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10.07.04 / Berlin kann nicht allein weiter / Die Debatte hält an: Fusion oder "Washington-Status"?

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. Juli 2004


Berlin kann nicht allein weiter
Die Debatte hält an: Fusion oder "Washington-Status"?
von Annegret Kühnel

Die Politiker in Berlin und Brandenburg halten an den Fusionsplänen für die beiden Bundesländer fest. Offiziell jedenfalls. In der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause hat der Landtag in Potsdam schnell noch eine Verfassungsänderung beschlossen, um die Installierung gemeinsamer Obergerichte für beide Bundesländer zu ermöglichen. Die notwendige Zweidrittelmehrheit wurde - trotz regierender Großer Koalition - nur um eine Stimme überboten, was zeigt, daß die Fusionsfreude in der politischen Klasse Brandenburgs nicht sehr ausgeprägt ist. Den Berliner Abgeordneten dürfte vor allem Kopfzerbrechen bereiten, daß der Oberfinanzhof in Cottbus eingerichtet werden soll. Was als Maßnahme zur Strukturförderung der südöstlichen Randgebiete gedacht ist, würde für die Berliner stundenlange Reisezeiten mit sich bringen.

Im übrigen sind die Politiker vorsichtig geworden. Zu tief steckt ihnen die Abstimmungsniederlage von 1995 in den Knochen. Berlin - genauer gesagt: West-Berlin - hatte mit Ja, Brandenburg (und der Ostteil Berlins) klar mit Nein gestimmt. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der um seine Wiederwahl fürchtet, mahnt bereits, nichts zu überstürzen. Erst müsse Berlin seine Verschuldung in den Griff bekommen. Er weiß, daß dies ein Ding der Unmöglichkeit ist. Indem er über die Bande spielt, nimmt er die Überwältigungsängste auf, von denen die knapp 2,6 Millionen Brandenburger gegenüber der 3,4-Millionen-Metropole in der Mitte ihres Landes geplagt werden.

Zudem: Für Brandenburg ist die aktuelle Situation vergleichsweise günstig. In den Speck-gürtel rund um die Hauptstadt ist viel Berliner Gewerbe gezogen, und die hauptstädtische Mittelschicht wird in neue Wohnparks und Eigenheimsiedlungen gelockt. Berlin hat das Nachsehen. Es erbringt für Brandenburg die Leistungen einer Metropole (Infrastruktur, Kultur, Arbeit etc.) und wird dafür um seine Steuerkraft geschröpft.

Für die Hauptstadt ist der gegenwärtige Status unhaltbar. 600.000 Berliner sind auf Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe angewiesen. Große Industrieansiedlungen und die Rückkehr von Konzernzentralen und Banken wird es nicht geben. Die Frage ist, wie die größte Stadt Deutschlands finanziert werden soll. Auf die Bereitschaft der anderen Bundesländer, ihr noch mehr als bisher unter die Arme zu greifen, kann sie unter den gegenwärtigen Umständen nicht setzen. Realismus tut not. Eine Realität ist der deutsche Föderalismus, der die Konzentration der Kräfte auf eine einzige Metropole - wie Paris in Frankreich - nicht zuläßt. Mochte Berlin früher als Reichshauptstadt auch floriert haben, es finanzierte sich als Hauptstadt Preußens und mußte selbst in seinen besten Tagen während der wilhelminischen Ära vom preußischen Staat massiv unterstützt werden - normal für eine Hauptstadt. Heute erweist es sich als Nachteil, daß Berlin ein eigenständiges Bundesland ist und als solches mit anderen Ländern konkurriert. Aus Hamburg zum Beispiel wurden Musikfirmen weggelockt, und zwar mit Geld, das die Hanseaten über den Länderfinanzausgleich selbst zu erbringen hatten. Das hat dort die Berlin-Begeisterung nicht gerade gefördert. Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) grummelte, wozu eine bankrotte Stadt denn drei Opernhäuser brauche, so etwas gäbe es in seinem Land schließlich auch nicht.

Recht hat er! Beobachter mahnen, es bleibe nichts anderes übrig, als die Bundesländer in ein neues Verhältnis zur Bundeshauptstadt zu setzen. Vor allem müsse die direkte Länderkonkurrenz beseitigt werden. Das könnte in der Tat dadurch geschehen, daß Berlin in einem neuen Land aufgeht. Der Berliner Senat wäre dann eine Stadtverwaltung wie die in München oder Frankfurt. Die Frage ist allerdings, ob ein Land Berlin-Brandenburg in den Augen der Nachbarn etwas anderes wäre als eine Hyper-Hauptstadt. Bleibt eine andere Möglichkeit, die Altkanzler Helmut Schmidt bereits vor Jahren vorgeschlagen hat. Berlin müßte einen Status wie Washington D.C. in den USA erhalten und käme in die Verantwortlichkeit des Bundes. Dieser könnte sie sich mit den Ländern durch Staatsverträge teilen, ähnlich wie das bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz der Fall ist. Berlin würde zum Schaufenster des Föderalismus ausgebaut werden. Die Berliner müßten sich dann aber damit abfinden, daß Bayern, Hamburger und Sachsen in ihre Stadt hineinregieren.

Als bloßer Stadtstaat verkommt die deutsche Hauptstadt zunehmend zum rettungslosen Sozialfall: Einer der sozialen Brennpunkte, der Beusselkiez im Wedding, erinnert stellenweise an ein Bürgerkriegsgebiet. Foto: Caro


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