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Preußische Allgemeine Zeitung / 28. August 2004
Für die Berliner SPD war der August 2004 ein furchtbarer Monat. Nicht nur, daß sie auf tragische Weise ihren Landesgeschäftsführer verloren hat, auch der hämisch als SPD-eigenes "Projekt 18" verlachte Absturz der Partei auf FDP-Niveau nimmt grausig konkrete Gestalt an. Ja, es wird sogar noch schlimmer. Laut aktueller Forsa-Umfrage liegt die Hauptstadt-SPD bei gerademal noch 17 Prozent, gleichauf mit ihrem Koalitionspartner PDS, mit dem sie jetzt um den dritten Rang konkurriert. Die Christdemokraten erreichen 30, die Grünen 19, die FDP acht Prozent. Damit bestätigt sich das Ergebnis der Europawahl, bei der die Grünen die SPD erstmals überrundeten. Sicher, die Antwort auf die Sonntagsfrage ist keine echte Abstimmung. Außerdem wird darauf verwiesen, daß die CDU noch immer über keinen zugkräftigen Spitzenmann verfügt, im Gegensatz zur SPD, die im Wahlkampf auf einen Wowereit-Effekt bauen könnte. Die bange Frage der Spree-Sozis ist nur, ob der nicht nach hinten losgeht. Und was ist, wenn die CDU ein überraschendes As vom Kaliber eines Wolfgang Schäuble aus dem Ärmel zieht? Die Berliner Sozialdemokraten werden jetzt nicht mehr nur für die Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst, die Einsparungen an den Universitäten oder für die Erhöhung der Kita-Gebühren bestraft, für die ihr eisenharter Finanzsenator Thilo Sarrazin verantwortlich zeichnet. Jetzt ist eine Bedrohung aufgetaucht, für die sie auf Landesebene gar nichts können: Hartz IV! Umgekehrt kann die PDS, die eben noch unfroh vor sich hindümpelte, davon ablenken, daß ihr als Berliner Regierungspartei auch nichts anderes übrigbleibt, als am Sozialabbau mitzuwirken. Hartz IV verschafft ihr scharenweise Zulauf. Bei den Montagsdemonstrationen mischt sie kräftig mit. Zwar verkündete der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky generös: "Wir haben keinen Anspruch, diese Demos in irgendeiner Weise zu dominieren." Doch das erinnert ein wenig an den legendären Ausspruch, der Walter Ulbricht 1945 entschlüpfte: "Es muß alles demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand behalten!" Am 3. Oktober wird die PDS auf der geplanten Berliner Großkundgebung gegen Sozialabbau auf jeden Fall Flagge zeigen. Das Klima in der Koalition ist dementsprechend gereizt. SPD-Politiker äußern sich "stinksauer" und nennen die Taktik der Postkommunisten "verlogen" und "unfair". Sie wittern nicht zu Unrecht die Absicht der PDS, sich auf SPD-Kosten zu profilieren. Wobei sich die SPD-Genossen fragen lassen müssen, was sie 2002 geglaubt haben, mit wem sie sich an den Kabinettstisch setzen. Der andere bedeutungsvolle Trend ist die Etablierung der Grünen als Großstadtpartei. Es sind nicht nur die versprengten Anhänger von Multi-Kulti, und Anti-Atom oder spinnerte Weltverbesserer, die ihnen die Stimme geben. Auch die Forderung nach "kommunalen Beschäftigungsprogrammen" kann den Zuspruch nicht erklären. Denn daß Berlin solche Programme tatsächlich auflegen könnte, glauben die Grünen selber nicht. Längst sind sie zur Partei einer "postmateriellen" Klientel aufgestiegen. Dazu zählen zum einen die Gutgebildeten und Besserverdienenden, die von sozialen Einschnitten kaum berührt werden. Ihnen sind SPD und CDU zu unerotisch, die FDP zu monetär eingestellt, und die PDS lehnen sie als ein kollektivistisches DDR-Fossil ab. Aber diese Wählerschicht würde bei weitem nicht ausreichen. Hinzu kommen die echten Halb- und Lebenskünstler, die Kleingewerbler und alternativen Projektbetreiber, die sich in Berlin nach wie vor tummeln. Viele von ihnen leben am Existenzminimum und finanzieren sich durch extreme Selbstausbeutung. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele formulierte einmal griffig, ganz Kreuzberg, egal, ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, lebe von 630-Mark-Jobs. Auch sie sind Postmaterialisten in dem Sinne, daß in ihrer Werteskala die persönliche Freiheit höher rangiert als die soziale Sicherheit. Das, was heute als Grausamkeit von Hartz IV angeprangert wird, gehört längst zu ihrem Lebensalltag. Sie haben keine Probleme damit, das Prinzip der Nachhaltigkeit, das vorher vor allem mit Blick auf den Umweltschutz vertreten wurde, auch auf den Bereich der Generationengerechtigkeit zu übertragen. Allerdings nehmen auch in diesem Milieu die Probleme durch das Verschwinden des ökonomischen Unterbaus in Berlin zu. Und wie der hergestellt werden kann, darauf wissen weder Schwarz noch Rot noch Grün noch Gelb eine Antwort.
Gutgebildete, Besserverdiener und "Lebenskünstler" machten die Grünen zur neuen Hauptstadtpartei: Der Ost-Stadtteil Prenzlauer Berg stieg nach dem Mauerfall zum beliebten Wohnviertel des "neuen Berlin" auf. Die einstigen Alternativen haben das Lebensgefühl dort am erfolgreichsten aufgefangen. Foto: Ipon |