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04.09.04 / Ein Film mit Liebe zur Authentizität / "Der Untergang" zeigt Hitlers Ende im Führerbunker ohne künstlerische Freiheit und erhobenen Zeigefinger

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. September 2004


Ein Film mit Liebe zur Authentizität
"Der Untergang" zeigt Hitlers Ende im Führerbunker ohne künstlerische Freiheit und erhobenen Zeigefinger

Was beeindruckt, ist die Liebe zur Authentizität. Bernd Eichingers Film "Der Untergang" zeigt das, was sich im Führerbunker 1945 abgespielt hat. Und nur das. Bis ins kleinste Detail zeichnet er das nach, was historisch vom endgültigen Zusammenbruch des Dritten Reiches belegt ist. Der Film verzichtet auf künstlerische Freiheit ebenso wie auf den erhobenen Zeigefinger oder fiktive Szenen. "Damit wäre niemandem geholfen, auch nicht den sechs Millionen Toten in den Konzentrationslagern", sagt Produzent und Drehbuchautor Bernd Eichinger im persönlichen Gespräch am Tag nach der Pressevorführung des Films. Gemeint ist eine Szene mit KZ-Häftlingen, die in den Film hätte eingebaut werden können. Für Eichinger wäre so etwas "verkrampftes dramaturgisches Instrumentalisieren".

Der Film, der am 16. September in die Kinos kommt, zeigt ungeschminkt das Leiden der Zivilisten und der Soldaten. Aber auch unter Tage spielt sich ein Drama ab: Hitler (Bruno Ganz) wird von seinen Getreuen verlassen. Göring und Himmler strecken heimlich sogar vorsichtig ihre Fühler zu den Westmächten aus. Grenzenloser Jähzorn überkommt Hitler - er sieht sich plötzlich nur noch von Verrätern umgeben. Weil Himmler nicht greifbar ist, läßt er dessen Adjudanten Hermann Fegelein (Thomas Kretschmann) erschießen. Der hatte versucht, sich abzusetzen.

Die Armeen, die Hitler befiehlt, existieren nur noch auf dem Papier. Längst haben die Befehlshaber und Untergebenen vor Ort innerlich aufgegeben. Sie flüchten in den Westen, statt sich dem mörderischen Kampf mit der Roten Armee in Berlin zu stellen. Doch Hitler beschließt, in seiner Hauptstadt zu bleiben, um "auf der Bühne zu stehen, wenn der Vorhang fällt". Von da an dreht sich der 150-Minuten-Film nicht zuletzt um Adolf Hitlers Ringen mit der Frage, wie der Freitod am besten herbeigeführt wird: Zyanid in den Mund oder ein Schuß in den Kopf. Eva Braun (Juliane Köhler) feiert inmitten des grotesken Totentanzes noch wilde Partys. Auch sie hat mit ihrem Leben abgeschlossen.

Als sie Adolf Hitler ehelicht, kommt es zu einer der wenigen skurrilen Szenen: Der eilig herbeigeholte Standesbeamte fragt den Führer, ob er auch arischer Abstammung sei. "Das Gesetz schreibt das vor", begründet er seine Frage, als ein Raunen durch die "Hochzeitsgesellschaft" geht.

So wie der Standesbeamte haben sich auch fast alle anderen bis zum Schluß an ihre Anweisungen gehalten. Als Hitler tot ist, töten Joseph und Magda Goebbels (Ulrich Matthes und Corinna Harfouch) ihre Kinder und scheiden ebenfalls aus dem Leben. Kurz vor ihrem Freitod hatte Magda Goebbels den Führer noch auf Knien und unter Tränen gebeten, in den Westen zu flüchten. Vergeblich.

Das Töten der eigenen Kinder, "weil das Leben in einer Welt ohne Nationalsozialismus nicht mehr lebenswert" erscheint, zeigt den Fanatismus der Goebbels'. Es ist eine erschreckende Szene. Das Einflößen der Zyanid-Kapsel durch Magda Goebbels wurde mit Gummibärchen geübt, berichtet Corinna Harfouch. Als die Szene abgedreht war, flossen Tränen. Der Dreh wurde für diesen Tag beendet.

Die meiste Zeit über nimmt der Film die Perspektive der Hitler-Sekretärin Traudl Junge (Maria Lara) ein. Sie ist freiwillig bei ihm geblieben, als seine Lakaien ihn verließen. "Wenn doch meine Generäle bloß so brav wären wie Sie", sagt Hitler gebrochenen Herzens. Junge gehört zu den wenigen, die am Ende unbeschadet aus dem Inferno entkommen. Trotzdem ist es ein Fehler, daß die "echte" Traudl Junge zu Beginn und Ende des Films zu Wort kommt. Am Ende ihres Lebens - nach mehr als 50 Jahren Vergangenheitsbewältigung - kann sie nicht mehr neutral urteilen. Dadurch geht dem Film ein Stück Authentizität verloren. Es ist der einzige wirkliche Widerspruch in dem Film.

Der Film ist in Münchener Studios und in St. Petersburg entstanden. In der russischen Stadt fanden sich genug Straßenzeilen in heruntergekommenem Zustand für die Außenaufnahmen, und die Komparsen waren auch billiger. Die Stadt ist so sehr von deutschen Architekten geprägt worden, daß sich dort sogar eine deutsche Stadt wie Berlin simulieren läßt.

Was wollte Bernd Eichinger mit seiner 13-Millionen-Euro-Produktion erreichen? "Der Ansatz war, die Geschichte zu erzählen; nicht, die Geschichte zu kommentieren", sagt der Münchner Kinoproduzent. Sein Regisseur Oliver Hirschbiegel geht noch weiter: "Die Diabolisierung nervt mich. Deswegen wollte ich diese Person so wahrhaftig wie möglich beleuchten." Er wolle einen "Mann mit Charisma" zeigen.

Das Duo Eichinger/Hirschbiegel hat das erste Mal zusammengearbeitet. Und dann gleich ein so großes Projekt? Hirschbiegel unterstreicht, daß man gemeinsam Neuland betreten habe. "Dieser Film ist kein Genre", sagt er. In der Tat: In eine Schublade läßt er sich nicht schieben. Er ist weder Dokumentation noch Schauspiel.

Hirschbiegel geht im persönlichen Gespräch noch weiter als sein Produzent. Er spricht von einer "Neubetrachtung der Geschichte" und sagt: "Was die bisherige Vergangenheitsbewältigung angeht: Das ist jetzt vorbei. Das tun wir seit 60Jahren. Als hätten wir nur Dämone und Monster in Deutschland gehabt."

Die ersten Reaktionen auf den Film waren gemischter Natur. Die erste Frage auf der Pressekonferenz lautete: "Darf man mit Adolf Hitler Mitleid haben?" Eichinger antwortete vage, daß dies in einigen Momenten des Filmes "okay" sei.

Auch der Hitler-Darsteller Bruno Ganz habe Mitleid mit dem Mann gehabt, sonst hätte er die Rolle nicht spielen können, sagt er. Ist Adolf Hitler eine Traumrolle? Ganz antwortet nüchtern: "Nein. So eine Figur wird tabuisiert. Insofern ist es eine interessante Rolle."

Die Schauspieler und die Macher haben sich alle intensiv auf den Film vorbereitet. "Viel gelesen", lautete die Antwort aller auf die Frage nach den Vorarbeiten. Am wichtigsten war die Lektüre des Buches "Der Untergang" von Joachim C. Fest. Es ist der Ausgangspunkt für den Film.

Für Eichinger, der über sich sagt, daß er sich seit 20 Jahren erschöpfend mit der Materie befaßt habe, war es eine Schlüssellektüre. Nie habe er sich vorstellen können, so einen Film zu machen. Bis er Fests Buch im Vorabdruck des Spiegel gelesen habe.

Auch die Aufzeichnungen von Traudl Junge haben eine Rolle gespielt. David Irvings "Hitlers Krieg" haben auch die meisten gelesen. Und Goebbels-Darsteller Ulrich Matthes hat dreimal die Tagebücher des Reichspropagandaministers durchgearbeitet. "Parallel mit Berichten von Opfern", wie er sagt.

In den Zeitgeist-Medien wurde der Film verzerrt vorgestellt. Eichingers Aussage wurde vom ZDF-Heute-Journal mitten im Satz sinnentstellend geschnitten. Hitler und seine Lakaien werden als "feige und hirnlose Führung" bezeichnet. So wird Eichingers Film ins Gegenteil verdreht - und unter diesen veränderten Voraussetzungen gelobt.

Ein anderer Kollege konfrontierte die Filmemacher mit dem "Vorwurf", der Film sei im Zusammenhang mit der neu empfundenen Opferrolle der Deutschen entstanden. Schließlich gäbe es neuerdings auch Debatten über die Vertreibung und den alliierten Bombenterror. Dieses Argument wurde von den Feuilletonisten nur zu gern aufgegriffen. Eichinger wies dies jedoch von sich. Schließlich läßt er keinen Zweifel daran, daß Hitler und sein Umfeld Täter waren.

Eichinger ist der wohl einzige deutsche Produzent von internationalem - in der Filmbranche heißt das: amerikanischem - Format. Ihm ist es gelungen einen Film über Hitler zu drehen, in dem der Diktator nicht schemenhaft oder verzerrt dargestellt wird. Er hat dem Diktator ein Gesicht gegeben. Ein menschliches - inmitten all des Wahnsinns der endenden NS-Zeit. "Ich habe versucht, etwas von dem privaten Hitler zu finden", sagt er.

Er beruft sich dabei nicht nur auf Joachim C. Fest, er benutzt sogar identische Begriffe. So sagt er, die Geschichte des Dritten Reiches "verdichte" sich in den zwölf Tagen. In diesem Zusammenhang hat Joachim C. Fest in seiner Filmdokumentation "Hitler - eine Karriere" bereits in den 70er Jahren sinngemäß gesagt, in der Person Adolf Hitlers verdichte sich die Geschichte des ganzen damaligen deutschen Volkes.

Über den Untergang von 1945 schrieb der Historiker: "Der Untergang Berlins ist historisch nur mit dem Ende Karthagos zu vergleichen. Es war weit mehr als das Wahrnehmbare: die Toten, die Trümmerberge und die Verwüstungsspuren über den Kontinent hinaus. Womöglich eine Welt. Wie bei den wirklichen Untergängen stets mehr verloren geht als das, was allen sichtbar vor Augen liegt."

Und das spürt auch der Zuschauer. Markus Schleusner

Bis das der Tod ...: Brautpaar Eva Braun (J. Köhler) und Hitler (B. Ganz) Foto: Constantin Film


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