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18.09.04 / Ohne Vergangenheit keine Zukunft / Dritte "Samländische Kulturwoche" der Kreisgemeinschaft Fischhausen in Rauschen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. September 2004


Ohne Vergangenheit keine Zukunft
Dritte "Samländische Kulturwoche" der Kreisgemeinschaft Fischhausen in Rauschen

Als der Kreisvertreter von Fischhausen Louis Ferdinand Schwarz 1991 beim Kreistreffen in Pinneberg ankündigte: "Das nächste Kreistreffen findet in Rauschen statt!", schauten sich die Samländer befremdet um. Eine unvorstellbare Idee! Inzwischen ist das Unvorstellbare Wirklichkeit geworden: In der zweiten Augusthälfte wurde die "Samländische Kulturwoche" veranstaltet, die nunmehr dritte in Ostpreußen.
Nachdem Louis-Ferdinand Schwarz zusammen mit Rauschens Bürgermeister Leonidowitsch Alexew am Montag, dem 26. August, die Kulturwoche samt zugehöriger Ausstellung im örtlichen Kulturhaus feierlich eröffnet hatte, stellte bereits der nächste Tag die Teilnehmer vor die Qual der Wahl, denn zeitgleich wurde sowohl eine Rundfahrt mit der Bezeichnung "Großer Ostpreußenring" als auch eine Fahrt zu den Kirchen im Samland unter der Führung des Archivars Anatolij Bachtin angeboten und auch durchgeführt.

Am Mittwoch fand neben einem Kolloquium im Rauschener Kulturhaus mit Professor Dr. Koptzev eine Tagesreise bis nach Pillau statt. Auf der Reise dorthin wurde Fischhausen besucht. In der Kreisstadt wurden die Deutschen vom Bürgermeister Alexander Mamajew und seiner Vorgängerin Glafira Grigorenko herzlich begrüßt. Er führte seine Gäste zu der vom Volksbund und der Kreisgemeinschaft Fischhausen errichteten Gedenkstätte, die sich in einem sehr gepflegten Zustand befand.
Mit Pillau verbindet die Kreisgemeinschaft ein Partnerschaftsvertrag, der zu einem gemeinsamen Aufbau des Museums und zu einem Schüleraustausch geführt hat. 1999 hatte Louis-Ferdinand Schwarz den Besuch von zwölf Jugendlichen in Ritterhude bei Bremen organisiert. Der Bürgermeister der Hafenstadt, Viktor Koschelew, begrüßte die deutschen Gäste, und der Leiter des Museums, Dr. Sergej Jakimow führte sie durch die Stadt. Er zeigte ihnen die Museen, den Friedhof, den Hafen und die Zitadelle, und hier wurden Erinnerungen wach. 1999 war die Zitadelle, die seit 1945 von keinem Deutschen betreten worden war, zum ersten Mal geöffnet worden, ein unvergeßliches Erlebnis für die Teilnehmer der Samländischen Kulturtage damals. "Der erste Westdeutsche, der die Zitadelle betreten hat, war Louis-Ferdinand Schwarz", betonte Jakimow denn auch.

Die anstrengenden Reisetage hatten die Energiereserven der Gäste aber nicht aufgebraucht. Pünktlich um 20 Uhr fanden sich über 60 Zuhörer im Club des Militärsanatoriums, sprich im Kulturhaus in Rauschen, ein, um einen Vortrag über die "Sozialökonomische Situation im Samland" zu hören.
Ein Besuch im Samland ohne die Nehrung - das geht nicht. Petrus meinte es gut und bescherte einen sonnigen Tag inmitten des sonst "durchwachsenen" Wetters, so daß auch die Badehungrigen auf ihre Kosten kamen. Wer bis nach Nidden fuhr - die litauisch verwaltete Seite der Nehrung verlangt ein gesondertes Visum - konnte das Thomas-Mann-Haus besichtigen, wer nur bis Pillkoppen fuhr, konnte die Vogelwarte in Rossitten besuchen. Allen aber wurde das unvergeßliche Naturerlebnis "dieser Welt des Schweigens" (Ernst Wiechert) zuteil.

Der Regen wollte den ganzen Tag nicht aufhören, als die Stadtrundfahrt in Königsberg anstand. Die Führung übernahm die Reiseleiterin Inna, die sich bald als Kant-Enthusiastin entpuppte. Die erste Station wurde denn auch an der Stelle gemacht, wo einst Kants Geburtshaus stand. An dem Häuserblock hat die Kreisgemeinschaft Fischhausen am 22. April 2004 eine Tafel mit einem Kant-Porträt angebracht.
Grundsätzlich wird bei den Russen am Freitag und Sonnabend geheiratet. Am Dom fuhren deshalb geschmückte Wagen vor, Brautpaare stiegen aus, und der Bräutigam trug die Braut über die Honigbrücke - ein lieber deutscher Brauch ist übernommen worden.

Fast auf den Tag genau 60 Jahre nach dem Bombardement Königsbergs standen die Samländer vor dem wiedererbauten Dom. Hauptziel war das Kantmuseum, und Inna stellte Kants Leben und seine Lehrtätigkeit anhand der Exponate vor. Als Schülerin von Prof. Dr. Gilmanow hielt sie völlig frei einen Vortrag, legte Kants Forderung nach Selbstbestimmung und Verantwortung des mündigen Menschen dar und hob Kant als einen der Weltweisen hervor. Sie zitierte die drei Formeln des Kategorischen Imperativs und machte ihren Zuhörern mit einem weiteren Kant-Zitat besondere Freude: "Wenn alle Menschen nur über das sprechen würden, wovon sie eine Ahnung haben - so herrschte in der Welt eine schreckliche Stille." Ehrfürchtig führte sie die Gäste zu Kants Totenmaske und wußte zu berichten, daß seine letzten Worte am 12. Februar 1804 lauteten: "Es ist gut!"

Der Aufenthalt in Königsberg, bei dem noch der Lasch-Bunker und das Bernsteinmuseum im Dohna-Turm besichtigt wurden, endete mit einem Höhepunkt der Samländischen Kulturtage: mit dem Konzert im Dom. Überwältigend war bereits der Eintritt ins Innere des Domes. Die Glasfenster, der verputzte Innenraum, die fertige Empore und das hohe Gestühl machen den Dom wieder zu einem würdigen Gotteshaus. Mehrere Landsleute beteten, bevor sie sich hinsetzten. Welch ein Unterschied zu dem Konzert im Juli 1999, als die Wände mit dunklen Tüchern verhängt waren und Stühle herbeigetragen werden mußten. Und doch war gerade das Konzert 1999 ein bahnbrechendes Ereignis in der Geschichte der Stradt gewesen: Ein deutscher und ein russischer Chor sangen gemeinsam. In seiner Begrüßung erinnerte Louis-Ferdinand Schwarz an die Mitwirkung des Männerchores aus Dissen bei dem damaligen "Konzert der Hoffnung". Nun konnte der Dissener Chor nicht dabei sein: Der Chorleiter Friedhelm Beckmann ist verstorben. In einer Schweigeminute wurde seiner gedacht. Der russische Chor "Credo" von der Musikfachschule Königsberg brachte vor seinem Auftritt schon eine freudige Überraschung. Die Chorleiterin Tamara Maximowa war mit Fieber erkrankt und wollte eigentlich eine Vertreterin schicken. Nun erschien sie doch selbst und wurde schon deshalb begeistert begrüßt. Und dann begann das Konzert. Im Dom zu Königsberg erklang "Land der dunklen Wälder". Tief bewegt standen die Landsleute auf, und es flossen Tränen. Kompositionen von Rachmaninow, "Ännchen von Tharau", die allen bekannten "Abendglocken" - ob Händel oder schlichtes Volkslied, alles war ein künstlerisch ausgereifter Vortrag, und die Solostimmen waren "Weltklasse". So urteilte ein Besucher.
Dann ging es zum Feldgottesdienst mit Totenehrung nach Germau. Pastor i.R. Klaus Schulz-Sandhof hatte als Predigttext 2. Mose, 3, 5 ausgesucht: "... ziehe deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!" "Auch dieser Boden ist heiliges Land", sagte Schulz-Sandhof, "denn hier liegen zahllose Tote, denen wir heute die Ehre erweisen wollen, die ihnen einst versagt wurde." Die Toten verpflichten uns zur Arbeit für Versöhnung und Frieden, die wir im christlichen Geiste angehen sollen, so Schulz-Sandhof. "Ob wir Erfolg haben werden, steht nicht in unserer Macht. Aber wir wissen, daß Gott bei uns ist", sagte er später am russischen Ehrenmal. Ein bewegender Höhepunkt des Gottesdienstes war die Einsegnung des Goldenen Ehepaares Tuschewitzki. Das anschließende Lied "Lobe den Herren" bekam an diesem Ort und bei diesem Ereignis, das vor anderthalb Jahrzehnten undenkbar war, eine vertiefte Bedeutung.
An der Gedenktafel der Germauer Toten an der Kirchenruine legte Louis-Ferdinand Schwarz nach dem Gottesdienst ein Gebinde nieder. Das gleiche Gebinde wurde am russischen Ehrenmal niedergelegt, wo der evangelische Posaunenchor "Kaliningrad/Königsberg", der den Gottesdienst musikalisch begleitet hatte, ein russisches Trauerlied spielte.

Die Abschlußveranstaltung fand im Kulturhaus in Rauschen statt, im ehemaligen "Cafe Düne". Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Louis-Ferdinand Schwarz hielt eine Rückschau auf die ereignisreichen Tage und stellte die positivste Erfahrung heraus: Überall waren die Samländer freundlich und herzlich empfangen worden. In freundschaftlicher Atmosphäre waren mit allen offiziellen Stellen fruchtbare Gespräche geführt worden.
Es folgte eine lange Liste von Danksagungen. Das erste Dankeschön galt den russischen Gastgebern. Sodann erfolgte ein Dank an die Aussteller, an Pastor Schulz-Sandhof für den geistlichen Beistand und an Ludmilla Poponnikowa, die Geschäftsführerin des Kulturhauses, sowie an Eduard Kotkowskij, den Chef des Militärsanatoriums. Hier applaudierten besonders die Aussteller und alle, die in irgendeiner Form im Kulturhaus "Dienst" getan hatten. Eine geduldigere und aufmerksamere Betreuung als die durch Ludmilla Poponnikowa und ihr Team konnte es nämlich kaum geben.
Der Bürgermeister von Rauschen gab seiner Freude über die gelungene Veranstaltungswoche Ausdruck. Er trage sich mit dem Gedanken, ein Museum über die deutsche Vergangenheit einzurichten, denn "ohne Vergangenheit kann keine Zukunft sein". In Rauschens Ortsvertreter Hans-Georg Klemm könnte er dabei den besten Mitarbeiter finden. Ebenso wichtig aber seien Kontakt und Austausch, denn, so die bewegenden Worte von Walerij Alexejew, "nur Freundschaft und Liebe hinterlassen gute Spuren".
Dann wurde die Bühne freigegeben für ein buntes Programm. Die russische Volkstanzgruppe Laduschky aus Rauschen führte russische Folklore und deutsche Lieder vor, und das Publikum lehnte sich entspannt zurück. Eines der "Bonbons" war, professionell vorgetragen, das Chanson "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt". Und dann gab es wieder eine Überraschung. Der Chor "Credo" unter Leitung von Tamara Maximowa erschien unerwartet, trug noch einmal Lieder aus dem unvergeßlichen Konzert vom Vorabend vor und sang gemeinsam mit den Samländern zum Abschluß das Ostpreußenlied.

 

Die förmliche Eröffnung der Kulturwoche: Rauschens Bürgermeister Walerij Leonidowitsch Alexew (links) und Fischhausens Kreisvertreter Louis-Ferdinand Schwarz Fotos (2): Plehn

Im samländischen Kinderdorf Salem: Louis-Ferdinand Schwarz (links) begrüßt den Chefredakteur der Kaliningrader Prawda Boris Nisnewitsch.


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