19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
21.08.04 / Gegen Klischees / Ausstellung zeigt "Zwei deutsche Architekturen: 1949-1989"

© Preußische Allgemeine Zeitung / 21. August 2004


Gegen Klischees
Ausstellung zeigt "Zwei deutsche Architekturen: 1949-1989"

Architektur in der DDR? Das war doch nur Platte, Platte und nochmals Platte." Vorurteile dieser Art sind kaum aus der Welt zu schaffen. Eine Ausstellung in Hamburg will derzeit mit diesen Klischees aufräumen. Noch bis zum 29. August sind im Kunsthaus, Klosterwall 15, Bauprojekte aus der Nachkriegszeit bis zur Wiedervereinigung zu sehen (dienstags bis sonntags 11-18 Uhr). Unter dem Titel "Zwei deutsche Architekturen: 1949-1989" werden 217 Bauprojekte aus Ost und West vorgestellt, davon 83 aus der DDR und 134 aus der Bundesrepublik Deutschland. Anhand von Fotos, Zeichnungen und Modellen wird ein historischer Rückblick auf die Entwicklung der Architektur im geteilten Deutschland geboten. Dabei wollen die Kuratoren Hartmut Frank und Simone Hain keine allgemeingültigen Antworten geben, sondern mit gezielten Fragen auf die unterschiedliche Problematik aufmerksam machen. "Unser Hauptziel", so Frank, "ist, die Mauer in den Köpfen zu verdrängen. Hier die Erbauer einer wunderschönen Welt, dort die Produzenten der Häßlichkeit - solche Klischees wollen wir auslöschen."

Und so werden stalinistischer Zuckerbäckerstil wie etwa in der Berliner Stalinallee oder die unvermeidliche "Platte" nicht etwa der internationalen Moderne im Westen plump gegenübergestellt, vielmehr werden in der einheitlichen und übersichtlichen Schau Gemeinsamkeiten und Unterschiede geschickt präsentiert. Weitgehend unbekanntes Material aus mittel- und westdeutschen Archiven floß ebenso in die Ausstellung ein wie Ergebnisse einer mehrjährigen Forschungsarbeit am Fachbereich Architektur der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Die Ausstellung, die durch die Kulturstiftung des Bundes gefördert wird, wurde von der Hochschule gemeinsam mit der Architektenkammer der Hansestadt und dem Stuttgarter Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) konzipiert. Sie soll nach weiteren Stationen in Deutschland, so demnächst in Leipzig, vor allem auch im Ausland gezeigt werden.

Gegliedert ist die Schau in fünf Themenbereiche: Staat, Kultur und Glauben, Wohnen und Freizeit, Bildung und Ausbildung, Wirtschaft und Verkehr. Große Schautafeln und vertiefende Informationen in Schubladen, aber auch die 40 akribisch nachgearbeiteten Modelle ausgewählter Bauten geben einen Einblick in vier Jahrzehnte deutsch-deutscher Architekturgeschichte. Auf weiteren Tafeln geht man in sogenannten Architekturdiskursen Grundsatzfragen nach, etwa der Haltung zum Wiederaufbau von kriegsbeschädigten Bauten, den Internationalen Bauausstellungen im Westen oder der Individualisierung der Plattenbauten im Osten.

Vielen bekannten Namen begegnet der Architekturfreund auf dieser Ausstellung: Günther Behnisch, Egon Eiermann, Ludwig Mies van der Rohe, Hans Scharoun, Hans Kollhoff oder Oswald Mathias Ungers. Auch der in Lübeck geborene Hanns Hopp, der lange Zeit in Königsberg wirkte und dort unter anderem die Mädchengewerbeschule, Gebäude der Deutschen Ostmesse, den Flughafen Devau, das Haus der Technik, den Handelshof oder das Parkhotel errichtete, ist mit Beispielen aus seinem Schaffen vertreten. Zu nennen sind hier vor allem Bauten in der Berliner Stalinallee, der repräsentativen Wohn- und Geschäftsstraße, wo verschiedene Architekten in den 50er Jahren Häuser "in freier Anwendung traditioneller Berliner Bauformen nach sowjetischem Vorbild" schufen. Als Leiter der Abteilung Hochbau im Institut für Städtebau und Hochbau, als Lehrer an der Deutschen Bauakademie und als Präsident des Bundes Deutscher Architekten der DDR war Hopp maßgeblich an der Formulierung der sozialistisch-realistischen Baukunst beteiligt. Auch das repräsentative Kulturhaus in Maxhütte in Unterwellenborn stammt aus seiner Ideenwerkstatt. Gemeinsam mit Josef Kaiser schuf Hopp 1952-1955 ein mit seinen Säulen an einen Tempel erinnernden Komplex.

Der in Tilsit geborene Paul Baumgarten (1900-1984), Leiter des Hochbaubüros der Philipp Holzmann AG und Lehrer an der Hochschule für bildende Künste in Berlin, erregte 1957 mit seinem "Eternit Haus" auf der "Interbau" Aufsehen. Der streng wirkende Bau faszinierte vor allem durch seine großzügige Verglasung und die ungewöhnliche Raumaufteilung (Wohnraum und Küche liegen im Dachgeschoß). Ein weiteres Bauvorhaben Baumgartens fand gar den Weg auf denTitel des reich bebilderten Katalogs zur Ausstellung (Cantz Verlag, Ostfildern, 226 Seiten, Klappbroschur, 25 Euro): der Umbau des von Paul Wallot errichteten Reichstagsgebäudes in Berlin. Das Foto zeigt einen Blick aus dem Westfoyer, der heute so nicht mehr möglich ist, denn alle Umbauten Baumgartens wurden für die neuen Ideen Sir Norman Fosters geopfert.

Nun sind in der Ausstellung natürlich nicht nur Bauten in Berlin (Ost und West) zu sehen. Der Blick geht ebenso nach Bonn oder Halle, nach Düsseldorf oder Dresden. Ob zwei Architekturen in Deutschland entstanden sind, wird die Zeit zeigen. Vieles ist mittlerweile vernichtet worden, und die neue Architektur ist wesentlich von westlichen Vorbildern geprägt. So ist diese Ausstellung auch ein Versuch, das Erbe der Architekten zu retten. Helga Steinberg

Deutschland West: "Eternit Haus" im Berliner Hansaviertel zur "Interbau" von Paul Baumgarten Deutschland Ost: Stalinallee in Berlin mit repräsentativen Wohn- und Geschäftshäusern Fotos (2): Katalog


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren