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18.09.04 / Von Normalität kann keine Rede sein / 17.000 Soldaten aus mehr als 30 Nationen versuchen, im Kosovo für Frieden zu sorgen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. September 2004


Von Normalität kann keine Rede sein
17.000 Soldaten aus mehr als 30 Nationen versuchen, im Kosovo für Frieden zu sorgen
von Jan Heitmann

Ein namenloser Toter lenkt die Aufmerksamkeit auf einen fast vergessenen Einsatzraum deutscher Soldaten und bringt ihre Führung in Bedrängnis.
Bei der Bundeswehr sucht man jetzt nach "Fehlern im System". Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Wolfgang Schneiderhan, hat die verspätete Meldung des Todesfalles als "Ärgernis" kritisiert. Fehler in der Meldekette hätten dazu geführt, daß die Brisanz dieses Vorganges nicht richtig bewertet worden und der Minister nicht früher davon in Kenntnis gesetzt worden sei. Damit meint der General die Tatsache, daß es bei den Unruhen im Kosovo im März dieses Jahres im deutschen Verantwortungsbereich doch einen Toten gegeben hatte.

Damals war es im Raum Mitrovica zu Gewalttätigkeiten zwischen Serben und Albanern mit zahlreichen Toten und Verletzten gekommen, die sich schnell im ganzen Kosovo ausbreiteten. Auslöser waren Ausschreitungen, bei denen serbische Jugendliche mehrere Mädchen in einen Fluß getrieben hatten, wo sie zu Tode kamen. Die deutschen Soldaten waren von der Entwicklung der Unruhen zunächst überrascht, doch konnten sie in ihrem Sektor relativ schnell wieder für Ruhe sorgen. Zunächst war gemeldet worden, im deutschen Verantwortungsbereich sei kein Mensch ums Leben gekommen. Dies erwies sich als falsch, nachdem in einer ehemaligen serbisch-orthodoxen Klosterschule die verbrannte Leiche eines Mannes entdeckt worden war.

Der Vorgang wird nun in der Bundeswehr untersucht. Er ist der Führung natürlich peinlich, ist der Einsatz im Kosovo doch der erste Auslandseinsatz überhaupt, bei dem die Bundeswehr einen eigenen Sektor erhielt. Bei der Suche nach den Ursachen für den "Fauxpas" steht die Frage im Vordergrund, ob es einen Fehler im System gibt. Immerhin muß im Kosovo die Tätigkeit von über 17.000 Soldaten aus mehr als 30 Nationen, der Nato-Führung sowie ziviler Behörden und Organisationen im Einsatzland koordiniert werden. Bisher galt diese Führungsaufgabe zwar als komplex, dennoch aber als erfolgreich gelöst. Daß dies offensichtlich nicht so ist, muß der sichtlich betroffene Generalinspekteur nun einräumen. An grundsätzliche Veränderungen bei der militärischen Präsenz im Kosovo wird indes nicht gedacht, gilt die Grundorganisation der Kosovo-Schutztruppe Kfor doch als bewährt.

Die Unruhen im Frühjahr haben allerdings gezeigt, daß die Lage im Kosovo alles andere als stabil ist. Darüber können auch Fortschritte wie demokratische Wahlen und die Bildung einer Regierung nicht hinwegtäuschen. Allerdings haben die gemeinsamen Anstrengungen von Kfor und der UN-Mission Unmik (United Nations Interim Administration Mission in Kosovo) dazu geführt, daß die Sicherheitslage im Kosovo deutlich verbessert werden konnte. Die internationale Gemeinschaft bleibt gefordert, ihr militärisches und ziviles Engagement im Kosovo über einen langen Zeitraum fortzusetzen, um das bisher Erreichte nicht zu gefährden. Umfang und Zusammensetzung der eingesetzten Kfor-Kräfte werden dabei der Lageentwicklung angepaßt. Trotz einer insgesamt positiven Entwicklung kann von einer Stabilität oder Normalisierung der Lage noch nicht gesprochen werden. Die CDU fordert jetzt, über die Fortsetzung des Kfor-Mandats in seiner bisherigen Form nachzudenken und gegebenenfalls strukturelle Änderungen vorzunehmen.

Da war man im benachbarten Mazedonien erfolgreicher. Auch hier waren bis Ende des vergangenen Jahres deutsche Soldaten stationiert, seit albanische Extremisten im Frühjahr und Sommer 2001 versucht hatten, die Unzufriedenheit der albanischen Minderheit für ihre Ziele zu nutzen. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den albanischen Gruppen und den Sicherheitskräften führten zu mehr als 100.000 Flüchtlingen und Vertriebenen. Damals stand das Land an der Schwelle zum Bürgerkrieg.

Die internationale Gemeinschaft verfolgte frühzeitig und intensiv eine breit angelegte Strategie mit einem präventiven Ansatz. Tatsächlich gelang es, den Bürgerkrieg und damit den drohenden Zerfall des Landes und der Region abzuwenden und die Konfliktparteien zum Abschluß eines Rahmenabkommens zu bewegen. Als militärischen Teil der Friedensbemühungen führte die Nato die Operation "Essential Harvest" durch. Dabei wurden mit Billigung aller Kontrahenten die von diesen freiwillig abgegebenen Waffen eingesammelt und zerstört. Die Bundeswehr beteiligte sich mit 500 Soldaten an diesem Einsatz.

Auf Wunsch der mazedonischen Regierung schloß sich die ebenfalls von der Nato geführte Operation "Fox" an. Ihr wesentlicher Zweck war der Schutz der von der EU und der OSZE eingesetzten Beobachter. Mit der Führung der für diese Operation eingesetzten Task Force Fox (TFF), der etwa 1.000 Soldaten aus zwölf Nato-Staaten angehörten, übernahm Deutschland erstmals die Verantwortung für eine Gesamtoperation im Rahmen des militärischen Krisenmanagements der Allianz.
Die Umsetzung der Bestimmungen des Rahmenabkommens erlaubte eine schrittweise Verringerung der Militärpräsenz im Einsatzland. Aus "Fox" wurde "Allied Harmony" und daraus "Concordia", der erste allein von der EU geführte Militäreinsatz. Ende des vergangenen Jahres konnten die Soldaten durch Angehörige der EU-Polizeimission "Proxima" abgelöst werden, die für die Sicherung der internationalen Beobachter und die friedliche Umsetzung des Rahmenabkommens zum Schutz der Minderheiten sorgen. Mazedonien bemüht sich heute um eine Annäherung an euro-atlantische Strukturen und hat im März einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt.


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