Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
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Preußische Allgemeine Zeitung / 28. August 2004
Die Augusthitze lag flirrend über dem Land. Das Korn stand hoch auf den Halmen und die Reisenden genossen den Schatten, den die Chausseebäume ihnen spendeten. Die Landstraße von Wittstock (Dosse), einem Städtchen mit erstaunlich gut erhaltener mittelalterlicher Stadtmauer, zog sich endlos scheinend durch Felder, Kiefernwälder und durch einen militärischen Sperrbezirk, dessen Anblick die Reisenden vorübergehend in die Realität zurückholte. Die Gedanken aber eilten schnell wieder voraus. Rheinsberg hieß das Zauberwort, das die Reisenden wie magisch anzog. Rheinsberg, lebendiges Preußen, einst Luftkurort der vornehmen Berliner Gesellschaft, 1912 literarisch verewigt in dem Bestseller Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte von Kurt Tucholsky (1890-1935). Theodor Fontane (1819-1898) wie der Baumeister Karl Friedrich Schinkel in Neuruppin unweit Rheinsbergs geboren, schilderte diese Gegend ausführlich in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg (1862-1882). Besonders das Schloß Rheinsberg hatte es ihm angetan. Die Zeilen des Dichters im Sinn gelangten die Reisenden schließlich ans Ziel. Die Nachmittagshitze lag schwer über dem Städtchen mit heute 5.000 Einwohnern, und doch schien über den meist kleinen, geradezu geduckt liegenden Häusern an der Schloßstraße die Leichtigkeit des Seins zu schweben. Hinter alten, oftmals geschickt renovierten Fassaden zeigten sich zeitgemäße Unternehmen - Cafés und Hotels, die sich Gast- & Logierhäuser nannten und Namen trugen wie "Zum jungen Fritz", eine Buchhandlung mit Titeln vorwiegend zur preußischen Geschichte in der Auslage, eine Kunstgalerie, eine Töpferwerkstatt. Auf Bänken und in Cafégärten genossen die Menschen den Sommertag. Eisbuden lockten mit so fragwürdigen Köstlichkeiten wie Meerretticheis. Die Straße führt schließlich direkt zum Schloß. Vor dem schmiedeeisernen Tor zum Garten wacht in Bronze der junge Kronprinz Friedrich, der als der große König in die Geschichte eingehen sollte. Die Skulptur schuf 1903 der Berliner Bildhauer Gottlieb Elster. Von 1736 bis 1740 lebte Friedrich im Schloß, fernab vom strengen Hof seines Vaters Friedrich Wilhelm I. in Berlin und Potsdam. In Rheinsberg verlebte er seine schönste Zeit: "Ich bin glücklich, diese Stätte zu besitzen, wo man nur Ruhe kennt, die Blumen des Lebens pflückt und die kurze Zeit genießt, die uns auf Erden geschenkt ist." Hier widmete er sich seinen vielfältigen künstlerischen Neigungen, der Literatur und Philosophie, der Wissenschaft und der Musik, aber auch der Architektur. So gab er seinem Baumeister Georg Wenzelaus von Knobelsdorff (1699-1753) tatkräftige Ratschläge zur Umgestaltung des Schlosses und des Gartens. In strahlend hellem Cremeton mit roten Ziegeldächern heben sich das Schloß und das daneben liegende Kavalierhaus mit dem Schloßtheater von tiefdunkelblauen Himmel ab. Eine leichte Brise weht von nahen Grienericksee herüber. Ursprünglich als Grenzbefestigung gegen Meck-lenburg errichtet, brannte die alte Burg 1566 ab. Achim von Bredow errichtete am selben Ort ein kleines Schlößchen, das Friedrich Wilhelm I. für den Kronprinzen erwarb. Als dieser die Thronfolge antreten mußte und nach Berlin zog, schenkte er es 1744 seinem Bruder Heinrich mit der Auflage, erst nach der Eheschließung dort einzuziehen. Der Prinz, inzwischen verheiratet mit Wilhelmine von Hessen-Kassel, lebte in Rheinsberg von 1752 bis zu seinem Tod 1802. Die Grabpyramide, in der er 1802 beigesetzt wurde, findet man an einem seiner Lieblingsplätze unweit des Heckentheaters. Wie überhaupt viele Trauer- und Erinnerungsmäler im Park an teure Verstorbene gemahnen, ein kleiner Tempel etwa oder der alles überragende Obelisk auf der anderen Seeseite, den Heinrich zu Ehren seines gefallenen Bruders August Wilhelm und seiner Kameraden errichten ließ. Nach dem Tod Prinz Heinrichs wurde das Schloß nur noch wenig von der königlichen Familie genutzt. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden Kunstschätze aus Sanssouci, dem Neuen Palais Potsdam und aus dem Königsberger Schloß nach Rheinsberg ausgelagert. Der größte Teil dieser Schätze wurde später von Angehörigen der Roten Armee entwendet. Ab 1953 schließlich wurde das Schloß als Sanatorium für Diabetes-Patienten genutzt. Seit 1991 ist es nun Museum (Öffnungszeiten April bis Oktober: dienstags bis sonntags 9.30 Uhr-17 Uhr, November bis März: 10-16 Uhr). In den vergangenen Jahren ist es der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg immer wieder gelungen, wichtige Kunstwerke für Rheinsberg zu erwerben, so ein kostbares Service, das Heinrich einst einem Schweizer Feldmarschall in französischen Diensten schenkte, oder zwei bedeutende Gemälde des italienischen Malers Michele Rocca, die ein authentisches Bild von der Kunstsammlung des Prinzen entstehen lassen sollen. Drei Wandteppiche aus der Serie "Porte de Fleurs" der Petersburger Gobelinmanufaktur, ein Geschenk der Zarin Katharina II. an Prinz Heinrich, sollen demnächst wieder in altem Glanz die Besucher des Schlosses erfreuen, eine Herausforderung an die Restauratoren. Viel wird noch renoviert werden müssen, und so sind zur Zeit Teile der Fassade zur Stadt hin eingerüstet. Der beispiellose Blick aber vom See auf das Schloß mit seinen beiden markanten Türmen und auf das Kavalierhaus mit dem Theater wird dadurch nicht getrübt. Das durch Kriegseinwirkungen zerstörte Theater konnte 1999 wieder eröffnet werden; es steht heute vor allem künstlerischem Nachwuchs zur Verfügung. Acht Wochen im Sommer bespielt die Kammeroper Schloß Rheinsberg unter der künstlerischen Leitung von Professor Siegfried Matthus das Schloßtheater und nutzt das Kavalierhaus (siehe Beitrag unten auf der Seite). Beeindruckend ist immer wieder der überaus gepflegte, von Knobelsdorff angelegte Schloßpark. Er gehört zu den wenigen Gärten Deutschlands, in denen der Wandel vom Rokokogarten zum frühen Landschaftsgarten noch deutlich zu erkennen ist. Dieses über 300 Hektar große Areal besticht durch seine Formenvielfalt, die sich urplötzlich auftuenden Sichtachsen: hier eine Marmorskulptur, da ein Pavillon, da eine steinerne Urne zwischen Hecken. 50 Zitrusbäumchen der Orangerie stehen auf einem aus Rasen und Sand bestehenden Schachbrettmuster. Die Reste der Felsen-grotte lassen die einstige Pracht nur noch erahnen. Das Heckentheater, in dem im Sommer Freilichtaufführungen der Kammeroper stattfinden, wurde 1758 vom Prinzen Heinrich angelegt. Ein idealer Ort, sich seinen Gedanken hinzugeben, den Tag besinnlich ausklingen zu lassen und der Musik zu lauschen, die in den Sommermonaten hier so oft zu hören ist, vor allem dann, wenn die Studenten der Kammeroper Schloß Rheinsberg proben ...
Schloß Rheinsberg mit Kavalierhaus und Schloßtheater: "Alles strahlt hier Geist, Anmut und Philosophie aus" (Fürst von Ligne, 1781) Fotos (2): Osman |