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Preußische Allgemeine Zeitung / 23. Oktober 2004
Es geht um den Intendantenposten am Deutsche Theater (DT) in Berlin, aber vor
allem geht es um einen Kulturkampf zwischen Ost und West. Der wird zwar von den
Beteiligten geleugnet, aber ihre Leidenschaft verrät sie. Der "Westen", das sind
der amtierende Intendant Bernhard Wilms und die überregionalen Tageszeitungen.
Der "Osten", das sind Berlins Kultursenator Thomas Flierl (PDS), der neue
DT-Intendant Christoph Hein und die Berliner Zeitung, die in der Hauptstadt über
beträchtlichen Einfluß verfügt.
Senator Flierl hatte zeitig klargemacht, daß er den 2006 auslaufenden Vertrag
von Bernhard Wilms nicht zu verlängern gedenkt. Der Grund ist nicht eindeutig.
Das Haus - einst die Renommierbühne der DDR - sei zu beliebig geworden, heißt
es, Wilms habe das angestammte Ensemble vergrault und das DT einem nur an
Äußerlichkeiten interessierten Regiebetrieb unterworfen. Der Schriftsteller
Christoph Hein, Jahrgang 1944, soll die Bühne zum "führenden deutschsprachigen
Schauspieltheater", ja zum "Nationaltheater" machen. Zum "Nationaltheater der
DDR!", trompetete die Welt, und Gerhard Stadelmayer, Theaterredakteur der
Frankfurter Allgemeinen (FAZ), nannte Hein den "Garanten für den
Ost-Familienmief". Er sei nicht angekommen im "neuen Deutschland", auch seine
nach 1989 entstandenen Romane "Der fremde Freund", "Drachenblut" und "Landnahme"
atmeten die DDR-Herkunft.
Damit bestätigte der FAZ-Mann das Bild vom häßlichen "Wessi", der unwissend,
aber meinungsstark ist, denn Heins Literatur war von Anfang an mehr von dem
französischen Autor Camus als von Ho-necker beeinflußt. "Der fremde Freund" und
"Drachenblut" waren bereits 1982 erschienen: Es handelt sich um ein und
denselben Roman, der in beiden deutschen Staaten nur unter verschiedenen Titeln
firmierte. Ein kluger Kopf müßte das wissen.
Ob Christoph Hein, ein vergrübelt wirkender, studierter Philosoph, für den
Intendantenposten der richtige ist, wird man allerdings fragen müssen. Ein
Theaterchef muß verwalten, politisieren, die Öffentlichkeit beeindrucken und
sogar Ränke schmieden können, um sein Schiff über Wasser zu halten. Doch steht
die Personenfrage, wie gesagt, längst als Vorwand für einen Kulturkampf zwischen
Ost und West.
Im Gespräch mit der Berliner Zeitung prangerte Hein, angesprochen auf den
FAZ-Angriff, die "Apart-heid" an, die der Westen gegenüber der Ex-DDR ausübe.
"Sämtliche öffentlich-rechtlichen Anstalten im Osten werden von Westlern
geleitet. Das ist normal, aber sobald ein Neger Intendant wird, ist der Aufstand
da." Kultursenator Flierl heizte die Stimmung zusätzlich an, als er im Berliner
Tagesspiegel (West) äußerte, Hein verfüge über ausreichend "geistige Substanz",
um "ausgefahrene Bahnen" zu verlassen und das DT zu erneuern. Was im
Umkehrschluß bedeutet, daß Bernhard Wilms in Flierls Augen von der geistigen
Substanz zu wenig besitzt. Wilms meldete sich mit einem scharfen Offenen Brief
zu Wort: "Sehr geehrter Herr Senator, wir müssen nicht gerettet werden. Sie
schaden dem Deutschen Theater, das Ihrer Fürsorge obliegt, wenn Sie es
öffentlich schlechtreden, um eine Personalentscheidung zu rechtfertigen. Die
eine Intendanz geht zu Ende, und 2006 beginnt eine neue. Das Haus ist gut
bestellt und beim Publikum höchst erfolgreich. Die Zahlen sind imposant. Wir
haben ein Ensemble, um das uns andere Theater beneiden. Niemand muß also das DT
,neu aufrichten', eine Havarie ist nicht zu vermelden. Sie haben sich, seit Sie
im Amt sind, für unsere Arbeit nicht interessiert und kaum eine der
Vorstellungen gesehen. Sie wissen nicht, wovon Sie reden."
Fortsetzung folgt bestimmt. Denn das Leben läßt es sich nicht nehmen, die
spannendsten Stücke selber zu schreiben. |
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