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Preußische Allgemeine Zeitung / 23. Oktober 2004
Es ist schon fast verwunderlich, daß die Christen im durch Terroranschläge
gebeutelten Irak so lange Zeit ohne direkte Angriffe auf ihre Person geblieben
sind. Dabei betrachten islamische Extremisten Christen als Feinde des Islams
sowie als Stellvertreter des Westens. Im August kam es dann erstmals zu einem
Bombenanschlag auf christliche Gebetshäuser, am vergangenen Wochenende wurden
dann sogleich fünf Kirchen zum Ziel von Bombenattentaten.
Die etwa 700.000 im Irak lebenden Christen sind nun zu recht verängstigt. Sie
fürchten, daß ihre bisherige Schonfrist beendet ist, die Anschläge vom
Wochenende sogar der Beginn einer nun einsetzenden Christenverfolgung in dem
krisengeschüttelten Land sind. Doch Patriarch Emmanuel Delly III., das Oberhaupt
der Chaldäer, einer eng mit der römisch-katholischen Kirche verbundenen Gruppe,
ruft die Gläubigen zum Bleiben auf. "Dies ist unser Vaterland! Warum sollten wir
es verlassen?"
Diese Frage ist durchaus berechtigt, denn die christlichen Gemeinden im Irak
zählen zu den ältesten Kirchen überhaupt. Trotz zahlreicher Kriege und
islamischer Eroberung im 7. Jahrhundert konnten sich die Christen im
Zweistromland nun seit beinahe 2.000 Jahren halten.
Zwar legte die irakische Verfassung von 1970 den Islam als Staatsreligion fest,
erlaubte den Christen jedoch weiterhin eine freie Ausübung ihres Glaubens. Auch
unter dem Regime Saddam Husseins wurden die Christen nicht diskriminiert. Tarik Aziz, der stellvertretende Ministerpräsident und demnach
offiziell der zweite Mann im Staat nach dem Diktator, war selber Christ und
setzte sich für seine Glaubensgenossen ein.
Nun jedoch, im "befreiten" Irak, scheint die ungestörte Religionsaus-übung der
Christen des Landes und die Koexistenz von Christen und Moslems gefährdet.
Zahlreiche Christen haben inzwischen schon das Land verlassen. Doch es gibt auch
Menschen, die den Worten ihres Patriarchen Emmanuel Delly III. folgen und
Zeichen setzen. So wurden nur wenige Tage nach den Anschlägen in einer
ausgebrannten katholischen Kirche wieder Säuglinge getauft. R. B. |