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Preußische Allgemeine Zeitung / 02. Oktober 2004
Einer wachsenden Zahl von CDU-Anhängern fällt es zunehmend schwerer, "ihre"
Partei zu verstehen. Insbesondere jene, für die Patriotismus mehr als eine
Sonntagsfloskel bezeichnet, hatten nicht erst seit der Hohmann-Affäre einigen
Grund, den Kopf zu schütteln. Anlaß für die jüngsten Irritationen ist die
Kritik des Ex-Parteichefs und heutigen CDU-Außenpolitikers Wolfgang Schäuble
an Außenminister Fischers Vorstoß, Deutschland einen ständigen Sitz im
UN-Sicherheitsrat zu verschaffen. Schäuble nennt das "Re-Nationalisierung der Außenpolitik" und "ganz
altes Denken". Der Nachfolger Kohls im Parteivorsitz fordert die
Bundesregierung auf, statt nach einem deutschen Sitz zu streben, lieber der EU
den Vorrang zu geben. Für einen EU-Sitz in dem Weltgremium müßten
Großbritannien und Frankreich ihre Stühle räumen. Schäuble weiß indes
genau, daß die Chancen dafür praktisch gleich Null sind. Sollte Berlin den
Vorstellungen des Unionspolitikers also folgen, hieße dies, daß Deutschland
auf alle absehbare Zeit als drittgrößter Beitragszahler und zweitgrößter
Truppenlieferant der Uno bei den wesentlichen Entscheidungen nur Zuschauer
bliebe. Was Schäuble hingegen als "ganz altes Denken" bekritelt, ist nichts
als die nüchterne Realität der Weltpolitik, in der nach wie vor die
Nationalstaaten den Ton angeben. Warum also nicht auch der deutsche? Gesundes
Nationalbewußtsein und Sinn für die Wirklichkeit verbinden sich in dem
Ansinnen nach einem Sicherheitsratssitz. Für beides stand in den Augen ihrer
Anhänger eigentlich stets die Union, kaum die SPD und schon gar nicht die
Grünen. Eher hier als bei den Christdemokraten erwartete man, daß kühl
kalkulierte deutsche Interessenpolitik verfemt wird und den Bürgern stattdessen
ein Gebräu aus internationalistischen Träumereien und Mahnungen zur deutschen
Selbstbeschneidung aufgetischt wird. So verwundert es denn auch nicht, daß Joschka Fischer seinen Wunsch nach
einem ständigen Sitz mit tönender Verantwortungsrhetorik vorbringt. Wer das
bloß für die notwendige diplomatische Umgarnung hält, liegt nur zum Teil
richtig. Abgesehen von der unüberbietbaren Eitelkeit dieses Mannes glaubt er
tatsächlich an die Ideologie der Überwindung der Nationalstaaten, vor allem
der des deutschen. Für Fischer ist Deutschland nicht Zweck seiner Politik,
sondern Mittel, mehr nicht. Wenn er ihm mehr Gewicht verleihen will, dann, um es
als Instrument für Anderweitiges zu stärken. Doch dies ist langfristig gesehen
zweitrangig: Fischer wird wieder gehen, der Sicherheitsratssitz würde bleiben. Warum verprellt die CDU die Nationalen? Meint sie, die haben sowieso keine
Alternative zum Unionwählen? Das wäre ein Spiel mit dem Feuer: Denn wenn die
Demokraten keinen vernünftigen Patriotismus anbieten, kann der unvernünftige
an Terrain gewinnen, wie wir es in Sachsen erlebt haben. Schäuble und die Union
sollten die Zeichen erkennen. Hans Heckel |
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