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Preußische Allgemeine Zeitung / 16. Oktober 2004
Selbst eingefleischte Unionsanhänger können die endlosen Streitereien nicht
mehr ertragen. Besonders die kämpferisch geführte Debatte um eine gemeinsame
Gesundheitsreform zeigt, wie weit die Union von einer gemeinsamen Linie entfernt
ist. Dabei wird die Kopfpauschale der CDU nicht nur von Horst Seehofer (CSU) als
unsozial bezeichnet, auch 57 Prozent der Unionsanhänger finden es ungerecht,
wenn alle unabhängig vom Einkommen eine Einheitsprämie von 180 Euro zahlen. Doch die niedersächsische Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU)
versucht nun mit neuen Zahlen zu untermauern, daß die Gesundheitsprämie ihrer
Chefin Angela Merkel keineswegs unsozial sei und zum Wahlkampfschlager werden
würde. So habe das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
berechnet, daß es bei einem Monatseinkommen ab 1.300 Euro brutto zu einer
Entlastung des Versicherten kommen soll. Dann zahle dieser statt derzeit 186
Euro - die Hälfte davon überweist der Arbeitgeber an die Versicherung - nur
noch 180 Euro. Da der Arbeitgeber ihm jedoch 90 Euro gleich mit seinem Gehalt
überweisen würde, habe der Arbeitnehmer zwar einen höheren Steuersatz, doch
trotzdem blieben ihm monatlich 50 Cent mehr übrig. Bei Einkommen unter 1.300
Euro greife eine Überforderungsklausel, die bei Gesamtkosten von etwa 28 bis 29
Milliarden liegen würde, von denen 17 Milliarden allerdings schon durch die
Steuermehreinnahmen aufgrund der Direktüberweisung des Arbeitgeberanteils mit
dem Lohn getragen würden. Diese Berechnungen überfordern allerdings so manchen
gesunden Menschenverstand, denn die Lücke von immerhin noch elf Milliarden soll
über einen steuerfinanzierten Solidarausgleich geschlossen werden, obwohl die
CDU grundsätzlich gegen Steuererhöhungen ist. Ihrer angeblichen Liebe zur
Familie trägt die CDU zudem mit ihrem Modell auch nicht Rechnung, denn bisher
mitversicherte Ehepartner müssen nun ebenfalls die Kopfpauschale abführen. Die CDU hat eine Gesundheitsreform geschaffen, die so verwirrend und von so
viel "Ja, aber" durchzogen ist, daß sie nicht nur Horst Seehofer und Edmund
Stoiber, die Befürworter eines einkommensabhängigen Stufenmodells, nicht
überzeugt. Wie dieses komplizierte Gebilde zum Wahlkampfschlager und wie damit
der Bedarf der Krankenkassen gedeckt werden soll, bleibt offen. Welcher nach dem
Modell entlastete Besserverdiener und Arbeitgeber hat zudem etwas davon, wenn
das Gesundheitssystem aufgrund von Einheitsbeiträgen seine Leistungen noch
weiter einschränkt? Je länger das Konzeptchaos in der Union währt, um so mehr freut sich
Rot-Grün, denn so könnten sie die Wahl 2006 doch noch gewinnen. R. B. |
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