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02.10.04 / Auf Lügen gebaut

© Preußische Allgemeine Zeitung / 02. Oktober 2004


Hans-Jürgen Mahlitz:
Auf Lügen gebaut

Alle Kreter sind Lügner - als der Kreter Epimenides vor zweieinhalb Jahrtausenden sein berühmtes Paradoxon formulierte, konnte er natürlich nicht ahnen, welche Interpretationsmöglichkeiten sich in unseren Tagen erschließen würden: Nicht nur "alle Kreter", sondern auch ein Großteil der Festland-Hellenen stehen im Verdacht, Lügner zu sein. Und wenn griechische Politiker von griechischen Politikern der Lüge bezichtigt werden, weiß der nichtgriechische Europäer gar nicht mehr, was nun Wahrheit und was Lüge ist.

Die Fakten, soweit bislang bekannt: Athen hat die Europäische Union jahrelang mit phänomenalen Wirtschafts- und Finanzdaten dermaßen beeindruckt, daß der Zutritt zur Euro-Zone kein Problem mehr war. Man durfte sich zwar wundern, wieso ausgerechnet ein Land, das jahrzehntelang durch zweistellige Inflationsraten aufgefallen war, sich über Nacht zum Musterschüler in Sachen Stabilität und Schuldenabbau wandeln konnte. Wer aber öffentlich Zweifel äußerte, zog sich den homerischen Zorn der Hellenen zu - am Fuße der Akropolis fühlt man sich schnell einmal beleidigt.

Nun gab es in Griechenland mal wieder einen politischen Wachwechsel, diesmal von links nach rechts, und die neuen Herren profilierten sich, indem sie die alten Herren als Lügner entlarvten: Die EU- und Euro-Partner waren über Jahre mit falschen Zahlen getäuscht worden, sonst hätten sie nie und nimmer die Drachme zum Euro mutieren lassen. Auch in Brüssel fühlte man sich jetzt beleidigt.

Die insbesondere in Deutschland zur Schau gestellte Überraschung, daß die Griechen so locker mit der Wahrheit umgingen, wirkt allerdings reichlich aufgesetzt und scheinheilig. Warum hat man nicht viel früher schon etwas genauer hingeguckt?

Neben einem erheblichen Maß an Blauäugigkeit hat da wohl auch der "Wunsch als Vater des Gedankens" mitgespielt: In der Euphorie über Kohls Lieblingskind, den Euro, wollte man einfach nicht wahrhaben, daß da nicht alles wahr war, was als "Geburtshilfe" tauglich schien. Athen, wahrscheinlich auch Rom und andere, konnten die Euro-Fans so leicht belügen, weil diese belogen werden wollten.

Noch einmal zurück zum alten Epimenides. Folgt man seiner paradoxen "Logik", dann ist seine Aussage gleichzeitig richtig und falsch - egal, ob er selber lügt oder die Wahrheit sagt. Auf die aktuelle Situation übertragen bedeutet dies: Die Nea-Demokratia-Politiker, die derzeit in Athen regieren, sind möglicherweise genauso Lügner wie die gerade abgewählten Pasok-Politiker. Frei nach Epimenides also: Alle Griechen sind Lügner?

Nein, so pauschal wollen wir ein ganzes Volk nicht verunglimpfen. Es reicht, daß nahezu alle griechischen Politiker im dringenden Verdacht stehen, sich mit falschen Zahlen, frisierten Statistiken und "kreativer Buchführung" Zugang zu allen möglichen europäischen Fleischtöpfen, sprich Subventionsquellen, verschafft zu haben. Selbst der EU-Beitritt Athens erscheint heute in einem neuen Licht.

Ebenso schlimm aber ist es, daß diejenigen, welche die Interessen unseres Volkes in Berlin, Brüssel und Straßburg zu vertreten haben, sich die Lügereien und Tricksereien unkritisch haben bieten lassen, zu Lasten der EU-Nettozahler, und das sind nun einmal an erster Stelle wir Deutschen.

Kein Wunder also, daß immer mehr Bürger meinen, auf eine EU, die samt ihrer Gemeinschaftswährung auf Lügen gebaut ist, könne man verzichten; zumindest müsse man sie ja nicht gerade mit unseren Steuergeldern finanzieren! Wer künftig in Deutschland Wahlen gewinnen will (unter anderem auch, um eine vernünftige Europa-Politik zu gestalten), ist gut beraten, Volkes Stimme nicht als "Stammtisch" abzutun, sondern ernst zu nehmen.


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