noch? Repräsentieren diese
Parteien wirklich noch das Volk? Haben sie sich nicht längst dieses Staates
bemächtigt, bedienen sich seiner, als sei er ihr Eigentum? Mehr
Parteienvielfalt, nicht nur links, sondern auch rechts - wenn der Trend dahin
geht, braucht man sich vielleicht doch nicht so große Sorgen zu machen. H.J.M. Links ab ins Abseits: Einsam flattert die Fahne der SPD unter dem Himmel von
Berlin - vielleicht auch ein Symbol für den Niedergang der traditionellen
Volksparteien. Foto: Reuters |
![]() |