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23.10.04 / Transparenz und Leichtigkeit / Eine Ausstellung in Karlsruhe würdigt Leben und Werk

© Preußische Allgemeine Zeitung / 23. Oktober 2004


Transparenz und Leichtigkeit
Eine Ausstellung in Karlsruhe würdigt Leben und Werk von Egon Eiermann

Nicht für die Ewigkeit, sondern nur für eine befristete Zeitspanne sollte moderne Architektur konzipiert sein, befand Egon Eiermann (1904-1970). Man möge beim Bau eines Hauses gleich seinen späteren Abriß bedenken und es so konstruieren, daß es dann zügig in Einzelteile demontiert und einer Wiederverwendung zugeführt werden könne. Wie sehr würde sich der Architekt Eiermann wundern, wenn er wüßte, daß eine Vielzahl seiner Bauten heute unter Denkmalschutz steht wie etwa die berühmten Olivetti-Türme in der Bürostadt Frankfurt-Niederrad oder das Verwaltungsgebäude des Burda-Verlags in Offenburg. Auch der "Lange Eugen", das ehemalige Abgeordnetenhochhaus in Bonn, wurde 1997 unter Denkmalschutz gestellt, dabei war auch dieses Gebäude als ein Provisorium in einer provisorischen Hauptstadt gedacht. Eiermanns eigenes Wohnhaus in Baden-Baden allerdings hat, obwohl unter Denkmalschutz, durch unkluge Baumaßnahmen des Zweitbesitzers, Schaden genommen. Eiermann selbst nahm es mit der Erhaltung von wertvollen Bauwerken nicht so genau, werfen ihm Kritiker vor und verweisen auf den kühnen Abriß des ehemaligen Kaufhauses Schocken in Stuttgart, das 1927/28 Erich Mendelsohn errichtet hatte. Der Bau mit dem typischen Mendelsohn-Schwung mußte 1959 einem Neubau weichen, dem Kaufhaus Merkur der Firma Helmut Horten, der für alle seine Filialen eine einheitliche Fassadengestaltung wünschte. Eiermann entwarf einen 60 x 60 Zentimeter großen Keramik-Formstein mit zwei gewölbten, sich kreuzenden Flächen, der an der Außenhaut des Gebäudes befestigt wurde. Im Verlauf der Planung gab es allerdings Krach zwischen dem Architekten und dem Bauherrn, da die firmeneigene Bauabteilung zu sehr Einfluß nahm und Eiermann sich übergangen fühlte. Dennoch sind die ehemaligen Horten-Kaufhäuser mit ihren Waben-Fassaden eng mit dem Namen Eiermann verbunden, auch wenn er sie selbst nicht geschaffen hat.

Mit dem Namen Eiermann aber verbindet man vor allem den Neubau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin, der 1956 bis 1963 entstand und von den Berlinern aufgrund seiner eigenwilligen Form liebevoll "Puderdose und Lippenstift" genannt wird. Auch hier sollte zunächst abgerissen werden, was der Krieg noch nicht vollends zerstört hatte. Die Berliner aber liefen Sturm gegen den Abbruch der "schönsten Ruine der Stadt", und so blieb der "hohle Zahn" als Mahnmal stehen. Heute überzeugt der Kontrast zwischen der wilhelminischen Ruine und den modernen Baukörpern aus Stahl und Betonwaben. Besonders beeindruckend ist jedoch der Innenraum der Kirche, in dem das vorwiegend blau einfallende Licht eine geradezu mystische Stimmung erzeugt. Auch bekommt der Besucher nicht mit, daß um ihn herum der Straßenverkehr rauscht - die zweischalige Betonverglasung hält den Lärm draußen.

Erste internationale Anerkennung fand Egon Eiermann durch den Bau des deutschen Pavillons auf der Weltausstellung 1958 in Brüssel. Der gemeinsam mit Sep Ruf ausgeführte Bau zeichnete sich durch "heitere Transparenz und lichtdurchflutete Leichtigkeit" aus. Hier war tatsächlich nicht für die Ewigkeit gebaut worden - der Pavillon wurde nach der Weltausstellung abgerissen, einzig die Fußgängerbrücke, die vom höher gelegenen Geländerand zur Pavillongruppe führte, gelangte als "Zoo-Brücke" nach Duisburg. Anerkennung fanden auch die Bauten für die Neckermann Versand AG, die Eiermann 1958 bis 1961 in Frankfurt am Main errichtete. Im Zentrum steht ein 257 Meter langes Versand- und Bürohaus, dessen Räume durch großzügige Verglasung viel Tageslicht erhalten und so Eiermanns Bestreben, der Welt der Arbeit auch ein Stück Naturerlebnis beizufügen, Rechnung trägt.

Egon Eiermann, dem Architekten und Lehrer ist zum 100. Geburtstag eine erste große Gesamtschau zu Leben und Werk gewidmet. Zu sehen ist die Ausstellung des Südwestdeutschen Archivs für Architektur und Ingenieurbau an der Universität Karlsruhe und der Städtischen Galerie Karlsruhe bis zum 9. Januar in der Städtischen Galerie (mittwochs bis freitags 10-18 Uhr, am Wochenende 11-18 Uhr; montags und dienstags geschlossen). Von Februar bis Mai 2005 wird sie im Bauhaus-Archiv in Berlin gezeigt. Der Katalog aus dem Verlag Hatje Cantz, Stuttgart, vermittelt mit vielen Fotografien und kenntnisreichen Texten zum Werk des in Neuendorf bei Potsdam geborenen Architekten ein lebendiges Bild seiner qualitätvollen Arbeit (224 Seiten, 308 Abb, davon 36 farbig, geb. mit Schutzumschlag, 39,80 Euro). Hast

Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin: Egon Eiermann schuf hier eine an die italienischen Kirchenfamilien in Pisa oder Pescara erinnernde Baugruppe  Foto: Archiv


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