Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
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Preußische Allgemeine Zeitung / 18. September 2004
Als der Kreisvertreter von Fischhausen Louis Ferdinand Schwarz 1991 beim
Kreistreffen in Pinneberg ankündigte: "Das nächste Kreistreffen findet in
Rauschen statt!", schauten sich die Samländer befremdet um. Eine unvorstellbare
Idee! Inzwischen ist das Unvorstellbare Wirklichkeit geworden: In der zweiten
Augusthälfte wurde die "Samländische Kulturwoche" veranstaltet, die nunmehr
dritte in Ostpreußen.
Am Mittwoch fand neben einem Kolloquium im Rauschener Kulturhaus mit Professor
Dr. Koptzev eine Tagesreise bis nach Pillau statt. Auf der Reise dorthin wurde
Fischhausen besucht. In der Kreisstadt wurden die Deutschen vom Bürgermeister
Alexander Mamajew und seiner Vorgängerin Glafira Grigorenko herzlich begrüßt. Er
führte seine Gäste zu der vom Volksbund und der Kreisgemeinschaft Fischhausen
errichteten Gedenkstätte, die sich in einem sehr gepflegten Zustand befand.
Die anstrengenden Reisetage hatten die Energiereserven der Gäste aber nicht
aufgebraucht. Pünktlich um 20 Uhr fanden sich über 60 Zuhörer im Club des
Militärsanatoriums, sprich im Kulturhaus in Rauschen, ein, um einen Vortrag über
die "Sozialökonomische Situation im Samland" zu hören.
Der Regen wollte den ganzen Tag nicht aufhören, als die Stadtrundfahrt in
Königsberg anstand. Die Führung übernahm die Reiseleiterin Inna, die sich bald
als Kant-Enthusiastin entpuppte. Die erste Station wurde denn auch an der Stelle
gemacht, wo einst Kants Geburtshaus stand. An dem Häuserblock hat die
Kreisgemeinschaft Fischhausen am 22. April 2004 eine Tafel mit einem
Kant-Porträt angebracht. Fast auf den Tag genau 60 Jahre nach dem Bombardement Königsbergs standen die Samländer vor dem wiedererbauten Dom. Hauptziel war das Kantmuseum, und Inna stellte Kants Leben und seine Lehrtätigkeit anhand der Exponate vor. Als Schülerin von Prof. Dr. Gilmanow hielt sie völlig frei einen Vortrag, legte Kants Forderung nach Selbstbestimmung und Verantwortung des mündigen Menschen dar und hob Kant als einen der Weltweisen hervor. Sie zitierte die drei Formeln des Kategorischen Imperativs und machte ihren Zuhörern mit einem weiteren Kant-Zitat besondere Freude: "Wenn alle Menschen nur über das sprechen würden, wovon sie eine Ahnung haben - so herrschte in der Welt eine schreckliche Stille." Ehrfürchtig führte sie die Gäste zu Kants Totenmaske und wußte zu berichten, daß seine letzten Worte am 12. Februar 1804 lauteten: "Es ist gut!"
Der Aufenthalt in Königsberg, bei dem noch der Lasch-Bunker und das
Bernsteinmuseum im Dohna-Turm besichtigt wurden, endete mit einem Höhepunkt der
Samländischen Kulturtage: mit dem Konzert im Dom. Überwältigend war bereits der
Eintritt ins Innere des Domes. Die Glasfenster, der verputzte Innenraum, die
fertige Empore und das hohe Gestühl machen den Dom wieder zu einem würdigen
Gotteshaus. Mehrere Landsleute beteten, bevor sie sich hinsetzten. Welch ein
Unterschied zu dem Konzert im Juli 1999, als die Wände mit dunklen Tüchern
verhängt waren und Stühle herbeigetragen werden mußten. Und doch war gerade das
Konzert 1999 ein bahnbrechendes Ereignis in der Geschichte der Stradt gewesen:
Ein deutscher und ein russischer Chor sangen gemeinsam. In seiner Begrüßung
erinnerte Louis-Ferdinand Schwarz an die Mitwirkung des Männerchores aus Dissen
bei dem damaligen "Konzert der Hoffnung". Nun konnte der Dissener Chor nicht
dabei sein: Der Chorleiter Friedhelm Beckmann ist verstorben. In einer
Schweigeminute wurde seiner gedacht. Der russische Chor "Credo" von der
Musikfachschule Königsberg brachte vor seinem Auftritt schon eine freudige
Überraschung. Die Chorleiterin Tamara Maximowa war mit Fieber erkrankt und
wollte eigentlich eine Vertreterin schicken. Nun erschien sie doch selbst und
wurde schon deshalb begeistert begrüßt. Und dann begann das Konzert. Im Dom zu
Königsberg erklang "Land der dunklen Wälder". Tief bewegt standen die Landsleute
auf, und es flossen Tränen. Kompositionen von Rachmaninow, "Ännchen von Tharau",
die allen bekannten "Abendglocken" - ob Händel oder schlichtes Volkslied, alles
war ein künstlerisch ausgereifter Vortrag, und die Solostimmen waren
"Weltklasse". So urteilte ein Besucher.
Die Abschlußveranstaltung fand im Kulturhaus in Rauschen statt, im ehemaligen
"Cafe Düne". Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Louis-Ferdinand
Schwarz hielt eine Rückschau auf die ereignisreichen Tage und stellte die
positivste Erfahrung heraus: Überall waren die Samländer freundlich und herzlich
empfangen worden. In freundschaftlicher Atmosphäre waren mit allen offiziellen
Stellen fruchtbare Gespräche geführt worden.
Die förmliche Eröffnung der Kulturwoche: Rauschens Bürgermeister Walerij Leonidowitsch Alexew (links) und Fischhausens Kreisvertreter Louis-Ferdinand Schwarz Fotos (2): Plehn Im samländischen Kinderdorf Salem: Louis-Ferdinand Schwarz (links) begrüßt den Chefredakteur der Kaliningrader Prawda Boris Nisnewitsch. |