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14.08.04 / Vielerlei Mystik umgibt diese Pflanze / Anne Bahrs erzählt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 14. August 2004


Vielerlei Mystik umgibt diese Pflanze
Anne Bahrs erzählt von der majestätischen Schönheit der großen und kleinen Königskerzen

Linné nannte diese Riesenpflanzen aus der Familie Braunwurz wahrscheinlich wegen ihrer zottigen Blätter und der zuckerreichen Futterhaare, die an den drei kurzen Staubfäden wie Bärte hängen, Verbascum (von Barbarascum = Bart). Die beiden anderen, die langen Staubfäden über dem einen honigartigen Duft verströmenden Stempel von etwa einen Zentimeter Durchmesser, tragen dicke Quasten von Blütenstaub. Wir kennen und bewundern die Großblütige Königskerze, die eine Höhe von über zwei Metern erreichen kann und Blüten trägt von fünf Zentimeter Durchmesser. Die Kleinen Königskerzen recken ihren ährigen Blütenschaft einen Zentimeter hoch der Sonne entgegen.

Beide Arten dieses "Wollkrautes" sind nicht zu übersehen. Sie blühen von Anfang Juli bis in den Oktober hinein und ziehen viele Insekten an. Wie dichte Trauben mit wolliger Behaarung sind die Blüten um den riesigen Kolben angeordnet, die sich allmählich nach oben hin öffnen, während am dicken unteren Stengel die Fruchtkapseln der ersten Blüten bereits viele kleine Samen tragen. Zwar bieten die leuchtend gelben Blüten ihren Besucherinnen (Hummeln und Bienen, Schmetterlingen und Schwebfliegen) keinen Honig an, doch die mit Blütenstaub prall gefüllten, orangefarbenen oder roten Pollenhöschen der wieder ihrem Bau zustrebenden Bienen verraten, daß sie in den Königskerzenblüten waren. Die zweijährigen Pflanzen lieben den sandigen, kalkhaltigen, trockenen Boden und viel Sonne. Sie siedeln auf Schuttplätzen, an Wegrändern, in lichten Nadelwäldern. Die Königskerze mit dem aus üppiger Blattrosette sprießenden Blütenschaft ist auch im Ziergarten eine Schönheit. Man kann sie aus Samen ziehen oder als Staudenpflanze beim Gärtner kaufen. Danach verbreitet sich die samenreiche Königskerze meist von selbst.

Zuerst entwickelt sich eine Blattrosette. Die filzig behaarten Blätter wachsen schnell, werden unten großlappig. Eiförmiges Blattgrün umgibt den dicken Blütenschaft. Die Blätter fangen das Regenwasser auf und leiten es der fleischigen, braunen Wurzel zu. Diese feste Wurzel der schon in alter Zeit die Menschen faszinierenden Pflanze wurde nach der Blütezeit bei besonderem Sonnenstand in religiöser Vorstellung bei Mondlicht ausgegraben, in Scheiben geschnitten und getrocknet. Man trug sie als Amulett am Körper, um Krankheiten abzuwehren. Denn ein besonderer Zauber mußte diese schöne, duftende Mysterienpflanze umgeben, deren Blätter und Blüten man essen oder trocknen konnte, die heilkräftig waren gegen vielerlei Gebrechen und lange blühten und sogar leuchten konnten. Die hohen Blütenschäfte, in Öl, Pech oder Wachs getaucht, entzündete man als Fackeln - "Candella regia" = Königskerzen.

Immer noch sind die schönen Königskerzen von Mystik umgeben. Sie gehören in katholischen Gegenden Deutschlands in jeden Kräuterbusch, stehen sie doch zu den Marienfesten (Mariä Himmelfahrt: 15. August; Mariä Geburtstag: 8. September) in schönster Blüte und überragen dekorativ die anderen Kräuter.

Früher galt die Droge der Königskerzen als Medizin gegen Epilepsie und viele andere Gebrechen. Wie gut, daß moderne Wissenschaftler die Wirkstoffe der Großblütigen Königskerze und auch des Kleinblütigen Wollkrauts nachweisen konnten: etwa drei Prozent Schleimstoffe, Triterpensaponine, Kaffeesäurederivate, Flavonoide, Digiprolacton und Invertzucker. Ihre Heilkraft, da schleimlösend und expectorierend, bewährt sich bei Husten und Heiserkeit, sie schafft Erleichterung bei Erkrankung der Atemwege. Nebenwirkungen sind unbekannt. In unseren Apotheken werden heute verschiedene schleimlösende Fertigpräparate der Gruppe Antitussiva und Tees rezeptfrei angeboten, die den geschnittenen, getrockneten Wirkstoff der Verbascum-Arten thapsus und Verbascum phlomoides enthalten.

Königskerze: Der gelbe Blütenstand lockt viele Bienen und Schmetterlinge. Foto: Archiv


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