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24.07.04 / Deutsche Oper gastiert in Königsberg / Für Siegfried Matthus' Opernvision

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24.Juli 04


Deutsche Oper gastiert in Königsberg
Für Siegfried Matthus' Opernvision von Rilkes "Cornet" sind noch Karten zu haben

Reiten, reiten, reiten, durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag. Reiten, reiten, reiten ..." Diese einprägsamen Worte des Dichters Rainer Maria Rilke (1875-1926) haben Generationen beeindruckt. Landser trugen sie gar im Ersten und im Zweiten Weltkrieg als Insel-Taschenbuch mit ins Feld. Sie stammen aus der Prosa-Dichtung "Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke". Der Dichter beschreibt, wie der junge Christoph in den Krieg gegen die Türken reitet. Seine Einheit wird jedoch auf einem Schloß von dem heranrückenden Feind überrascht, das Schloß in Brand gesteckt. Der Cornet (Fahnenträger) aber hat just in diesem Schloß seine erste Liebesnacht in den Armen der Gräfin erlebt. Er ergreift die Fahne ("Er muß eher das Leben, als sich seine Standarten nehmen lassen", Der Vollkommene Teutsche Soldat etc., Leipzig 1726) und eilt aus dem brennenden Schloß, wirft sich aufs Pferd und reitet den Kameraden voraus. Schließlich fällt er auf dem Schlachtfeld.

Der "Cornet" entstand in einer ersten Fassung 1899, wurde aber erst 1904 veröffentlicht. Rilke schrieb einmal, der "Cornet" sei das Produkt einer einzigen Nacht gewesen, "einer Herbstnacht, hingeschrieben bei zwei im Nachtwind wehenden Kerzen". Auf das Thema war der Dichter bei einem Onkel gestoßen, der Ahnenforschung betrieb. In einer alten Akte fand sich der Name "Christoph Rülcke zu Linda", der 1660 als junger Cornet im österreichischen Heer gestorben war. Rilke verlegte den Tod seines Helden um drei Jahre in den Krieg Österreichs gegen die Türken und schuf eine heroische Prosadichtung. Er verklärte den "Heldentod" und verknüpfte ihn mit erotischen Motiven, so traf er mit der "Weise von Liebe und Tod des Cornet Christoph Rilke" den Geschmack seiner Zeit. Der "Cornet" wird Rilkes erfolgreichstes und bekanntestes Werk, ist aber wegen der Verherrlichung des Soldatentodes durchaus umstritten.

Als der Komponist Siegfried Matthus, geboren 1934 in Mallenuppen, Kreis Darkehmen (Angerapp) sich daran machte, den "Cornet" musikalisch zu bearbeiten, wußte er um diese Problematik. Er weist den Gedanken der Opferverherrlichung entschieden zurück, sieht ganz andere Motive in der Rilke-Dichtung: "Mir war von vornherein klar, daß der Rilkesche Text nicht die Realität des Krieges spiegelt", so Matthus, "sondern die Vision des Cornets ... Die psychologische Entwicklung des Cornets ist von Rilke phantastisch beobachtet und erfaßt. Wie aus der Streßsituation des Reitens, Tag und Nacht, visionäre Bilder Gestalt annehmen, wie er in einer steinernen Säule eine Frau sieht, wie aus dem Alleinsein die Vision des jungen Weibes entsteht ... das sind Situationen, die zum Höhepunkt der Geschichte führen, seiner ersten Begegnung mit einer wirklichen Frau. Und trotz alledem ist die drohende Realität des Krieges der reale Hintergrund dieser psychologischen Geschichte ..."

Visionen statt Opfertod. Und so nannte Siegfried Matthus dann auch sein 1985 von der Deutschen Oper Berlin uraufgeführtes Werk "Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke" eine Opernvision nach Rainer Maria Rilke. "Ich meine, ,Opernvision' trifft konkret auf die vorliegende Partitur zu", so Matthus. "Und zwar deshalb, weil ja in dieser Oper auch Visionäres, Utopie gestaltet wird." Immer wieder ist diese Oper aufgeführt worden. Die Kritik äußerte sich lobend, etwa Die Presse in Wien 1987: "Matthus hat eine ,spielbare' Oper geschaffen, die auch einem Publikum, das nicht Rätsel raten mag, etwas sagt." Oder Die Welt 1993: "Matthus' Musik fasziniert durch ihre Eigenständigkeit und setzt den berühmten Text ohne Gefühligkeit um. Matthus geht jeder Verkitschung aus dem Weg ..." Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zur selben Münchner Aufführung 1993: "Matthus ... hat einen Ton gefunden, der das zwischen Vision und Realität spielende Geschehen nicht in die rauhe und allzuoft grobe Bühnenwirklichkeit zerrt. Die Instrumentation ist luftig und schlank, mit Flöten, Harfen, Horn, Xylophonen und Glockenspiel; ein großer Schlagapparat sorgt für die Härten militärischer Akzente ..."

Im Rahmen der deutsch-russischen Kulturbegegnungen wird nun "Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke" in einer halbszenischen Aufführung von Chor, Orchester und Solisten der Deutschen Oper Berlin in Königsberg aufgeführt. Mit von der Partie sind auch Solisten der Kammeroper Schloß Rheinsberg. Unter der Leitung von Will Humburg, der schon an drei verschiedenen Inszenierungen der Opernvision von Matthus mitwirkte, werden die Künstler am 4. und 5. September in der "Kaliningrader Philharmonie", der ehemals katholischen Kirche "Zur Heiligen Familie", auftreten, leider nicht wie ursprünglich geplant im Königsberger Dom. Das Musikerlebnis wird dennoch ein vollkommenes sein, dessen sind sich die Veranstalter gewiß. Eine Maschine mit Mitgliedern der Deutschen Oper Berlin wird am 2. September von der Bundeshauptstadt aus in Richtung der Pregelmetropole fliegen. Die Maschine startet um 7.30 Uhr und fliegt am 6. September wieder zurück nach Berlin. Auf dem Flug sind noch einige Plätze frei (Flug 385 Euro, zuzüglich Visagebühren und Hotelkosten). Wer Interesse an dieser Reise hat, wende sich bitte direkt an das Lufthansa City Center, Übersee Reisebüro GmbH, Uhlandstraße 162, 10719 Berlin, Telefon (0 30) 88 03 13 21, Fax (0 30) 88 03 13 33; Ansprechpartner sind Frau Jahn und Frau Scharrenberg.

Es ist übrigens nicht das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, daß Kompositionen von Siegfried Matthus in Königsberg aufgeführt werden. Bereits 1992 erklangen sein Oktett "Ich komme einen Weg" und das Konzert für Violine und Orchester sowie das "Kleine Orchesterkonzert" in der Interpretation des Symphonieorchesters der Pregelmetropole unter der Leitung von Arkadij Feldman. Es war allerdings das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, daß in Königsberg zeitgenössische deutsche Musik aufgeführt wurde. Eine Entwicklung, die hoffen läßt. Silke Osman

 

Der Veranstaltungsort: Die mittlerweile als "Kaliningrader Philharmonie" genutzte ehemals katholische Kirche "Zur Heiligen Familie" Foto: Archiv


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