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11.09.04 / "Mit Windkraft und Propeller" / Im Kulturzentrum Ostpreußen läuft eine Sonderausstellung zur ostpreußischen Luftfahrtgeschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. September 2004


"Mit Windkraft und Propeller"
Im Kulturzentrum Ostpreußen läuft eine Sonderausstellung zur ostpreußischen Luftfahrtgeschichte

Die Erde unter und hinter sich zu lassen, hat die Menschen immer schon fasziniert." Dem war sich nicht nur der CSU-Bundestagsabgeordnete Josef Göppel aus Herrieden bei der Eröffnung der neuen Sonderausstellung "Mit Windkraft und Propeller" im Kulturzentrum Ostpreußen im Ellinger Schloß sicher.

Die Sonderschau beschäftigt sich mit der ostpreußischen Luftfahrtgeschichte. Sie ist in drei Teile untergliedert und befaßt sich zum einen mit dem Motorflug und hier besonders mit der Deutsch-Russischen Luftverkehrsgesellschaft (Deruluft), zum anderen mit der Segelfliegerschule Rossitten und schließlich mit dem Segelflugpionier Ferdinand Schulz.

Göppel erinnerte bei der Eröffnung der Ausstellung daran, daß überhaupt ein großer Teil der Pioniere der Luftfahrt im Bereich der Ostsee zu finden waren, beispielsweise auch Otto Lilienthal. Der CSU-Politiker führte weiter aus, daß Ferdinand Schulz 1921 die Idee geboren hatte, auf der Kurischen Nehrung in Ostpreußen Segelflug zu betreiben. Göppel: "Die Windverhält- nisse dort mußten jeden reizen, der sich etwas mit der Materie befaßt hatte."

Und dem war auch wirklich so. Ostwinde, die über das Haff gegen die Dünen strömten und starke Aufwinde schufen, ermöglichten den einfach konstruierten Segelflugzeugen der damaligen Zeit, länger in der Luft zu bleiben als anderenorts. 1922 wurde mit dem Fliegen auf der Kurischen Nehrung begonnen. Bereits ein Jahr später wurde der erste deutsche Küstenflug-Segelflugwettbewerb veranstaltet. Rossitten wurde neben der Wasserkuppe in der Rhön zum wichtigsten Zentrum des Segelfluges in Deutschland vor 1945.

Durch das Engagement von Ferdinand Schulz kam es schließlich 1926 zur Gründung der Segelfliegerschule Rossitten, die vor allem in den Sommermonaten der damaligen Jahre Flugbegeisterte nicht nur aus ganz Deutschland anzog. Bis 1945 wurden dort 30.000 Segelflugschüler ausgebildet.

Lange Jahre standen den Flugschülern über 30 Schulmaschinen zur Verfügung. Unter diesen war auch der Schulgleiter SG35 "Zögling". Viel Begeisterung fand bei der Ausstellungseröffnung in Ellingen jetzt ein originalgetreuer Nachbau dieses Fluggerätes. Das Modell im Maßstab 1:10 wurde in vielen Stunden Bastelarbeit von Helmut Renner geschaffen. Kein einziges Teil daran ist gekauft, sondern wurde von dem langjährigen Fluglehrer und früheren Vorsitzenden des Luftsportvereins Treuchtlingen-Pappenheim in Handarbeit angefertigt. Sowohl Renner als auch andere hiesige Segelflieger, die bei der Ausstellung anwesend waren, darunter Josef Mang vom Segelflugverein Weißenburg und Alfred Rustler, Vorsitzender des Flugsportvereins Gunzenhausen, standen den Gästen natürlich auch für fachliche Auskünfte zur Verfügung.

Ein weiteres Modell in der Sonderschau zeigt das Flugzeug mit dem Namen "Besenstiel". Mit diesem hatte Ferdinand Schulz mehrere Bestleistungen geflogen und auch 1923 den ersten Küstenflugwettbewerb gewonnen. Schulz gehörte seinerzeit zu den bekanntesten Ostpreußen. Kein Wunder, denn 1924 bekam er nicht nur erneut den ersten Preis beim Küstenflugwettbewerb, sondern schraubte auch den Weltrekord im Dauerflug auf 8:42 Stunden. Im Oktober 1925 startete er bei den 3. Allrussischen Segelflügen und stellte zwei neue Rekorde auf: 12:06 Stunden Dauerflug und 435 Meter Höhe.

Mit dem Flugzeug "Westpreußen" erreichte Schulz im Mai 1927 weitere Bestmarken in Rossitten. Er flog den Pendelstreckenrekord von 455,8 Kilometer in 14:07 Stunden und einen Geschwindigkeitsrekord - eine Strecke von zehn Kilometern mit 54,45 Kilometer pro Stunde. Im schlesischen Grunau gelang dem Segelflieger 1928 ein Höhenrekord mit 653 Metern. Schulz endete allerdings tragisch: Im gleichen Jahr stürzte er vor zahlreichen Zuschauern mit einem Flugzeug auf den Markplatz von Stuhm und starb dabei.

Doch nicht nur der Segelflug, auch der Motorflug nahm in Ostpreußen in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen großen Aufschwung. Am 30. April 1922 startete vom Königsberger Flughafen Devau eine Fokker F III zum Flug nach Moskau und eröffnete damit eine regelmäßige Flugverbindung zwischen Deutschland und der erst wenigen Jahre alten Sowjetunion. Die Deutsch-Russische Luftverkehrsgesellschaft (Deruluft), die 1921 gegründet worden war, war ein Gemeinschaftsunternehmen beider Staaten und eine der ersten Luftfahrtgesellschaften überhaupt, die einen festen Flugplan einhielt.

Königsberg-Moskau war damals die längste Strecke, die an einem Tag bewältigt werden konnte. Die Flugzeit betrug neun Stunden. Schon bald verband die Deruluft mehrere russische Städte und die Hauptstädte der baltischen Staaten mit Königsberg und Tilsit. 1925 wurde Berlin in das Streckennetz aufgenommen. Die Flugsaison dauerte in den ersten Jahren von Mai bis Oktober. Ein Winterdienst wurde erst 1932 eingeführt. Zunächst wurden nur diplomatische Kuriere und Regierungspost befördert, später ließ man auch Privatpersonen und private Post zu. Wachsende politische Spannungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion sorgten 1937 für das Ende des Luftfahrtunternehmens Deruluft.

Bundestagsabgeordneter Josef Göppel ist sich sicher, daß Einrichtungen wie die Deruluft "Dinge sind, an die man anknüpfen kann, wenn es um regionale Konzepte in der Weiterentwicklung der Europä- ischen Union geht". Dies ist auch der Zweck solcher Ausstellungen: In die Vergangenheit blicken und dies als Baustein für neue Entwicklungen nehmen.

Die Ausstellung "Mit Windkraft und Propeller" im Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen ist bis zum 31. Oktober zu sehen. Das Kulturzentrum Ostpreußen ist bis 30. September von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 12 Uhr und von 13 bis 17 Uhr geöffnet, ab 1. Oktober nur noch von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr. Mef

Mit viel Interesse werden die Ausführungen des Leiters vom Kulturzentrum Ostpreußen, W. Freyberg, verfolgt: Josef Göppel (Bildmitte), Wolfgang Freyberg (ganz rechts) Foto: Fritsche


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