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02.10.04 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 02. Oktober 2004


Hosen runter! / Es wird ungemütlich in der EU
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Europa, der große Krake, der die Bürger entmündigt und die hübschen Traditionen und Eigenheiten seiner Völker unterpflügt im Brei des immer und überall Gleichen - so ätzen die Kleingeister, in deren Querköpfen kein Platz ist für Visionen. Die Visionäre hielten tapfer dagegen, in Europa herrsche doch das "Subsidiaritätsprinzip". Das aufgeschwollene Wort versteht keiner, daher hier eine kurze Erläuterung. "Subsidiarität" heißt: Brüssel erläßt zwar jeden Tag soundsoviele Verordnungen, doch jede Nationalregierung entscheidet anschließend frei darüber, was sie damit anstellt, also ob sie die Verordnungen wahrmacht oder wegmacht.

Richtig angewendet straft "Subsidiarität" alle EU-Kritiker Lügen. Nichts da mit "Gleichmacherei", ganz im Gegenteil: Erst dieses Europa ermöglicht es vielen Nationen überhaupt erst, ihre reizenden Besonderheiten frei und ungehemmt auszuleben. Früher, auf sich allein gestellt, waren sie allerlei grausigen Zwängen ausgesetzt, die ihre Entfaltungsfreiheit empfindlich einschränkte. Die sind nun alle von ihnen genommen.

Hätten sich beispielsweise die Griechen vor dem Euro so sportlich rasant verschuldet wie sie es in den vergangenen Jahren getan haben, hätte Athen ziemlichen Ärger bekommen mit dem Griechenvolk. Zwar sind das keine solchen Erbsenzähler wie die Deutschen, bei denen sogar die Phantasiezahlen für den nächsten Bundeshaushalt bis auf die letzte Stelle hinterm Komma korrekt zusammengelogen werden. Die Griechen nehmen's mediterran-locker. Doch mit ihrer Heiterkeit ist es vorbei, wenn sie zusehen müssen, wie ihre Sparguthaben mit der Inflation davongaloppieren, weil ihr Staat nur noch per rapider Geldentwertung den Kopf aus der Schuldenschlinge kriegt.

Aber das war einmal - dank Europa, dank dem Euro. An dem Tag, als die schwindsüchtige Drachme durch Geld ersetzt wurde, dessen Stabilität auf den Schultern anderer ruht, brach das goldene Zeitalter an. Die Griechen konnten nun Jahr um Jahr eine neues, noch größeres Faß aufmachen und ihr Volk mit reichlich Brot und (olympischen) Spielen begeistern. Die Währungshüter in Frankfurt schläferten sie derweil mit jenen blendenden Zahlen ein, die sie hören wollten. Das hat niemanden gekratzt, bis diese konsvervative Petze auf den Athener Plan getreten ist, um alles auszuplappern. Als Griechenland noch groß war, in der Antike, da reichte man Kerlen, die sogenannte "Wahrheiten" aussprachen, die nun wirklich keiner hören wollte, einen Schierlingsbecher.

Daran sollten die Europäer anknüpfen, denn durch die ungeheuerliche Indiskretion des griechischen Regierungschefs droht Europa an seinen Grundfesten Schaden zu nehmen. Die Barbaren aus dem Norden sind heißgelaufen und wollen nun einem Land nach dem anderen die Hosen runterziehen um zu gucken, ob es Löcher in den Taschen hat. Als erstes ist Italien dran mit Filzen.

Wohin soll das führen? Ist gar das oben erwähnte "Subsidiaritätsprinzip" europäischer Prägung in Gefahr? Das gilt ja nicht bloß in Fragen der Haushaltsüberwachung. Auch alles andere wie etwa Agrarauflagen und Subventionen werden nach seinem Muster umgesetzt, das heißt: Brüssel erläßt so dies und das, was deutsche Bürokraten dann auf deutsche Bauern in deutscher Gründlichkeit niederprasseln lassen, während ihre südeuropäischen Kollegen die Sache vermutlich etwas lockerer angehen. Wir sehen: Europa nimmt es ernst mit dem Respekt vor den kulturellen Besonderheiten seiner Mitgliedstaaten. Die nationalen Verwaltungen sind es nämlich auch, die die weitere Einhaltung der EU-Erlasse überprüfen - oder eben nicht überprüfen. So nimmt niemand Anstoß an den regionalen Unterschieden in der Umsetzung von EU-Vorgaben - weil ja keiner davon erfährt, solange alle dichthalten.

Da Deutschland das europäischste aller europäischen Länder sein will, hat es die EU-Praxis bei der Subventionsvergabe Eins zu Eins in den "Aufbau Ost" übernommen, mit Erfolg: Was den Ideenreichtum im Erlangen, Bunkern und Verschwindenlassen staatlicher Zuschüsse angeht, haben wir die Weltspitze erreicht. Zeit für Wirtschaftsminister Clement, Phase zwei der "Aufbau Ost"-Rakete zu zünden. Er teilte uns dieser Tage seinen Beschluß mit, daß die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen "alten" und "neuen" Bundesländern im Jahre 2019 erreicht sein wird. Das trifft sich gut, denn just in jenem Jahr läuft der "Solidarpakt II" aus. Sie meinen, das klingt verdächtig nach dem Gebaren von Planwirtschaftlern? Einfach beschließen, was bis wann durch zu sein hat? Sicher tut es das, na und? Das SED-Politbüro hat Anfang der 80er Jahre beschlossen, "das Wohnungsproblem in der DDR bis 1990 zu lösen", und siehe da ...

Das Jahr 2019 wird ab jetzt der Stern der Hoffnung sein für viele westdeutsche Kommunen. Dann endlich wird er kommen, der "Solidarpakt III", der "Aufbau West". Schon heute geht der böse Witz um, die Sachsen oder Mecklenburger führen nur deshalb so gern in den Westen, weil sie ihren Kindern zeigen wollen, wie sie vor 15 Jahren gelebt haben. Der Ulk ist mit hoher Sicherheit in den modrigen Gemäuern der Hochburg der "Jammerwessis", in Gelsenkirchen, gereimt worden.

Denen dort fehlt der notwendige Optimismus. Statt der Welt ein Lächeln zu schenken, maulen die Leute in dem Ruhrpott-Ort über Löcher in Dächern und Straßen und über Arbeitslosigkeit. Warum kaufen sie keine Eimer, ziehen sich Gummistiefel an und genießen die Aussicht auf Hartz IV? Wer sich vom bevorstehenden Finanzkollaps die gute Laune verderben läßt, ist selber schuld. Leuchtende Vorbilder gibt es genug: Berlins Wowereit lacht vom höchsten Schuldenberg der Republik wie ein Honigkuchenpferd auf das staunende Publikum herab, die Eröffnungsfeier in Griechenlands olympischem Etatloch war atemberaubend und das über beide Ohren verschuldete Bremen hat uns für 190 Millionen Euro seit dem Frühjahr die Sterne in seinen "Space Park" geholt. Gestern wurde der Weltraum schon wieder geschlossen, pleite. Schade, macht aber nichts.

Für Bremen sind die roten Zahlen nämlich längst eine Frage des Überlebens geworden. Das kleinste Bundesland wäre womöglich längst abgewickelt worden, wenn es sich nicht so aufwendig verschanzt hätte hinter seinen Ehrfurcht einflößenden Außenständen. So beschleichen den Nachbarn Niedersachsen Panik-attacken bei dem Gedanken, zu den eigenen unbezahlten Deckeln auch noch die Bremer an die Backe zu kriegen. Über den vier Bremer Stadtmusikanten thront längst ein fünfter: der Kuckuck. Er verwandelt alle in Bankrotteure, die es wagen, an die Eigenstaatlichkeit der kleinen Republik zu rühren.

Konversation auf der Schlampenparty Zeichnung: Götz Wiedenroth


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